Klinikclowns:Heiratsanträge für den Mann mit der Gitalele

Alle 14 Tage bekommen die Bewohner des Pichlmayr-Seniorenzentrums in Garching Besuch von den Klinikclowns. Manche tauen regelrecht auf, wenn Duda und Mathilda ihre Späße machen.

Von Gudrun Passarge

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Jodeln geht noch. Und wie. "Hollari, dihi, dihi, hollari, hollareidulliö", die Frau mit den schneeweißen Haaren ist ganz in ihrem Element. Mit ihrem Gesang verbreitet sie gute Laune beim Frühstück, sie juchzt und tiriliert, lacht und schäkert, während andere scheinbar völlig ungerührt noch ihre Honigsemmel essen. Die beiden Klinikclowns Mathilda und Duda begleiten Anna - wie sich die Sängerin vorgestellt hat. Szenen im Pichlmayr-Seniorenzentrum in Garching, wie sie alle 14 Tage vorkommen, denn so regelmäßig kommen Mathilda und Duda vorbei und besuchen die Senioren.

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Idee, die Klinikclowns ins Haus zu holen, hatte Jutta Burg, die Einrichtungsleiterin. Sie kennt den Verein aus dem Krankenhaus und schätzt seine Arbeit. "Es ist verblüffend bis überraschend", was die Clowns im Seniorenzentrum bewirkten, erzählt sie, die Bewohner freuten sich stets auf den ungewöhnlichen Besuch. Manchmal sei der Zugang zu einzelnen Menschen schwierig und zäh, manchmal würden sie mit offenen Armen empfangen. "Sie nehmen jede Situation so, wie die Bewohner es ihnen bieten", sagt sie lobend in Richtung Mathilda und Duda. Burg hat auch schon beobachtet, wie die Clowns still am Tisch saßen und warteten, bis eine Reaktion ihres Gegenübers kam. Und dann ist da noch der Fall von einem Bewohner, der seit einem Schlaganfall im Heim liegt. Er hat schwer mit seinem Schicksal gehadert, weil er in so jungen Jahren ins Pflegeheim umziehen musste. "Er hatte eine ganz tief sitzende Traurigkeit", erzählt die Einrichtungsleiterin, "wenn Sie ihn heute erleben, das sind Welten Unterschied." Die Klinikclowns haben heute den Bürgermeister im Schlepptau. Während sich Dietmar Gruchmann vielen dementen Bewohnern erst umständlich vorstellen muss, eilt er an der nächsten Station mit einem freundlichen "Servus Gerhard" ans Bett. Er kennt den Mann vom Fischereiverein. "Ich weiß schon", sagt Gruchmann, "es kommen viel zu wenig Leut' bei dir vorbei." Er habe davon gehört. Sagt es, und nimmt auf dem Toilettenstuhl Platz. Die Clowns stellen Gerhard Kaiser derweil diffizile Fragen. Soll Mathilda passend zu ihrem Streifenrock lieber rot- oder blau-geringelte Socken tragen? Oder sind am Ende die Spitzensöckchen das i-Tüpfelchen der Mode? Kaiser entscheidet sich für die Spitzenausführung und darf dann zuschauen, wie Duda seiner Partnerin hilft, sich umzukleiden. Es gibt noch ein Rock'n'Roll-Ständchen für ihn und viele warme Worte. Auch vom Bürgermeister, der verspricht, er werde es allen sagen, dass sie ihn hier im Heim doch mal besuchen könnten.

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Duda hat seine Gitalele umgehängt, eine kleine Gitarre mit sechs Saiten. Mit ihr und seiner roten Nase bricht er schnell das Eis, wenn er vor den Senioren steht, so wie Mathilda mit ihrem Lächeln und ihrer Handtasche, die nur so überquillt vor lustiger Utensilien. Wollen die Leute singen, begleitet Duda sie. Immer locker, flockig. Beim Ehepaar Tatz wird es dann für alle Sänger ernst. Mathilda hat zu Ehren der beiden, die erst in den Achtzigerjahren aus Schlesien nach Garching gekommen sind, ein besonderes Lied herausgesucht, das sie vorsingen will: "Panie Janie". Die Melodie ist kein Problem, das Lied vom Bruder Jakob kennt schließlich jeder, der polnische Text dagegen bereitet schon mehr Schwierigkeiten. Wie spricht sich doch gleich ein "a mit Zipfel drauf" aus? Doch gemeinsam mit Christine und Siegfried Tatz meistern die Clowns das Problem, es wird ein richtiges kleines Konzert, in das auch der Bürgermeister einstimmt. Beim Abschied sind alle beschwingt und planen bereits größere Auftritte. Fragt man Siegfried Tatz, wie ihm der Besuch gefallen hat, erzählt er vom Anfang. "Da waren sie mir ein bissl zu kindisch. Aber jetzt verstehen wir uns ganz gut. Wir sind ja noch voll bei Verstand, da interessieren uns andere Sachen. Aber wir können uns gut unterhalten."

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Programm der Klinikclowns folgt meist der gleichen Reihenfolge und fällt doch jedesmal anders aus - von Heiratsanträgen einzelner Frauen abgesehen, die Duda jedes Mal erhält. "Ich bin hier der Womanizer", erklärt er gänzlich unbescheiden. Bürgermeister Gruchmann zeigt sich überrascht. "Ich habe ein Spaßprogramm erwartet", stattdessen habe er gesehen, dass die Clowns auch eine Lücke füllten. Sie könnten Menschen besuchen, deren Familien es nicht so häufig schafften. "Ein toller Ansatz, den Sie hier fahren", sagt Gruchmann. Den lässt sich die Stadt Garching 20 000 Euro im Jahr kosten - als Zuschuss nicht nur für die Clowns, sondern auch noch für den Besuch von Monika Posmik von Monis kleine Farm mit ihren Tieren. Auch sie ist ein gern gesehener Gast. Clown Duda, der im wirklichen Leben Uwe Volkert heißt, nickt. "Es ist kein Nummernprogramm wie im Zirkus. Wir gehen auf die Bewohner ein. Wir gehen völlig offen in den Tag und versuchen, die Stimmung aufzunehmen." Mathilda alias Michaela Ranftl bestätigt: Musik, Tanz, oder einfach mal die Hand des Bewohners halten, ihn an der Schulter streicheln, das gehöre dazu. Oder auch nur zuhören, wenn jemand erzählt. Den beiden ist wichtig, dass sie kein Pflichtprogramm bieten. Die Bewohner können den Besuch der Clowns ablehnen, es gibt kein Muss.

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Ranftl hat wie Volkert die Clownschule in Freising besucht und ein Casting des Vereins Klinikclowns mitgemacht, bevor sie sich als eine von 58 in der Riege der Clowns einreihen durfte. Beim Casting galt es nachzuweisen, wie die Clowns mit der menschlich oft schwierigen Situation in Krankenhäusern oder Seniorenzentren umzugehen verstehen. Für Jutta Burg gibt es da keine Zweifel. Sie erzählt von Bewohnern, die mittlerweile am Programm des Hauses teilnehmen und sich nicht länger im Zimmer verkriechen. "Das ist mit eine Wirkung der Klinikclowns." Eine, die oft leise daherkommt.

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Eine Frau mit exakt frisierten Haaren, die das Gejodel beim Frühstück regungslos, wenn auch nicht uninteressiert über sich hat ergehen lassen, verabschiedet sich von den Clowns. Wohin sie denn jetzt gingen? Zu den Nachbarn, sagen die zwei. "Schönen Gruß", sagt die Frau und macht eine kunstvolle Pause. "Vom linken Fuß."

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