Kita-Streik:Wer soll das bezahlen?

Bei allem Verständnis für die Forderungen der streikenden Erzieher - Gemeinden und Eltern sehen den Tarifkonflikt und die möglichen Folgen mit Sorgen, wie sich am Beispiel Grasbrunns zeigt

Von Johanna Mayerhofer

Klaus Korneder sitzt nicht am Verhandlungstisch. Als Bürgermeister von Grasbrunn muss er den Tarifabschluss für Erzieher und Kinderpfleger, über den die kommunalen Arbeitgeber und die Gewerkschaft Verdi derzeit verhandeln, machtlos abwarten. Dabei ist seine Gemeinde besonders von dem Arbeitskampf betroffen: Drei der fünf Kindertageseinrichtungen in Grasbrunn sind in kommunaler Trägerschaft. Und in allen drei Kitas wird gestreikt. Seit Montag befinden sich 18 der 38 Mitarbeiter der "Kinderwelt" unbefristet im Ausstand, am Freitag legten der Kindergarten Honigblume und das Kinderhaus in Harthausen einen Streiktag ein. Damit ist die 6500-Einwohner-Gemeinde Grasbrunn einsamer Schwerpunkt des Arbeitskampfes im Landkreis, der sich sonst auf große Städte wie München und Nürnberg konzentriert.

Es ist der erste Streik, den Korneder in seiner Amtszeit erlebt. Vorige Woche hat er sich mit Vertretern der Erzieher an einen Tisch gesetzt. "Ich war froh, dass sie uns frühzeitig über den Streik informiert haben." So konnte wenigstens für Eltern, die besonders dringend auf eine Betreuung ihrer Kinder angewiesen sind, eine Notgruppe organisiert werden. Hier finden zumindest 80 der insgesamt 253 Kinder, die in der Kinderwelt Krippe, Hort und Kindergarten besuchen, einen Platz. "Damit hoffen wir auch auf mehr Akzeptanz für die Streikenden seitens der Eltern." Zwei Wochen gilt der Notfallplan, dann hofft Korneder auf eine Einigung und einen Tarifabschluss.

Für die Arbeitsniederlegung hat der SPD-Politiker volles Verständnis. Eine sehr lange Ausbildung und große berufliche Verantwortung stünden in keinem Verhältnis zum Einkommen der Streikenden. Und doch bereitet ihm der Arbeitskampf Sorge: Denn egal wie er ausgeht, so viel ist zu erwarten: Es dürfte wieder einmal teurer werden für die Gemeinden. Schon jetzt gibt Grasbrunn mehr als zwei Millionen Euro jährlich für die Kinderbetreuung aus. "Damit tragen wir den Löwenanteil", sagt Korneder. Den Rest tragen die Eltern mit ihren Beiträgen und der Freistaat.

Spielplatz

Wer wird hier verschaukelt? Alle finden es richtig, dass Erzieher und Kinderpfleger mehr Geld bekommen sollen.

(Foto: Caroline Seidel, dpa)

Wie die Gemeinden einen möglichen weiteren Anstieg der Personalkosten bewältigen werden, ist bisher noch unklar. Erst kürzlich haben die meisten im Münchner Umland eine Zulage eingeführt, wie sie die Stadt ihrem Personal neuerdings gewährt. Sobald ein Tarifabschluss vorliegt, wird sich Korneder daher mit seinen Kollegen aus den anderen Landkreisgemeinden zusammensetzen und über Finanzierungsmöglichkeiten beraten. "Das wird viele Diskussionen und genaues Hinschauen erfordern", prognostiziert er. Die finanziellen Möglichkeiten der meisten Kommunen hält Korneder jedenfalls irgendwann für erschöpft. Er sieht daher den Staat stärker in der Pflicht. "Der gegenwärtige Finanzierungsschlüssel ist sehr gemeindelastig."

