Kirchheimer Pappelweg:Nachbarn unerwünscht

Kirchheim, Ackerland am Pappelweg ist Bauland geworden

Die Anwohner Ulrike Schanz und Peter Hofstätter wehren sich dagegen, dass der Acker vor ihrer Haustür Bauland wird.

(Foto: Angelika Bardehle)

Anwohner protestieren gegen die Bebauung eines Ackers am Ortsrand. Sie fühlen sich von der Gemeinde falsch informiert

Von Christina Hertel, Kirchheim

Wenn Peter Hofstätter aus dem Fenster schaut, sieht er viele Felder und am Horizont Wald. Das könnte sich in etwa einem Jahr ändern. 2019 möchte die Gemeinde Kirchheim das Grundstück vor seinem Wohnhaus bebauen lassen - mit 16 freistehenden Einfamilien- und Reihenhäusern. Peter Hofstätter und seine Nachbarn ärgern sich über dieses Vorhaben so sehr, dass sie in Kirchheim Flyer verteilten und eine Homepage ins Netz stellten. "Ein für den Kirchheimer Bürger besonders attraktives Stück Lebensqualität steht auf dem Spiel!", schreiben sie auf www.ig-pappel.de, benannt nach dem Pappelweg am nördlichen Ortsrand Kirchheims, in dem sie leben.

Dass im Raum München, wo Bauland knapp ist, niemand für alle Zeit eine Garantie auf einen freien Blick in die Natur hat, ist Hofstätter und seinen Mitstreitern - laut seinen Angaben sind es insgesamt acht Personen - bewusst. Doch ihn ärgert vor allem das, wie er es nennt, "intransparente Vorgehen" des Bürgermeisters Maximilian Böltl (CSU).

Konkret geht es um einen fast 11 300 Quadratmeter großen Acker westlich der Flurstraße. Die Gemeinde hat im Januar 2017 einen Großteil davon für 1,2 Millionen Euro gekauft. Eine Fläche von fast 1500 Quadratmetern behielt der Verkäufer. Bebaut werden sollen dieser Teil sowie 3300 Quadratmeter, die jetzt der Gemeinde gehören. 16 Wohneinheiten sollen darauf entstehen, die meisten davon Doppelhaushälften. Der Rest des Gemeindegrundstücks bleibt Ackerland.

Hofstätter und die anderen Anwohner stört vieles an diesem Kauf. Er sagt, er fühle sich vom Bürgermeister getäuscht. "Im Herbst hieß es noch, die Gemeinde wolle von innen nach außen bauen." Vor dem Bürgerentscheid über eine Ortsmitte sei mit diesem Argument Werbung gemacht worden. Für Hofstätter ein Grund, bei dem Entscheid mit Ja zu stimmen. "Aber schon jetzt gilt das nicht mehr", sagt Hofstätter. Auf ihrer Homepage fragen die Anwohner: "Waren denn diese Wahlversprechen hier völlig irreführend?"

Auch eine Nachbarin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, ärgert sich. Sie kaufte erst vor einem Jahr ihr Haus am Pappelweg. Das, so sagt sie, deshalb so teuer gewesen sei, weil der Blick in die Natur unverbaut war. "Bevor ich den Kaufvertrag unterschrieben habe, habe ich in der Gemeinde nachgefragt, ob dort eine Bebauung geplant ist. Die nächsten zehn bis 20 Jahre nicht, lautete die Antwort." Die Anwohnerin meint, sie hätte beim Kaufpreis anders verhandeln können, wenn sie gewusst hätte, dass sich an der freien Sicht schon bald etwas ändern soll. "Mir ist durch diese falsche Aussage ein finanzieller Schaden entstanden", argumentiert sie. Außerdem machen sie die Modalitäten des Vertrages wütend. Die Anwohnerin spricht von "Deal" und "Klüngelei". Denn: Bevor die Gemeinde das Grundstück kaufte, war es als Ackerland ausgewiesen, also weniger wert als Bauland. Der Verkäufer hat sich in dem Vertrag garantieren lassen, dass er von dem Kaufvertrag zurücktreten kann - sollte es bis 2020 für die Fläche, die in seinem Besitz bleibt, keinen Bebauungsplan geben. Sein Grund steigt also im Wert. "Für uns hat das ein Gschmäckle", sagt die Anwohnerin. Und alle gemeinsam stört, dass sich niemand seitens der Verwaltung persönlich bei ihnen meldete, als die Pläne für die Bebauung konkreter wurden.

Bürgermeister Maximilian Böltl sieht all das anders. Er sagt, diese Rücktrittsklausel in dem Kaufvertrag sei sinnvoll und notwendig gewesen, um zu einer wirtschaftlichen Einigung zukommen. Bei der Anwohnerin, der das Bauamt fälschlicherweise mitgeteilt hatte, eine Bebauung vor ihrem Gartenzaun sei die nächsten zehn Jahre nicht geplant, habe sich das Rathaus bereits mehrmals entschuldigt. "So eine Aussage kann im Münchner Umland in Ortsrandlage logischerweise so pauschal gar nicht getroffen werden", sagt Böltl.

Vor kurzem besuchte er außerdem die Anwohner des Pappelwegs, um mit ihnen über das Vorhaben zu sprechen. Über das Ergebnis dieses Treffens gehen die Meinungen auseinander. Böltl sagt, man habe Kompromisse gefunden. Es sei zum Beispiel vereinbart worden, dass die neuen Häuser mindestens sechs Meter von den Gärten der Anwohner entfernt sein müssen. Peter Hofstätter sagt hingegen, es habe sich gar nichts geändert. Das Vertrauen sei nach wie vor beschädigt. Zufrieden sei er erst, wenn der Kaufvertrag rückgängig gemacht wird. Schließlich koste so ein Kauf ja viel Geld - das die Gemeinde auch anderswo investieren könne. Als Einzelinteresse, entgegnet der Bürgermeister, verstehe er diese Haltung auch sehr gut. "Nur müssen wir als Verwaltung und Gemeinderat eben das Gemeinwohl im Blick haben." Ob die Gemeinde das Grundstück behält, tauscht oder verkauft ist übrigens noch unklar.

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