Landtagswahlkampf:Schwarzer Sheriff am Stammtisch

Landtagswahlkampf: Innenminister Joachim Herrmann bedankt sich nach seinem Vortrag im Alten Wirt in Hohenbrunn für den Applaus.

Innenminister Joachim Herrmann bedankt sich nach seinem Vortrag im Alten Wirt in Hohenbrunn für den Applaus.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann macht seinem Spitznamen bei der Hohenbrunner CSU alle Ehre: Er preist die bayerische Sicherheitspolitik, weckt Ängste vor Flüchtlingen und garniert seine Rede mit jeder Menge Ampel-Bashing. Bei der Parteibasis kommt das gut an.

Von Stefan Galler, Hohenbrunn

Er gehört zum bayerischen Stammtisch wie Willibecher und Kellnerin: Ohne Bierdeckel, bairisch: Bierfilzl, geht nichts, wenn sich die Leute in der Wirtschaft zusammensetzen, um sich meinungsstark über alle möglichen Themen auseinanderzusetzen, bevorzugt natürlich über Politik. Und für die Unionsparteien hat dieses unscheinbare Utensil offenbar eine ganz besondere Bedeutung: Der heutige CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hatte einst davon schwadroniert, eine Steuererklärung müsse auf einen Bierdeckel passen, die CSU druckt gerne mal einen Mitgliedsantrag auf die neun mal neun Zentimeter großen Quadrate aus Pappe. Auch am Montagabend, beim Besuch des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann im Alten Wirt in Hohenbrunn lagen die Dinger aus, allerdings legt die völlige Begeisterung der über 100 Anwesenden den Verdacht nahe, dass nicht allzu viele einen Antrag ausgefüllt haben - sie dürften samt und sonders bereits den Christsozialen angehören.

Der Abend, zu dem neben Lokalmatador Stefan Straßmair auch einige andere CSU-Bürgermeister, die Landtagsabgeordnete Kerstin Schreyer und der Bundestagsabgeordnete Florian Hahn in den rappelvollen Saal im ersten Stock der Traditionsgaststätte gekommen waren, kann als Erfolg verbucht werden: Für den CSU-Ortsverband Hohenbrunn-Riemerling, dessen Vorsitzende Silke Trauner diesen "Stammtisch" organisiert hatte, und natürlich auch für den Landtagskandidaten Maximilian Böltl. Der Kirchheimer Bürgermeister führte als Moderator durch den wahlkampfschwangeren Abend und nannte den für seine knallhart konservative Sicherheitspolitik berüchtigten Minister auch gleich mal beim Spitznamen "Schwarzer Sheriff".

Jener machte seinem Ruf alle Ehre und ließ weder bei seinem etwa 45 Minuten dauernden Referat, noch in der anschließenden Diskussionsrunde auch nur die geringste Chance aus, die Ampelregierung in Berlin unter Beschuss zu nehmen. Die Berichterstattung über die Koalition zeige stets, wie groß die Empathie innerhalb des Dreierbündnisses sei, so Herrmann: "Aber wenn der Inhalt Murks ist, dann hilft die beste Empathie nichts." Er rühmte die Polizei im Freistaat und polterte über Hausbesetzungen in Berlin, wo "fast Bürgerkrieg" herrsche ("In Bayern kommt gar keiner auf die Idee, ein Haus zu besetzen"). Er erinnerte an die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal und äußerte sein Unverständnis, dass "die großartige Ampelregierung" dennoch die Mittel für den Katastrophenschutz um 40 Prozent und jene für das Technische Hilfswerk um 30 Prozent zurückfahre. "Über alles Mögliche wird gescheit dahergeredet und dann wird hier gekürzt - das ist unverantwortlich", so Herrmann.

Er sei keiner, der "das Blaue vom Himmel herunter verspricht", sagte der in München geborene und im mittelfränkischen Erlangen aufgewachsene Politiker. Deshalb habe er sich auch vor dem G7-Gipfel in Elmau im Juni mit Prognosen zurückgehalten. "Wir waren gut aufgestellt", deshalb habe es auch im Gegensatz zum G20-Gipfel 2017 in Hamburg, den der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) damals als Regierender Bürgermeister verantwortete, keine gewalttätigen Proteste gegeben.

Und Herrmann arbeitete sich weiter durch alle möglichen politischen Themen, die irgendwie mit seinem Ressort zu tun haben. Er warnte angesichts der Inflation und der Preissteigerungen davor, "den Zusammenhalt der Gesellschaft zu verlieren", schließlich seien schlechte Zeiten "ein Spielfeld für Radikale" und die Menschen in wirtschaftlicher Not anfälliger als sonst. Er stehe zu einer umfangreichen Videokontrolle im öffentlichen Nahverkehr, sei jedoch nicht dafür, wie in London "jede Kreuzung total zu überwachen", weil das schon personell nicht zu stemmen sei.

Jeden Monat 1000 Flüchtlinge aus Afghanistan? Herrmann nennt die Ampel "Chaosregierung"

Je später der Abend, desto kraftvoller die Einlassungen, nicht zuletzt die zahlreichen jungen CSUler gaben dem Minister die Stichworte messerscharf vor: Der JU-Kreisvorsitzende Jan Kämmerer wies auf die - auch jenseits der Ukraine - heftig steigenden Flüchtlingszahlen hin. Und Herrmann nahm den Steilpass dankbar auf, erzählte von der Visafreiheit in Serbien für Angehörige jener Staaten, die den Kosovo nicht als souveränen Staat anerkennen. "Die kommen dann aus Afrika legal nach Belgrad und dann über den Landweg nach Bosnien und Kroatien in die EU." Und dann sei da ja auch noch das neue Programm, wonach monatlich etwa 1000 Afghanen nach Deutschland kommen könnten, die sich für Frauen- und Menschenrechte eingesetzt haben oder wegen ihrer Tätigkeit in Justiz, Politik, Medien, Bildung, Kultur, Sport oder Wissenschaft besonders gefährdet sind. Herrmann sagte, er könne "das nicht verstehen", das sei eine zu große Belastung für Länder und Kommunen und nannte die Ampel eine "Chaosregierung".

Wenig Verständnis hat der Minister allerdings auch für Reichsbürger und Querdenker, es sei "am absurdesten", wenn Beamte, die ihr Geld vom Staat bezögen, genau diesen infrage stellten. "Das wird nicht toleriert", betonte Herrmann. Der Applaus ist ihm ein weiteres Mal sicher an diesem christlich-sozial-euphorischen Abend.

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