Kirchheim:Luftnummer

Kirchheim: Eine Maschine der Lufthansa im Anflug auf den Münchner Airport.

Eine Maschine der Lufthansa im Anflug auf den Münchner Airport.

(Foto: lok)

In Kirchheim und Ismaning regt sich Widerstand gegen den Fluglärm. Doch die Chancen, dass sich daran etwas ändert, sind gering

Von Christina Hertel, Kirchheim/Ismaning

Als "einzelner Indianer" kämpft Damian Dillon in Ismaning seit Jahren gegen den Fluglärm. Viel bewirken konnte er in der Vergangenheit nicht, deshalb setzt er nun auf die Kraft der Masse: Dillon hat Unterschriften in seinem Ortsteil gesammelt, dem Ismaninger Moos, das besonders vom Fluglärm betroffen ist. 60 Unterschriften kamen zusammen. Das klingt nach wenig, allerdings sind laut dem Leiter des Ismaninger Umweltamtes Ulrich Hilberer in dem Ortsteil auch nur um die hundert Menschen von dem Lärm betroffen. Die Unterschriften will Dillon dem Bürgermeister in zwei Wochen vorlegen. "Er muss erkennen, dass es die Leute betrifft und dass dagegen etwas getan werden muss", sagt Dillon.

Ismaning ist nicht die einzige Gemeinde im Norden des Landkreises, die von Fluglärm betroffen ist. Auch in Kirchheim beschweren sich Bürger. Rüdiger Zwarg von den Grünen hat deshalb im Gemeinderat beantragt, dass sich die Kommune an die beiden Landkreisabgeordneten im Bundestag, Florian Hahn (CSU) und Anton Hofreiter (Grüne), wendet. Sie sollen sich dafür einsetzen, dass die Gesetze zum Fluglärm geändert werden.

Denn Kirchheim, das sagt Martin Köppl, bei der Deutschen Flugsicherung für das Thema Lärm zuständig, ist nur von Lärm betroffen, wenn Flugzeuge von ihren festgelegten Flugrouten abweichen. Das aber ist nichts Ungewöhnliches: Aus ökonomischen Gründen können Piloten beantragen, möglichst früh Kurs auf ihr Flugziel zu nehmen. "Einzelfreigabe" nennt sich diese Praxis.

Flugzeugspuren am Himmel über München, 2012

Foto: Robert Haas

Kirchheim soll sich gegen die dritte Startbahn aussprechen

Zwarg hatte gehofft, dass der Bundestag bei der aktuellen Gesetzänderung Einzelfreigaben abschafft. Doch in der Novelle werden Einzelfreigaben und die Vorschriften zum Lärmschutz nicht angetastet. Die Chance, vor der Verabschiedung auf das Gesetz Einfluss zu nehmen, hat Kirchheim verpasst. Zwarg stellte seinen Antrag zwar bereits im April, doch der Antrag wird erst an diesem Dienstag im Gemeinderat behandelt. "Ich muss da wirklich den Bürgermeister rüffeln. Wenn es darum geht, konkret etwas zu tun, passiert nichts", sagt Zwarg. Er will sich in der Sitzung nun dafür einsetzen, dass sich die Gemeinde gegen eine dritte Startbahn am Münchner Flughafen ausspricht.

Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) steht nach eigenen Worten mit der Deutschen Flugsicherung und dem Flughafen München in Kontakt. Noch für dieses Jahr seien eine Informationsveranstaltung für die Bevölkerung und eine Lärmmessung geplant. In Kirchheim fand bislang noch keine statt - anders als in Ismaning. Dort wird momentan zum neunten Mal die Lärmbelastung gemessen, dieses Mal am Sportplatz an der Lindenstraße.

Kirchheim: SZ-Grafik; Quelle: Deutsche Flugsicherung

SZ-Grafik; Quelle: Deutsche Flugsicherung

Voraussichtlich sechs Wochen lang wird die Messung dauern. "In der Vergangenheit wurden in Ismaning nie Grenzwerte erreicht", sagt der Leiter des Umweltamtes Ulrich Hilberer. Erst bei einem Dauerschallpegel von 60 Dezibel am Tag und 50 Dezibel in der Nacht müssen bauliche Schallschutzmaßnahmen erstattet werden. Zum Vergleich: 60 Dezibel entsprechen etwa einem Fernseher in Zimmerlautstärke.

Irgendwo müssen die Flugzeuge immer drüber

Dass in Ismaning nie Grenzwerte erreicht oder gar überschritten wurden, liegt aus Hilberers Sicht daran, dass bei der Berechnung bloß die Durchschnitts-, aber nicht die Spitzenwerte berücksichtigt werden. Auch auf dem Grundstück von Damien Dillon wurde bereits 2013 die Lärmbelastung gemessen. Die höchsten Pegel wurden damals bei Abflügen Richtung Westen festgestellt. Landeanflüge hingegen verursachten fast keinen Lärm.

Der Dauerschallpegel am Tag betrug 51,5 Dezibel, in der Nacht 43,1 Dezibel. Beide lagen damit also unter den Grenzwerten. Allerdings gab es auch Lärmspitzen: So wurden an 34 Tagen 88 Mal Pegel von bis zu 79 Dezibel gemessen. Das entspricht zum Beispiel dem Lärm in einer Disco.

Dillons Hoffnungen, dass sich an dem Lärm und den Flugrouten etwas ändert, sind gering. In den Neunzigerjahren, erzählt er, sei tatsächlich die Flugschneise verlegt worden - allerdings nur für kurze Zeit: "Der Protest in den anderen Gemeinden war noch größer als in Ismaning." Und da liegt auch das Grundproblem beim Fluglärm: Irgendwo müssen die Flugzeuge immer drüber. "Deutschland ist einfach zu dicht besiedelt. Irgendjemand wird immer vom Lärm betroffen sein", sagt Martin Köppl von der Deutschen Flugsicherung. Auch Herbert Knur, der Vorsitzende der Fluglärmkommission des Münchner Flughafens, sieht kaum Möglichkeiten, die Lage zu verbessern: "Über dem ganzen Landkreis fliegen die Flugzeuge schon so hoch, dass der Lärm nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht mehr relevant ist."

Die Fluglärmkommission berät das bayerische Innenministerium, die Deutsche Flugsicherung und das Bundesamt für Flugsicherheit, wenn es um die Änderung von Flugrouten geht. Die Vorschläge der Kommission sind allerdings nicht bindend. Dem Ausschuss gehören Vertreter der Industrie- und Handwerkskammer (IHK) für München und Oberbayern, des bayerischen Umweltministeriums und der Lufthansa an, aber auch Gemeinden, Städte und Landkreise, die von dem Lärm betroffen sind, entsenden Vertreter in die Kommission. Der Landkreis München ist mit der Gemeinde Ismaning vertreten. Dillon erhofft sich mit seiner Unterschriftenaktion auch, dass sich die Kommune in Zukunft stärker in diesem Gremium einbringt.

Oberschleißheim bekommt jetzt auch noch die Hubschrauberstaffel der Bundespolizei

Wie sich Fluglärm auf den Alltag der Menschen auswirken kann, zeigt eine Umfrage aus Oberschleißheim, die die Grünen zu dem Thema 2010 vorgenommen haben. Demnach fühlten sich 61 Prozent der Befragten in ihrer Freizeit, zum Beispiel auf dem Balkon oder im Garten, stark beeinträchtigt. 23 Prozent gaben an, dass der Fluglärm Auswirkungen auf ihre Gesundheit habe. Die Folgen seien Schlaf- oder Konzentrationsstörungen. Die Umfrage ist schon sechs Jahr her, doch Markus Büchler, der für die Grünen im Oberschleißheimer Gemeinderat sitzt, bezweifelt, dass sich daran mittlerweile etwas geändert hat.

Seine Partei habe lange versucht, sich gegen den gewachsenen Fluglärm zu wehren, der vor allem durch die verschobene Anflugroute, die niedrigere Flughöhe und den direkten Überflügen entstehe. "Leider komplett erfolglos." Bei der Gemeinde Oberschleißheim kommt hinzu, dass dorthin außerdem die Hubschrauberstaffel der Bundespolizei verlegt wurde. Die verursacht laut Büchler ebenfalls viel Lärm - vor allem in den Naherholungsgebieten. Auch gegen die Ausweitung der Hubschrauberzahl kämpfte die Partei - ebenfalls ohne Erfolg.

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