Kirchheim:Ende der Verschwiegenheit

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Im Kirchheimer Rathaus ist man verärgert über das Verhalten von Gemeinderatsmitglied Zwarg. (Foto: Florian Peljak)

Weil der Grünen-Gemeinderat Rüdiger Zwarg Details aus einer nicht öffentlichen Sitzung publik gemacht hat, prüft das Rathaus, ein Ordnungsgeld gegen ihn zu verhängen. Der Angegriffene fühlt sich im Recht.

Von Christina Hertel, Kirchheim

Die Luft ist mal wieder dick im Kirchheimer Gemeinderat. Und mal wieder hat das Drama einen Protagonisten: Rüdiger Zwarg von den Grünen. Weil er das Abstimmungsverhalten der einzelnen Gemeinderäte zum Kauf des Grundstücks an der Erdinger Straße aus nicht öffentlicher Sitzung in seinem Blog veröffentlichte, muss er jetzt möglicherweise ein Ordnungsgeld zahlen.

Der Vorwurf: Der Bürgermeister soll zu viel für das Grundstück bezahlt haben

Den Kauf dieses Grundstücks kritisiert Zwarg ziemlich laut und ziemlich häufig. Der Vorwurf: Der Bürgermeister soll zu viel für das Grundstück bezahlt haben. Die neuesten Entwicklungen zu dem Grundstückskauf publiziert Zwarg regelmäßig - in seinem Blog im Internet. Er veröffentlichte dort auch das Abstimmungsverhalten der Gemeinderatsmitglieder über die Genehmigung der Notarurkunde. In einem Dokument auf seiner Website kann bis heute jeder sehen, wie welches Gemeinderatsmitglied abgestimmt hat.

Die Kirchheimer Gemeindeverwaltung sieht darin einen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht, und offenbar hat auch der Gemeinderat ein Problem mit Zwargs Vorgehen. In der jüngsten - nicht öffentlichen - Sitzung vor drei Wochen beauftragte das Gremium die Verwaltung damit, Zwarg anzuhören. Nach Abschluss dieses Verfahrens entscheidet der Gemeinderat, ob er gegen den Grünen-Politiker ein Ordnungsgeld von bis zu 500 Euro verhängt.

Grundlage dafür ist die Bayerische Gemeindeordnung. In ihr heißt es wörtlich: "Ehrenamtlich tätige Personen dürfen ohne Genehmigung über Angelegenheiten, über die sie Verschwiegenheit zu bewahren haben, weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgeben." Verstöße können mit einem Ordnungsgeld von bis zu 500 Euro belegt werden, es sei denn, die Daten wurden nicht vorsätzlich veröffentlicht.

Der Angegriffene stützt seine Argumentation auf einen Juristen der Stadt München

Darauf kann sich Zwarg nicht berufen. In seinem Blog schreibt er: "Ich weiß, dass es Kommentare gibt, die das Abstimmungsergebnis und das Abstimmungsverhalten bei nicht öffentlichen Beschlüssen als vertraulich ansehen." Für Zwarg ist das offenbar kein Grund, sich daran zu halten. Die Legitimation für die Veröffentlichung sieht er in einem Artikel der Bayerischen Gemeindeordnung, in dem es heißt, dass Beschlüsse, die in nicht öffentlicher Sitzung gefasst wurden, der Öffentlichkeit bekannt gegeben werden müssen, sobald die Gründe für die Geheimhaltung weggefallen sind. Zwarg schreibt: "Solange das Abstimmungsverhalten eines Mandatsträgers nicht bekannt ist, können die Wähler ihre Wiederwahlentscheidung nicht von diesem Abstimmungsverhalten abhängig machen."

Auch nachdem er Post von der Kirchheimer Verwaltung bekommen hat, sieht Zwarg in seinem Verhalten nichts Verwerfliches. Das geht aus seiner Stellungnahme an Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) hervor. Was im politischen Entscheidungsprozess geheim bleiben dürfe, unterliege dem Wandel der Zeit. Zwargs Stellungnahme wird gerade von Gemeinde-Geschäftsleiter Johannes Pinzel überprüft. Persönlich muss Zwarg nicht vorsprechen. Der Geschäftsleiter wird auf der Grundlage von Zwargs Schreiben eine Beschlussempfehlung verfassen.

Zwarg beruft sich in seiner Stellungnahme auf einen Kommentar des leitenden Rechtsdirektors der Stadt München, Erhard Glaser. Darin heißt es, die Geheimhaltungspflicht könne entfallen - zum Beispiel wenn der Kaufvertrag vollzogen ist. Dann sei es nicht ersichtlich, "welche Geheimhaltungsbedürftigkeit hinsichtlich des Abstimmungsergebnisses bestehen sollte". Bei dem nicht öffentlichen Beschluss zum Kirchheimer Grundstückskauf war das der Fall. Zwarg veröffentlichte ihn Ende Juli, etwa ein halbes Jahr nach der Sitzung und auch erst nachdem der Kauf bereits vollzogen war.

Zwarg fordert mehr Rechtssicherheit für Mitglieder des Gemeinderats

Johannes Pinzel kennt den Kommentar, auf den sich Rüdiger Zwarg beruft. Aus seiner Sicht handelt es sich dabei allerdings um eine Meinung, die lediglich von einer Minderheit vertreten werde. "Rein rechtlich darf man solche Daten nicht veröffentlichen - egal wie viel Zeit dazwischen liegt." Auch eine Sprecherin des Landratsamts München schreibt, dass einzelne Gemeinderatsmitglieder nicht eigenmächtig über die Veröffentlichung von Informationen aus nicht-öffentlicher Sitzung entscheiden dürfen. Außerdem werde auch nur der Beschlusswortlaut, nicht aber das Abstimmungsergebnis bekannt gegeben.

Mit seiner Stellungnahme hat Zwarg auch einen Antrag verschickt. Er will, dass an jeden nicht öffentlichen Beschluss ein Zusatz angehängt wird, aus dem hervorgeht, wann der Beschlusstext, das Abstimmungsergebnis und Abstimmungsverhalten nicht mehr der Geheimhaltungspflicht unterliegen. Das gebe den Gemeinderäten mehr Rechtssicherheit.

© SZ vom 25.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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