Kirchheim:Der große Graben

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Die Stimmung im Kirchheimer Gemeinderat ist gereizt. Die Konfrontation zwischen der CSU und den anderen Fraktionen spitzt sich zu.

Von Verena Fücker, Kirchheim

Diskussionen sind in einem Gemeinderat an der Tagesordnung und gehören zu einer lebendigen Demokratie. In Kirchheim drohen solche Diskussionen allerdings oft aus dem Ruder zu laufen, wie zuletzt bei der nicht enden wollenden Debatte um den Standort der Flüchtlingsunterkunft oder aktuell in der Frage nach der neuen Ortsmitte und dem Bürgerhaus. Die Nerven von Gemeinderäten in allen Lagern liegen mittlerweile blank. Gerade die CSU um ihren Bürgermeister Maximilian Böltl steht dabei in der Kritik.

Die immer neuen Vorschläge, die Böltl in die verschiedenen Diskussionen einbringt, werden ihm von der Opposition als "Salamitaktik" angekreidet, um eigene Interessen zu vertreten. Böltl selbst fühlt sich ungerecht behandelt und ist genervt von der Unterstellung, einzelne Grundstückseigentümer zu begünstigen. Er sieht sich vielmehr eher als "Weiterdenker". "Ich denke, dass man auch bei einem lange diskutierten Projekt noch weiter nachdenken kann und möglicherweise sogar noch eine bessere Lösung findet." Dieses Argument konnte man sowohl bei der Diskussion um den Standort der Flüchtlingsunterkunft als auch beim Standort für ein neues Rathaus vernehmen.

Weniger nachgedacht wurde anscheinend vergangene Woche, als die CSU - ohne Gründe zu nennen - den parteilosen Gemeinderat Marcel Proffert aus dem Rechnungsprüfungsausschuss ausschließen und den Posten stattdessen mit Andrea Haas (CSU) besetzen wollte. Welche Absicht auch immer dahinter steckte, Proffert glaubt, dass man ihn damit für sein Abstimmungsverhalten im Rat abstrafen wollte: "Ich vermute, die CSU dachte, ich stimme als Gegenleistung dafür, dass sie mir einen Sitz im Ausschuss abgetreten hat, im Gemeinderat in ihrem Sinne ab."

Bürgermeister Maximilian Böltl (hi.) mit Gerd Kleiber (li.) und Eva-Maria Reinhard sowie Marianne Hausladen und CSU-Kreischef Ernst Weidenbusch (re.). (Foto: Claus Schunk)

Nachdem sich in der Opposition großer Widerstand regte, weil man mit Profferts Arbeit sehr zufrieden ist, und der Versuch der CSU wahrscheinlich rechtswidrig war, wurde die Entscheidung vorerst ausgesetzt. Susanne Merten-Wente (Grüne) ist darüber froh: "Herr Proffert leistet sehr gute Arbeit im Rechnungsprüfungsausschuss." Damit trifft sie den Nerv von Thomas Heinik, der für die CSU im Rechnungsprüfungsausschuss sitzt. Er fühle sich von den Vorwürfen der Grünen "persönlich beleidigt", schließlich sei Marcel Proffert nicht der Einzige, "der dort gute Arbeit leistet". Man mag dieses Verhalten dünnhäutig nennen - fest steht in jedem Fall, dass alle Mitglieder des Gemeinderats vorsichtig geworden sind und sich mehr als genau überlegen, was sie sagen und wie sie abstimmen. Rüdiger Zwarg von den Grünen fühlte sich zum Beispiel in den Kirchheimer Mitteilungen politisch falsch dargestellt. Dort hatte die Verwaltung die Abstimmung über den Kauf des neuen Bürgerhauses mehrfach als einstimmig bezeichnet. Dabei habe es bei diversen Details ein ganz anderes Abstimmungsergebnis gegeben, so Zwarg. Als es am vergangenen Dienstag im Gemeinderat um Prüfungsanträge für die neue Ortsmitte zwischen Kirchheim und Heimstetten ging, entschied er sich deswegen gleich völlig gegen jegliche Prüfung. Seine Erklärung: "Jetzt bewege ich mich keinen Millimeter mehr, sonst werde ich von der Verwaltung womöglich wieder falsch dargestellt." Bürgermeister Böltl ist unterdessen genervt von Zwarg. Dessen Fragen in der vergangenen Gemeinderatssitzung zum erwarteten Zuzug infolge der Ortsentwicklungsmaßnahme überging Böltl einfach. Es war nicht das erste Mal.

Zwargs Ärger färbt mittlerweile auf die SPD ab. Bei den Haushaltsnachverhandlungen stimmte Marcel Prohaska ebenfalls dagegen. "Ich will nicht, dass eine Zustimmung öffentlich ausgeschlachtet wird, wie das beim Bürgerhaus passiert ist", erklärt er. Ein Opfer haben die endlosen Debatten vor allem um die neue Ortsmitte in Kirchheim schon gefunden: Renate Meyer (SPD) legte im Februar aus Frust ihr Amt nieder. Sie könnte nicht die letzte gewesen sein.

© SZ vom 18.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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