Gymnasium Kirchheim:Höchste Zeit für einen Abriss

Das Gymnasium Kirchheim kämpft mit baulichen Mängeln. Undichte Stellen, nicht funktionierender Sonnenschutz, zu wenig Platz. Direktor und Lehrer sprechen sich für einen Neubau aus: "Er ist schnell umsetzbar"

Von Christina Jackson, Kirchheim

Die Stimmung vor dem Gymnasium Kirchheim ist gut. Rund 50 Jugendliche haben sich vor den Fahrradstellplätzen versammelt. Aus einem VW Polo wabert elektronische Musik. Auf dem Gehweg stehen leere Cola-Flaschen. Was wie eine Party aussieht, ist das Ende der Schulzeit. Die Jugendlichen haben ihre Abiturklausuren geschrieben. Auf dem Tisch von Schulleiter Matthias Wermuth stapeln sich die Arbeiten. Für ihn ist das Routine. Trotz der zeitlichen Belastung nimmt sich der Direktor Zeit für ein anderes Thema. An der Wand über den Abiturklausuren hängt ein Sanierungsplan für die Schulfassade.

Gymnasium Kirchheim: Baulich liegt im Gymnasium Kirchheim vieles im Argen.

Baulich liegt im Gymnasium Kirchheim vieles im Argen.

(Foto: Robert Haas)

"Weit über 50 Prozent der Außenhülle muss erneuert werden", sagt Wermuth und lädt zu einem Rundgang durchs Schulhaus ein. Der Bestandsbau ist erst 32 Jahre alt. Anfang der Achtzigerjahre stattete man die Unterrichtsräume mit robusten Teppichböden aus. Im Vergleich zu den Wänden sehen sie passabel aus. Dort, wo die Glasfront verläuft, sind Wasserspuren zu sehen. Durch die undichten Stellen drang der Regen ins Innere des Gebäudes und zeichnete lange dunkle Schlieren auf weißen Putz. Wermuths Stimme hallt durch das Klassenzimmer: "Vor sechs Jahren ist eine Scheibe aus dem Fensterrahmen gebrochen". Daraufhin mussten einige Öffnungen verschlossen bleiben, sodass in manchen Räumen nur ein Fenster geöffnet werden kann. Es ist warm in den Zimmern mit Teppich und Sichtglas. Die Sonne scheint auf die Fensterfront. Der Frühlingstag beschert den Passanten auf der Straße 25 Grad, im Klassenzimmer sind es fünf Grad mehr. Stoffmarkisen schützen vor Licht, weniger vor der Wärme. "Das liegt an der Fassade und der miserablen Dämmung", sagt Wermuth und präsentiert die nächste Baustelle im Altbau. Im Dachgeschoss stützen dicke Balken das Gemäuer. Die Verzweigungen mit ihren Schrägen und Ecken vermitteln das Gefühl von Geborgenheit. Aber Wasserflecke an der Wand stören das harmonische Gesamtbild. An Regentagen stünden im Lehrerzimmer mitunter mehr Eimer auf dem Boden als Kaffeetassen auf dem Tisch. "Und es gibt 130 Kollegen an dieser Schule", ergänzt Wermuth.

Gymnasium Kirchheim: Direktor Matthias Wermuth sieht das Kirchheimer Gymnasium mit seinen 1280 Schülern als Erfolgsgeschichte.

Direktor Matthias Wermuth sieht das Kirchheimer Gymnasium mit seinen 1280 Schülern als Erfolgsgeschichte.

(Foto: Robert Haas)

Der Weg in das Bestandsgebäude führt über Umwege. Ein direkter Zugang ist durch den Erweiterungsbau, der vor dem Altbau platziert wurde, versperrt. An der rechten Seite des Originalhauses führt eine provisorische Treppe ins Freie. Ursprünglich gab es dort eine Spiraltreppe, die im Notfall den Zugang zum Hof ermöglichen sollte. Nachdem in den vergangenen Jahren die Schülerzahlen deutlich gestiegen sind, musste ein neuer Fluchtweg her. Der Brandschutz schreibt diese Maßnahme vor. Im Zuge der Sanierungspläne haben Experten in einer Simulation die Sicherheit des Gebäudes geprüft. Fest steht: Die Schule ist aus brandschutztechnischer Sicht einwandfrei. Aber der Platz ist knapp. Wermuth: "Jedes Jahr kommen rund 20 Schüler mehr". Insgesamt 1280 sind es aktuell, 1500 sollen es in den kommenden fünf Jahren werden.

Gymnasium Kirchheim: Der Platz in der Turnhalle reicht nicht aus.

Der Platz in der Turnhalle reicht nicht aus.

(Foto: Robert Haas)

Auf dem Weg zur Cafeteria kühlt sich die Raumtemperatur deutlich ab. Statt über Teppichboden läuft der Schulleiter nun über Linoleumboden. "Das ist der Erweiterungsbau, der vor zwölf Jahren entstand." Sogar die Akustik ist besser. Die Worte des Hausherren finden kaum Widerhall an den Wänden. Mit dem doppelten Abiturjahrgang kam 2011 ein weiterer Gebäudeteil hinzu. Die Tatsache, dass mehr Menschen in den Landkreis ziehen, lasse sich nicht ignorieren, sagt Wermuth. Die Gymnasien sind voll. Trotzdem sei dies kein Grund zur Sorge. Im Gegenteil: Mehr Schüler bedeutet für das Unterrichtsangebot mehr Möglichkeiten. "Die Klassen werden dadurch nicht größer. Aber wir haben mehr Kollegen und die Möglichkeiten für ein vielfältiges Kursangebot."

In unmittelbarer Nähe zum Haupteingang der Schule befindet sich die Sporthalle. Trotz Sonnenschein öffnen sich alle Jalousien, als der Schulleiter auf die Fenster deutet. "Das System funktioniert nicht", sagt er und berichtet von den Problemen mit der Belegung. "Mädchen und Jungen haben getrennten Sportunterricht. Ein Grund, warum wir längst eine Halle mit vier abtrennbaren Einheiten benötigen." Ein Neubau, da ist sich Wermuth mit vielen seiner Lehrerkollegen einig, wäre die perfekte Lösung aller Probleme. "Er ist nicht wesentlich teurer als die Sanierung und schnell umsetzbar." Die Möglichkeiten, die sich seinem Team damit eröffneten, seien vielfältig. Demnächst will Wermuth mit engagierten Kollegen Arbeitsgruppen bilden, die an einem pädagogischen Konzept für die neue Schule mitarbeiten. Was die Weiterentwicklung und kontinuierliche Verbesserung der Arbeit an seiner Schule betrifft, ist der Schulleiter geübt. Immer wieder hat sein Team in der Vergangenheit Preise des Kulturministeriums gewonnen, wie etwa den Schulinnovationspreis 2005 und 2014. Ein Qualitätsmanagement garantiert zufriedene Schüler, Lehrer und Eltern. "Seit 16 Jahren gibt es diese systematische Weiterentwicklung." Wermuth weiß, dass Veränderungen wichtig sind. Für ihn bedeuten sie keinen Verlust des Bekannten, sondern die Fortsetzung der Erfolgsgeschichte, die das Gymnasium Kirchheim für ihn schon jetzt ist. Eine Aufteilung der Schule auf zwei Standorte kommt für ihn nicht in Frage. "Das bedeutet in erster Linie für die Schüler ein abgespecktes Angebot."

Als Wermuth in sein Büro zurückkehrt, wird er bereits von einer jungen Kollegin erwartet. Das Telefon klingelt. Der Schulleiter behält trotzdem die Ruhe und erzählt vom Sanierungsplan an der Wand. Er hängt schon seit viereinhalb Jahren im Büro. Schulleiter Wermuth sagt: "Es wird Zeit, dass etwas passiert."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: