Kirchheim:Von Dänemark lernen

Kirchheim: Eine geschwungene Treppe verbindet die fünf Ebenen im Kopenhagener Ørestad Gymnasium, das der Gemeinde Kirchheim als Vorbild dient.

Eine geschwungene Treppe verbindet die fünf Ebenen im Kopenhagener Ørestad Gymnasium, das der Gemeinde Kirchheim als Vorbild dient.

(Foto: Maximilian Böltl/oh)

Bürgermeister Maximilian Böltl besichtigt in Kopenhagen das futuristische Ørestad-Gymnasium, um sich Anregungen für den Schulneubau in seiner Gemeinde zu holen.

Von Martin Mühlfenzl, Kirchheim

Mehrere Meter breit sind die Radwege, die am futuristischen Ørestad-Gymnasium im gleichnamigen Kopenhagener Stadtteil vorbeiführen. Und nur wenige Meter sind es von der Schule in den Byparken samt Fußballplatz, an den die avantgardistischen Studentenwohnheime mit viel Glas und ungewöhnlichen Formen anschließen.

Das jüngste Viertel der dänischen Hauptstadt ist ein "mutiges Experiment, von dem wir uns viel abschauen können", sagt Kirchheims Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU), der sich Ørestad mit seinem Amtskollegen und Parteifreund Thomas Glashauser aus Aschheim in der vergangenen Woche angeschaut hat.

Der Bürgermeister einer 13 000-Seelen-Gemeinde aus Oberbayern holt sich Inspiration in Dänemarks größter Stadt, die nicht nur das kulturelle und wirtschaftliche Zentrums des Landes ist, sondern als architektonisches Herz Skandinaviens gilt? Warum nicht. Angesichts der Veränderungen, die der Gemeinde bevorstehen, kann das nicht schaden: Kirchheim soll eine neue Ortsmitte bekommen - und die Planungen für ein neues Gymnasium sind weit gediehen.

Starrer Frontalunterricht gehört der Vergangenheit an

Die Kirchheimer wollen beim Neubau ihrer Schule innovative Wege beschreiten, die einer sich verändernden Schullandschaft Rechnung tragen. Und sie wollen Erfahrungen einfließen lassen - aus Dänemark, aber auch aus Projekten im Landkreis München, wo starrer Frontalunterricht in Klassenzimmern, die eher an Kasernen erinnern, der Vergangenheit angehört.

Die jüngsten Gymnasien des Landkreises in Grünwald und Ottobrunn sind bereits moderne Lernlandschaften: offene, helle Gebäude mit sogenannten Oasen, in denen Schüler einfach mal einen Moment chillen oder in Kleingruppen ein Referat ausarbeiten können. "Die Welt muss in die Schule herein", sagt Ottobrunns Direktor Achim Lebert. "Das geht nur mit einem offenen Haus."

Kirchheim könnte nun noch einen Schritt weiter gehen. Und als Vorbild dient das Ørestad-Gymnasium. Eine Schule, die ganz ohne Klassen- und Lehrerzimmer auskommt. Über fünf Stockwerke fließen hier gewissermaßen die Räume ineinander, Ruheinseln mit Kissen schweben zwischen den Etagen, eine riesige Halle mit einer geschwungenen Holztreppe erwartet den Besucher.

Gutes Training für die Arbeitswelt

"Von jeder Etage aus hat man alles im Blick", sagt Böltl. "Alles ist offen und dynamisch. Aber ohne die Unruhe, die man fürchtet." Die Schüler können sich auch in kleine Nischen und Ruhebereiche zurückziehen. Und die Architekten haben es mit modernsten Maßnahmen wie einer abgehängten Akustikdecke, mehrfachen Lackierungen der Wände und Matten auf den Böden geschafft, eine optimale Akustik herzustellen.

Kirchheim: Tief beeindruckt vom innovativen Bau in Kopenhagen zeigten sich Maximilian Böltl (vorne, Mitte) und sein Aschheimer Kollege Thomas Glashauser (hinten).

Tief beeindruckt vom innovativen Bau in Kopenhagen zeigten sich Maximilian Böltl (vorne, Mitte) und sein Aschheimer Kollege Thomas Glashauser (hinten).

(Foto: Maximilian Böltl/oh)

"Wir waren bei laufendem Betrieb in der Schule, und es waren keine störenden Geräusche zu hören", sagt Böltl. "Durch die Offenheit kann sich hier niemand verstecken, es gibt keine unsoziale Gruppenbildung. Und gleichzeitig werden die Schüler mit Ablenkungen konfrontiert, die sie auch in der Arbeitswelt erwarten - das ist ein gutes Training."

Das dänische Schulsystem unterscheidet sich freilich vom bayerischen. Dort beginnt das Gymnasium ab der zehnten Klasse, Gruppenarbeiten spielen eine größere Rolle, Schüler haben mehr Freiheiten. "Unser System ist festgefahren. Man müsste viel verändern", sagt Böltl. Erstaunliche Worte für einen CSU-Bürgermeister. "Aber so schnell wird das nicht passieren. Deshalb müssen wir die Freiheiten nutzen, die wir haben." Und bei der Ausgestaltung der Schule haben die Gemeinden Kirchheim, Aschheim und Feldkirchen, die gemeinsam mit dem Landkreis im Zweckverband sitzen, alle Freiheiten.

Kirchheim will nicht ganz auf Klassenzimmer verzichten

Fest steht schon jetzt, dass das neue Kirchheimer Gymnasium aber nicht ganz auf Klassenzimmer verzichten wird. "Gerade bei den Kleinsten haben die schon noch Sinn", sagt Böltl. "Aber wir wollen Strukturen aufbrechen." Nachhaltigen Eindruck hat bei ihm und seinen Kollegen hinterlassen, dass das Ørestad-Gymnasium auf Papier verzichtet. In der Schule gibt es nicht mal mehr eine Bibliothek. In einer Vitrine fänden sich noch ein paar Bücher, sagt Böltl und lacht: "Aber nur, damit die Schüler nicht vergessen, wie ein Buch aussieht." In der dänischen Vorzeigeschule arbeiten die Kinder und Jugendlichen mit ihren Laptops, die sie von Zuhause mitbringen.

"Wir müssen mutiger sein", sagt Böltl. "Da können wir beim Städtebau von den Dänen viel lernen." Für seine Gemeinde heißt das, auch vor einem fünfstöckigen Gymnasium, wie es angedacht ist, keine Angst zu haben. Architekt Eduard Schulz, der im Juli den Architektenwettbewerb für das neue Kirchheimer Gymnasium gewonnen hat, will jedenfalls in die Höhe bauen. Zunächst aber muss er sich gegen die vier anderen Preisträger der Ausschreibung Ende des Jahres durchsetzen. Gelingt im das, wird er noch einige dänische Anregungen einarbeiten müssen.

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