Kirchheim:Maria, Josef und der Dieb

Kirchheim: Nur noch die Schafe und das Christkind sind von den Figuren in der Krippe übrig. Maria, Josef, Ochse, Esel und die Hirten wurden Barbara Kraft-Heinik und ihrem Mann Thomas Heinik gestohlen.

Nur noch die Schafe und das Christkind sind von den Figuren in der Krippe übrig. Maria, Josef, Ochse, Esel und die Hirten wurden Barbara Kraft-Heinik und ihrem Mann Thomas Heinik gestohlen.

(Foto: Claus Schunk)

Zum zweiten Mal sind in Kirchheim Figuren einer großen Krippe gestohlen worden

Von Michael Morosow, Kirchheim

"Jessas, Maria und Josef" ist ein altbayerischer Ausruf des Erstaunens oder des Erschreckens. Als Barbara Kraft-Heinik eine Woche vor Heiligabend in die große Weihnachtskrippe auf ihrem Hof in Kirchheim schaute, erschrak sie gar mächtig, und für das Gefühl, das sie in diesem Moment übermannte, lässt sich nun wirklich keine zutreffendere Interjektion finden als "Jessas, Maria und Josef." Von der Heiligen Familie war nur noch das Jesukindlein zu sehen, recht proper zwar in seiner Wiege liegend, aber verlassen von der Mutter und ihrem Mann. Josef und Maria sind in der Nacht zum 16. Dezember einem Dieb in die Hände gefallen, der außerdem noch Gefallen fand an vier Hirten sowie Ochs und Esel.

Nach den Buchstaben des Strafgesetzbuches mag es sich bei der Tat um einen gewöhnlichen Diebstahl handeln. Nicht nur in den Augen von Barbara Kraft-Heinik und ihrem Mann Thomas Heinik hat der unbekannte Täter aber mehr angerichtet als Krippenfiguren gestohlen. Er hat damit vermutlich auch einer von den Kirchheimern geschätzten Tradition ein trauriges Ende beschert, ein Aus nach 50 Jahren. So lange galt das weihnachtliche Figurenensemble als eine Art Dorfkripperl, geliebt vor allem von Kindergartenkindern, die regelmäßig vorbeischauten und auch mal einen Esel wieder auf die Beine halfen, wenn die Katze der Heiniks, eine aus Fleisch und Blut, ihn umgeworfen hatte. Es war eine öffentliche Krippe, eine zum Anfassen, was der Dieb offenbar allzu wörtlich genommen hat. Und es war nicht das erste Mal, auch im Vorjahr, wenige Tage nach Heiligabend, vergriff er sich an Teilen der Heiligen Familie. "Die Eltern vom Christkind sind nicht mehr da", habe ihr damals ein kleines Mädchen aufgeregt mitgeteilt, erinnert sich Kraft-Heinik. Es fehlten Maria und Josef sowie alle fünf Hirten. Um die Lücken in der circa drei mal zwei Meter messenden Krippe wieder zu schließen, ließ sie sich Josef und Maria aus der Toskana schicken und kaufte auf dem Münchner Kripperlmarkt ein. Die Figuren seien eigentlich nichts Besonderes und auch nicht teuer, "aber hier geht es nicht um Wert, sondern um Wertigkeit", sagt sie. Rechtzeitig zu Weihnachten war die Heilige Familie wieder komplett.

Vom neuerlichen Diebstahl erfuhr sie erst am Tag nach der Tat von der Apothekerin. "Mei Barbara, wir wissen gar nicht, wie wir es dir sagen sollen", leitete diese ihre unfrohe Botschaft ein. Noch am selben Tag gab Barbara Kraft-Heinik, Münchner Stadtführerin und ehemalige CSU-Kreisrätin, für das am 22. Dezember erschienenen Gemeindeblatt eine Anzeige auf: "In der Familie haben wir besprochen, dass wir leider die Tradition beenden und die Krippe nicht mehr aufstellen werden. Wir bedauern sehr, dass wir die vielen Kinder und Erwachsenen, die jedes Jahr auf die Krippe gewartet haben, so enttäuschen müssen, aber wir bitten Sie um Ihr Verständnis für unsere Entscheidung." Die Krippenräuberei wurde damit zum Ortsgespräch, und Barbara Kraft-Heinik erreichten viele Beileidsbezeugungen. So weit, so gut, damit könnte die traurige Krippengeschichte beendet sein, wenn da nicht auch noch der Täter wäre. Dieser hat wohl in der Überzeugung, auf ewig unerkannt zu bleiben, ein schönes Weihnachtsfest gefeiert, zusammen mit Maria und Josef, Ochs und Esel und den vier Hirten, wenn er die Figuren zuvor nicht bereits verkauft hatte.

Er soll erstens wissen, dass die Heiniks verzeihen können, und zweitens zur Kenntnis nehmen, dass nicht nur der Herrgott seine unchristliche Tat beobachtet hat. Ja, wenn das Ehepaar und seine beiden Söhne es wollten, könnte der Dieb im Nachhinein überführt werden. "Das ist er", sagt Thomas Heinik, CSU-Gemeinderat in Kirchheim, und deutet auf ein Bild, das eine Überwachungskamera am 16. Dezember um 20.52 Uhr geschossen hatte. Es zeigt einen älteren Mann im Profil, vor der Krippe stehend. Leicht zu identifizieren. Nein, ihn dingfest zu machen, zumal in der Weihnachtszeit, das will die Familie nicht. "Vielleicht hat er es nötig gehabt", habe Sohn Leonhard gesagt, berichtet seine Mutter. Der Täter wird also ungeschoren davonkommen. Aber vielleicht rafft er sich auf, die gestohlenen Figuren nächtens heimlich zurückzubringen. Wird es dann 2017 wieder ein Krippe geben? "Der Pfarrer hat gesagt, ich soll die Figuren anpappen. Ich werde noch mal in mich gehen", sagt Barbara Kraft-Heinik.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: