Kirchheim:Ein Urteil, zwei Sieger

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Der Grüne Rüdiger Zwarg muss zwar kein Ordnungsgeld zahlen, ein Freibrief für Gemeinderäte ist das aber nicht

Von Christina Hertel, Kirchheim

Eigentlich ist die Sache schon seit November klar - könnte ein Außenstehender denken. Das Verwaltungsgericht hat damals entschieden: Der Gemeinderat Rüdiger Zwarg (Grüne) muss das Ordnungsgeld, das die Gemeinde Kirchheim gegen ihn verhängte, nicht zahlen. Gestritten wurde danach aber weiterhin - nämlich über die Bedeutung des Urteils. Diese Diskussion dürfte nun beendet sein. Denn diese Woche hat das Gericht die Begründung des Urteil verschickt. Sie enthält Überraschungen - für beide Seiten.

Darum geht es: Zwarg hatte das Abstimmungsverhalten einer nicht öffentlichen Sitzung auf seiner Homepage publik gemacht. Daraufhin beschloss der Gemeinderat, dass er ein Ordnungsgeld von 500 Euro plus 100 Euro Bearbeitungsgebühr zahlen muss. Dagegen klagte Zwarg - mit Erfolg. Aus seiner Sicht ist das Urteil eine wegweisende Entscheidung. Er sieht den Grundsatz der Transparenz gegenüber der Geheimhaltung gestärkt. Eine andere Auffassung vertritt die Gemeinde: Ihr Anwalt Roland Schmidt glaubt, dass das Gericht allein die Höhe des Ordnungsgelds unangemessen fand. Denn die Gemeinde schöpfte das Maximum aus, was nach der bayerischen Gemeindeordnung möglich ist.

Nun ist klar: Eine wegweisende oder grundsätzliche Entscheidung ist in dem Urteil nicht zu sehen. Das geht aus der Begründung hervor und das bestätigt der Pressesprecher des Verwaltungsgerichts Florian Huber auch auf Nachfrage. Tatsächlich gibt das Gericht Zwarg Recht, weil die Entscheidung der Gemeinde "ermessensfehlerhaft" gewesen sei. Schließlich hätte die Gemeinde einen Spielraum von 250 bis 500 Euro gehabt. Das Maximum auszuschöpfen, ist aus Sicht der Richter nicht gerechtfertigt. Das Gericht macht in seinem Urteil aber auch deutlich, dass grundsätzlich das Abstimmungsverhalten einer nichtöffentlichen Sitzung der Geheimhaltungspflicht unterliegt. Der Gemeinderat als Ganzes kann sich aber nach Wegfall der Geheimhaltungsgründe dafür entscheiden, nicht nur den Beschluss zu veröffentlichen, sondern auch, wie die Gremiumsmitglieder abgestimmt haben. "Einem einzelnen Gemeinderatsmitglied steht hierzu jedoch keine Entscheidungsbefugnis zu", schreibt das Gericht.

Für die Kommunalpraxis sei es neu, dass der Gemeinderat per Beschluss das Abstimmungsverhalten aus einer geheimen Sitzung veröffentlichen darf, schreibt der Kirchheimer Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) in seiner Stellungnahme zum Urteil. Er will in der Gemeinderatssitzung am Montag das Gremium beauftragen, von Rechtsmitteln gegen das Urteil abzusehen. Außerdem möchte er veranlassen, dass die Arbeitsgruppe Transparenz auf Grundlage des Urteils einen Leitfaden für die Veröffentlichung nichtöffentlich Beschlüsse entwickelt. "Das gemeinsame Anliegen, unsere Entscheidungen im Gemeinderat umfassend offenzulegen, verbindet uns alle." Für Zwarg ist das Urteil trotzdem ein Erfolg: "Ich glaube, es gibt dem Gemeinderat als Gremium mehr Freiheit und Verantwortung im Umgang mit der Geheimhaltung", schreibt er. Doch auch er sieht nun, dass sein Verfahren keine wegweisende Entscheidung auslöste. Es sei "ein offener Türspalt, ein Etappensieg" - aber kein Durchbruch.

© SZ vom 11.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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