Kommentar:Christoph Göbel, der Sack und Esel

CSU-Politiker im Landkreis fordern eine personelle Erneuerung und schießen sich auf Angela Merkel ein. Von Horst Seehofer reden sie lieber nicht

Von Lars Brunckhorst

Christoph Göbel und Angela Merkel sind sich nicht unähnlich. Wie der Bundeskanzlerin ist auch dem Landrat Pragmatismus wichtiger als Ideologie, und wie sie ist auch er ein Meister darin, verschiedene Strömungen und Meinungen einzufangen und zu einem Konsens zu führen. Bei einem großen Thema der vergangenen zwei Jahre zogen beide ebenfalls in dieselbe Richtung: Merkels versprochene Willkommenskultur wurde von Göbel aufgegriffen und ihr Satz "Wir schaffen das" vom Landratsamt umgesetzt. Umso eigentümlicher mutet es an, wenn jetzt ausgerechnet Göbel als erster namhafter CSU-Politiker ein Ende von Merkels ewiger Kanzlerschaft fordert.

"Was jetzt alternativlos ist: eine starke Bundesregierung, die glaubwürdig für Stabilität und gleichzeitig einen vertrauensvollen Neuanfang steht", schrieb der Landrat dieser Tage in einem sozialen Netzwerk. Und weiter: "Mit Merkel und Schulz wird es das nicht geben." Hoppla. Hat da einer seiner Meinung geändert? Steht ein Richtungswechsel in der Politik des Landrats bevor? Oder hat Göbel einfach nur zu laut gedacht? Und: Kehrt die Unsitte, politische Botschaften im Internet zu zwitschern, jetzt auch in der Kommunalpolitik ein? Die Tatsache, dass sich der Landrat auf seiner privaten Facebookseite äußerte, nimmt der Aussage jedenfalls nichts von ihrer Brisanz. Was Politiker bei Social-Media-Diensten posten, teilen und kommentieren wird immer auch mit ihrem Amt verbunden.

Der Ruf "Merkel muss weg" ist allerdings recht unausgegoren. Eine große Koalition mit anderen Köpfen an der Spitze wäre eine Wählertäuschung, schließlich waren die Parteien mit Merkel und Schulz als Spitzenkandidaten in die Wahlen gezogen. Göbels Favorit für die Merkel-Nachfolge, der frühere Unionsfraktionsvorsitzende Friedrich Merz, stand dagegen gar nicht zur Wahl und es ist schwer vorstellbar, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ihn dem Bundestag vorschlagen wird. Und dennoch: Der Landrat hat mit sicherem Gespür für den richtigen Zeitpunkt eine Diskussion angestoßen, für die er aus den eigenen Reihen sogleich viel Zuspruch erfährt. Warum nur sind die CSUler, die sich jetzt auf die CDU-Vorsitzende einschießen, so zaghaft, wenn es um Seehofer und die eigene Partei geht? Oder schlagen sie den Sack und meinen den Esel?

(In einer anderen Fassung hieß es fälschlich, Friedrich Merz könne nicht zum Bundeskanzler gewählt werden, weil er dem Bundestag nicht angehört. Das stimmt nicht. Für die Wahl zum Bundeskanzler ist kein Mandat im Bundestag nötig. Laut Grundgesetz schlägt der Bundespräsident nach Gesprächen mit den Bundestagsfraktionen eine Kandidatin oder einen Kandidaten für das Amt des Bundeskanzlers vor.)

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