Klage gegen Polizeitaktik bei Nazi-Aufmarsch:Außer Sichtweite

Grüne und SPD wollen gegen die Absperrungen der Polizei beim Neonazi-Aufmarsch klagen. Der Vorwurf: Die Polizei hätte die Rechtsradikalen "polizeitaktisch in Watte gepackt".

Dominik Hutter

Die Polizeitaktik bei den Demonstrationen am 13. November ist nun ein Fall für das Verwaltungsgericht München. Siegfried Benker, Fraktionschef der Grünen im Rathaus, der SPD-Landtagsabgeordnete Florian Ritter und der KZ-Überlebende Martin Löwenberg haben wegen der großräumigen Absperrungen rund um die Route des Neonazi-Aufmarsches eine Klage gegen das Polizeipräsidium München eingereicht.

Rechtsextremistischer Aufmarsch in München

Gegen die Absperrungen der Polizei beim "Heldengedenkmarsch" der Neonazis wollen Grüne und SPD klagen.

(Foto: dpa)

Nach Einschätzung von Anwältin Angelika Lex haben die Ordnungshüter gleich zwei Grundrechte der Gegendemonstranten verletzt - das auf freie Meinungsäußerung sowie die Versammlungsfreiheit. Demokratischer Protest müsse direkt an Ort und Stelle stattfinden können - und zwar so, dass er von der Gegenseite auch wahrgenommen wird. Lex kündigte an, notfalls bis vor die höchste Instanz zu ziehen: das Bundesverfassungsgericht.

Am 13. November hatten in der Innenstadt mehrere tausend Münchner gegen den sogenannten "Heldengedenkmarsch" protestiert, an dem knapp 120 Neonazis teilnahmen. Zu Gesicht bekamen sich die beiden Seiten aber nur an wenigen Stellen - die Marschroute der Rechtsradikalen war vor allem im Lehel derart großzügig abgesperrt, dass sich empörte Gegendemonstranten ein stundenlanges Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei quer durch die Wohnstraßen lieferten. An vielen Stellen waren Polizeiautos als Sichtschutz aufgestellt. Am großen Demo-Samstag wurden fünf Personen verletzt und 26 kurzzeitig festgenommen.

Wolfgang Wenger, Sprecher der Münchner Polizei, spricht denn auch von "keinem leichten Einsatz". Oberstes Ziel sei es gewesen, gewaltsame Zusammenstöße zwischen beiden Seiten zu vermeiden - das bereite in den engen Straßenzügen des Lehels durchaus Probleme. Die Absperrungen seien notwendig gewesen, um die Versammlungsfreiheit, die auch für die Rechten gelte, zu garantieren.

Grünen-Stadtrat Benker dagegen will nicht einsehen, dass Rechtsradikalen durch die Polizei eine "störungsfreie und angenehme Demonstrationsatmosphäre" ermöglicht wird, sie sozusagen "polizeitaktisch in Watte gepackt" werden. Auch SPD-Mann Ritter sieht den Protest der Demokraten durch die Absperrungen "vollständig ausgehebelt", die Neonazis hätten eine "völlig freie Stadt" vorgefunden. Da hätte man, so Ritter, die Gegenveranstaltung auch in einer Messehalle in Riem abhalten können. Als Zeugen für die Klage stehen nach Angaben von Anwältin Lex auch CSU-Stadtrat Marian Offman, SPD-Stadtrat Nikolaus Gradl und Helmut Gottschling, der Pfarrer der Lukaskirche, zur Verfügung.

Martin Löwenberg hat den 13.November in "deprimierender Erinnerung". Der KZ-Überlebende will verhindern, dass "wie nach 1933" die Straße nur noch den Nazis gehört, demokratische Proteste aber unmöglich sind.

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