Kirchheim:Rituale kennenlernen

Pflegepersonal bildet sich über Sterbebegleitung im Islam fort

Von David Knapp, Kirchheim

Tod, Sterben und der Umgang mit Trauer sind unumstößliche Bestandteile des menschlichen Seins. Dabei ist der Tod universell - er betrifft alle Menschen gleichermaßen, unterscheidet nicht zwischen Staatsangehörigkeit, Religion oder Kulturkreis. Jedoch kann sich die Sterbegleitung und der ritualisierte Umgang mit dem Tod von Religion zu Religion unterscheiden. Ein Thema, das vor allem Mitarbeiter von Hospizen, Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, aber auch Menschen, die einen Blick über den Tellerrand hinaus wagen möchten, interessiert.

In Deutschland ist es nicht zuletzt die Gruppe der in den 1950er und 1960er Jahren nach Deutschland zugewanderten Muslime, die jetzt in ein Alter der Pflegebedürftigkeit kommt und deren Umgang mit dem Tod für viele Nicht-Muslime Fragen aufwirft.

Der Vorstand des Hospizvereins Kirchheim ist darum bemüht, solchen Fragen offen gegenüber zu treten und veranstaltete daher einen Vortrag mit Melike Kapicibasi, Zweite Vorsitzende der Türkisch Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) in Kirchheim. Zum einen diene der Vortag als Weiterbildung, wie Verena Reckzeh, Vorsitzende des Hospizvereins, betonte. Zum anderen sei es aber auch eine gute Gelegenheit, "angesichts von Pegida und Co. Stellung zu beziehen - und ein Zeichen für ein friedliches Miteinander zu setzen". Kapicibasi knüpfte daran an, sie betonte: "Es ist in unserem Sinne, diesen interkulturellen Dialog zu führen. Wir haben Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Aber auch die Unterschiede können unseren Horizont erweitern." Eloquent, einfühlsam und dennoch sachlich referierte Kapicabasi über den Umgang mit dem Tod im Islam. Dabei wurde den rund 30 Zuhörern bewusst, wie komplex die Sterbebegleitung für praktizierende Muslime ist. Von der kollektiven Verantwortung der muslimischen Gemeinde gegenüber Kranken, den Koran-Rezitationen am Sterbebett bis hin zur Umsorgung des Leichnams zeichnete sie detailliert die einzelnen Schritte nach.

Natürlich wünschten sich die meisten Muslime, dass sie ihre letzten Tage im Kreis der Familie verbringen können. Doch gerade wenn die sterbenden Menschen in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen untergebracht sind, stellen sich hier besondere Herausforderungen an das Personal. "Es wird schon viel in dem Bereich gemacht", hob Kapicibasi hervor. Dennoch gäbe es noch Handlungsbedarf. Wo das Krankenhauspersonal auf die muslimische Religion trifft, können Unsicherheiten auftreten. "Unkenntnis ist eine Quelle der Angst. Aber wir können voneinander lernen", sagte die gläubige Muslima. So sollte jeder Klinik ein Ansprechpartner aus der muslimischen Gemeinde des betroffenen Patienten zur Seite stehen. Kapicibasi ist selbst Ansprechpartnerin. Wenn es keine Familienangehörigen mehr gibt oder diese sich nicht in der Verantwortung fühlen, weiß sie, was zu tun ist. Kapicibasi stellte sich auch allgemeine Fragen über den Islam. Gerade angesichts der Bilder von selbsternannten Gotteskriegern, die ihre Religion als Legitimation für Verbrechen vorschieben, fand Kapicibasi die richtigen Worte. Sie bekräftigte, dass derartige Gräueltaten durch keine Religion gerechtfertigt werden können.

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