Und so verfolgen auch die Eltern den Streik mit gemischten Gefühlen. Als "etwas angespannt" beschreibt Anja Wartenberg, die Elternbeiratsvorsitzende der Kinderwelt in Grasbrunn, die Stimmungslage. Und das nicht nur, weil die meisten Eltern sich dieser Tage irgendwie organisieren müssen, indem sie entweder auf Großeltern oder Nachbarn zurückgreifen oder sich freinehmen. Zwar haben die Eltern laut Wartenberg trotz der Unannehmlichkeiten Verständnis für den Streik. "Wir möchten, dass die Arbeit im Erzieherberuf angemessen gewürdigt wird." Doch nicht wenige befürchten, dass sie es sind, die am Ende für eine bessere Bezahlung zur Kasse gebeten werden. Schon jetzt zahlen die Eltern in Grasbrunn über ihre Beiträge knapp 600 000 Euro im Jahr.

Konnte Grasbrunn etwa in den vergangenen Jahren die Lohnsteigerungen noch über den Gemeindehaushalt abfedern, musste der Gemeinderat 2014 eine Anhebung der Elternbeiträge um 15 Prozent beschließen. Wegen der neuen Arbeitsmarktzulage folgte zum 1. März eine weitere Beitragserhöhung. Und zum 1. September ist noch einmal eine Neukalkulation der Gebühren angekündigt. Dann müssen Eltern beispielsweise für einen Krippenplatz bis zu 489 Euro im Monat bezahlen.

10 Prozent mehr

Verdi fordert eine Neuregelung der Eingruppierung und der Tätigkeitsmerkmale. In der Entgeltgruppe S 6 nach vierjähriger Tätigkeit verdient ein Erzieher derzeit 2768,08 Euro Brutto. Verdi fordert ein Plus von 222,99 Euro. Kinderpfleger haben nach vier Jahren ein Einkommen von 2433,58 Euro in der Entgeltgruppe S 3. Ein Aufstieg in S 5 soll für 323,35 Euro mehr sorgen.

Auch in Oberhaching, wo sechs von insgesamt acht Kindertagesstätten in kommunaler Trägerschaft sind, verfolgt man den Tarifkonflikt mit Spannung. Infolge der Arbeitsmarktzulage werden hier von September an die Elternbeiträge ohnehin erhöht. Die Kosten im Kindergarten reichen dann von 75 Euro für vier Stunden bis zu 189 Euro bei einer Belegung von mehr als neun Stunden. In der Krippe reicht, bei gleicher Stundenanzahl, die Spanne von 290 bis 570 Euro. Bei einer Tariferhöhung müsse wohl noch einmal an den Beträgen geschraubt werden, sagt Johannes Pinzel von der Gemeinde.

Denn den allerwenigsten Gemeinden geht es finanziell so gut wie Unterföhring, wo die Kinderbetreuung seit 35 Jahren kostenlos für Eltern ist. Die Gemeinde übernimmt die von den Trägern bestimmten Elternbeiträge. "Da ist Unterföhring im Landkreis außer Konkurrenz", sagt Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer. Und er möchte, dass das auch so bleibt. "Ich bin stolz auf unsere kinderreiche Gemeinde. In der Kinderbetreuung ist das Geld am besten angelegt."

Andernorts müssen Elternbeiräte wie Anja Wartenberg aus Grasbrunn dagegen hoffen, dass ein höherer Tarifabschluss mit der Arbeitsmarktzulage verrechnet wird. Andernfalls drohe ein neuerlicher Beitragsanstieg und Unmut bei vielen Eltern, ist sie überzeugt. Wie begrenzt die Solidarität ist, zeigt auch der Umstand, dass der Elternbeirat in Grasbrunn für den Fall, dass der Streik länger andauert, bei der Gemeinde auf Rückzahlung der Elternbeiträge drängen will - was die Gemeinde vorsorglich schon mal ausschließt. Die laufenden Kosten müssten schließlich trotz des Streiks gedeckt werden, sagt Nicole Zeh, die Hauptamtsleiterin der Gemeinde. Auch in der Nachbargemeinde Haar sind laut Gemeindemitarbeiterin Susanne Hehnen keine Rückzahlungen vorgesehen. Hier war der Kindergarten Gronsdorf diese Woche geschlossen. Am Montag soll er aber wieder aufmachen. Immerhin ein kleiner Lichtblick für Eltern.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: