Klinikum Haar:Die Psychiatrie-Reform stockt

Klinikum Haar: Haus 58 ist das Vorbild für das neue Interimsgebäude. Der Eindruck einer Containerbauweise soll bewusst vermieden werden.

Haus 58 ist das Vorbild für das neue Interimsgebäude. Der Eindruck einer Containerbauweise soll bewusst vermieden werden.

(Foto: Claus Schunk)

Weil sich die Dezentralisierung komplizierter als gedacht erweist, sollen Patienten einen neuen Übergangsbau am Isar-Amper-Klinikum in Haar beziehen. Auch die Forensik ist mittlerweile stark belegt.

Von Bernhard Lohr, Haar

Vom Wegsperren will keiner mehr reden. Im Gegenteil. Die Pläne für eine neue, moderne Psychiatrie zielen darauf ab, das weitgehend isolierte Klinikdorf im Haar-Eglfing langsam zurückzufahren. Dezentral und angebunden an die bestehenden Kliniken in München und im Umland sollen dafür kleine, stationäre psychiatrische Einheiten entstehen. Doch was sich gut anhört und vor Jahren als Konzept der Zukunft vorgestellt wurde, lässt sich an mancher Kreisklinik schwer umsetzen. Nun bremst die Reformer noch die Krise der städtischen Kliniken aus. Weil die Patienten aber irgendwo hin müssen, ist Haar wieder ins Blickfeld gerückt.

Das provisorische Klinikgebäude soll zwei Stationen beherbergen

Wie ernst die Lage ist, zeigte sich am Dienstagabend im Bauausschuss des Haarer Gemeinderats, wo der Geschäftsführer des Isar-Amper-Klinikums München-Ost, Jörg Hemmersbach, Pläne vorstellte, als Notbehelf in Haar ein provisorisches Klinikgebäude für zwei Stationen zu errichten. Ernüchtert berichtete er von den Bemühungen, die groß angelegte Klinikreform voranzubringen, die er als sein "Lebenswerk" bezeichnete. "Die Vorgaben sind schwer umzusetzen", sagte er. Die baulichen Herausforderungen seien groß, an bestehende Kliniken psychiatrische Einheiten zu schaffen; zumal wenn das Ziel verfolgt werde, diese an den bestehenden Klinikbetrieb anzudocken.

An den Kliniken fehlt Hemmersbach zufolge in der Regel der Platz. In Fürstenfeldbruck etwa habe man viermal geplant und alles wieder verworfen, um am Ende festzustellen, dass ein separater Psychiatriebau doch besser wäre. Den Anlass, jetzt in Haar nach Hemmersbachs Worten ein "Interimsgebäude" zu bauen, liefern Probleme am Klinikum Schwabing. Dort kommt wegen der Umstrukturierungen in der Städtischen Klinikum München GmbH der zweite Bauabschnitt nicht voran. Zudem wurde ein bestehendes Mietverhältnis aufgekündigt.

Für eine dort vorgesehene Tagesklinik und eine Ambulanz fand man Räume in Schwabing. Die Patientenzimmer sollen aber in Haar entstehen. Auf einer Wiese innerhalb der Ringstraße soll ähnlich dem bestehenden Haus 58 für etwa acht Millionen Euro der Interimsbau entstehen. 15 Jahre etwa werde der gebraucht, sagte Hemmersbach. Er soll generell als Ausweichhaus für Stationen dienen, die nicht planmäßig in die Region verlagert werden. Hemmersbach sprach von einem qualitätvollen Gebäude. Personal und Patienten schätzten das vergleichbare Haus 58.

Die Forensikabteilung des Isar-Amper-Klinikums ist stärker belegt als zugesagt

Die Gemeinderäte erkannten die Notwendigkeit. Und sie sahen auch ein, dass sie im Grunde auf dem Klinikgelände wenig mitzureden haben. Doch einige brachten grundsätzlich das Verhältnis zwischen Bezirk und Gemeinde zur Sprache und fragten wegen Zukunftsplänen nach. Dabei kam auf, dass das Isar-Amper-Klinikum als Einrichtung des Bezirks Oberbayern doch gehörig unter Druck steht, was die Unterbringung von Psychiatriepatienten insgesamt angeht. Kritisch nahmen einige auf, dass die Forensik, also die Abteilung für psychisch kranke Straftäter, derzeit mit etwa 380 Personen stärker belegt ist, als vor Jahren zugesagt wurde. Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) erinnerte an Aussagen anlässlich des Baus der neuen Forensik-Abteilung, dass es dort nicht mehr als 300 Patienten geben solle.

Die Gemeinderäte Horst Wiedemann und Traudl Vater (beide SPD) bekannten, dass sie die Entwicklung mit Sorge betrachteten. Klinik-Geschäftsführer Hemmersbach sagte, er müsse die Forensik-Patienten aufnehmen, die ihm die Gerichte zuteilten. Es wäre eine Aufgabe der Politik, an deren Zuweisung im Raum München etwas zu ändern. Hemmersbach deutete zudem an, dass in der Forensik Neubauten notwendig werden könnten, weil für Patienten mehr Einzelzimmer geschaffen werden müssten, um Vorgaben zu erfüllen.

Gemeinderatsmitglieder fordern regelmäßigen Dialog

Antonius van Lier (FWG) bemängelte angesichts der vielen Neuerungen die Informationspolitik der Klinik. Es fehle eine Strategie. Thomas Fäth (SPD) kritisierte das "nicht so ganz transparente" Vorgehen. Und Mike Seckinger (Grüne) forderte Gemeinde und Klinik auf, in einen regelmäßigen Dialog einzutreten. Hemmersbach zeigte Bereitschaft dazu. Bürgermeisterin Müller kündigte an, mit dem Leiter der Forensik Kontakt aufzunehmen.

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