Klassik im August-Everding-Saal:Dreiklang mit Übergewicht

Klassik im August-Everding-Saal: Ausdrucksstark und einfühlsam: Carolin Widmann an der Violine, Marie-Elisabeth Hecker am Violoncello und Martin Helmchen am Piano.

Ausdrucksstark und einfühlsam: Carolin Widmann an der Violine, Marie-Elisabeth Hecker am Violoncello und Martin Helmchen am Piano.

(Foto: Claus Schunk)

Carolin Widmann, Marie-Elisabeth Hecker und Martin Helmchen präsentieren Klaviertrios von Schubert, Brahms und Beethoven in Grünwald. Mit leidenschaftlichem Spiel schaffen die Musiker große Momente der Kammermusik. Allein ein Detail stört die Balance

Von Reinhard Szyszka, Grünwald

Es gibt einen uralten Witz von einem Dirigenten, der die Orchesterprobe immer wieder an der gleichen Stelle unterbricht und zum Trompeter sagt: "Forte!" Der Trompeter spielt von Mal zu Mal lauter und läuft im Gesicht rot an. Schließlich erklärt er: "Entschuldigen Sie, Maestro, aber ich kann kein stärkeres Fortissimo blasen." - "Eben, " meint der Dirigent, "Sie sollen ja auch nur Forte spielen."

Diesen Witz hätte man am Dienstag dem Pianisten Martin Helmchen erzählen mögen, der mit seiner Ehefrau, der Cellistin Marie-Elisabeth Hecker sowie der Geigerin Carolin Widmann im August-Everding-Saal in Grünwald auftrat. Klaviertrios von Franz Schubert, Johannes Brahms und Ludwig van Beethoven hatten die drei Musiker im Gepäck, Kammermusik vom Feinsten, doch stellenweise dominierte das Klavier recht stark und spielte Fortissimo, wo Forte gefragt gewesen wäre. Besonders störend war dies im Erzherzog-Trio von Beethoven, einem Gipfelwerk der Trio-Literatur, das bei dieser Aufführung beinahe zum Klavierkonzert mutierte. Dabei steht die Dynamik genauestens in den Noten, und der Komponist hatte natürlich die Hammerklaviere seiner Zeit im Ohr, wo ein Forte anders klang als auf einem modernen Konzertflügel. Ein nur zur Hälfte geöffneter Flügeldeckel hätte das Problem abgemildert, wenn nicht gar gelöst.

Das Übergewicht des Klavierklangs war der einzige - kleine - Wermutstropfen in einem ansonsten hervorragenden Konzert. Helmchen, Hecker und Widmann sind ausgezeichnete Musiker, jeder ein Meister auf seinem Instrument, und neben ihren Solokarrieren widmen sie sich mit Leidenschaft und Hingabe der Kammermusik. Im einleitenden Notturno von Schubert schufen die Künstler vom ersten Ton an eine Serenaden-Atmosphäre, aufgelockert durch volksliedhafte Melodien in den Mittelteilen. Widmann und Hecker schafften es, den Klang ihrer Streichinstrumente perfekt zu verschmelzen und große Bögen zu spannen. Helmchen am Klavier trat im Mittelteil wieder sehr deutlich, fast überdeutlich hervor, lieferte aber im Hauptteil eine dezente Grundierung des schönen Themas.

Am besten gelang die Balance zwischen den drei Instrumenten beim C-Dur-Trio von Brahms. Dabei ist gerade Brahms für seinen vollgriffigen, anspruchsvollen Klaviersatz bekannt, und auch das Klaviertrio ist voll von anspruchsvollen Passagen, wo der Pianist mit beiden Händen schwer beschäftigt ist. Dennoch glückte den Musikern bei diesem Werk ein ausgewogenes, klares und durchhörbares Spiel. Carolin Widmann und Marie-Elisabeth Hecker reichten die Melodien so elegant, so bruchlos von einem Instrument zum anderen weiter, wie es selbst Streichquartetten mit jahrelanger gemeinsamer Spielpraxis nur selten gelingt. Und Martin Helmchen hatte seine stärksten Momente im Scherzo, einem unheimlich dahinhuschenden Elfenspuk in rasantem Tempo, teuflisch schwer fürs Klavier. Zauberhaft auch die letzte Variation des langsamen Satzes, wo alle drei Instrumente zu einem gemeinsamen Moment der Ruhe finden.

Nach der Pause dann Beethoven, und auch bei diesem Trio gab es, trotz der eingangs erwähnten Dominanz des Klaviers, viele schöne Momente zu entdecken. Hervorgehoben sei der Beginn des Kopfsatzes und natürlich der langsame Satz. Widmann und Hecker ließen sich durch die kräftigen Klaviertöne nicht dazu verleiten, nun ihrerseits lauter zu spielen, sondern befolgten strikt die Vortragsanweisungen des Komponisten. Kurz vor Ende des langsamen Satzes, wo das Thema wiederkehrt, auf die drei Instrumente verteilt, gelang den drei Künstlern ein fast abgeklärtes Spiel. Umso wirkungsvoller dann der nahtlose Übergang zum Finale, der Beethovens Zeitgenossen schon verblüffte und auch heute noch überraschen kann. Großer Beifall am Ende; die Musiker bedankten sich mit einer leicht verkürzten Version des dritten Satzes aus Beethovens Es-Dur-Trio. Hier waren die Probleme der Klangbalance plötzlich wie weggeblasen, und es gab ausgewogenes, kammermusikalisches Spiel von drei Instrumenten zu hören.

Fazit: Das leidenschaftliche Musizieren von Helmchen, Hecker und Widmann kann begeistern und mitreißen; die kleine Maßnahme, den Flügeldeckel nicht ganz zu öffnen, hätte ausgereicht, einen fast perfekten Abend vollends perfekt zu machen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: