Jazz in Ottobrunn:Elektrisierende Nostalgie

Jazz in Ottobrunn: Dusko Goykovich studierte in den 1960er Jahren am Berklee College of Music in Boston. 2015 erhielt er den Musikpreis der Stadt München.

Dusko Goykovich studierte in den 1960er Jahren am Berklee College of Music in Boston. 2015 erhielt er den Musikpreis der Stadt München.

(Foto: Claus Schunk)

In Ottobrunn reißen die Berklee Allstars um Altmeister Dusko Goykovich ihr Publikum mit einem Tribut an die Zeit der Blue Notes hin.

Von Ulrich Möller-Arnsberg, Ottobrunn

Eine Viertelstunde vor Konzertbeginn anzukommen, das war eigentlich schon zu spät für den Abend mit den Berklee Allstars im Ratssaal des Wolf Ferrari Hauses. Aber dann eröffnet sich in den mit erwartungsfrohen Zuhörern vollbesetzten Reihen doch noch ein Platz in der vierten Reihe Mitte. Der sei übrig geblieben, sagt der freundliche Herr daneben, weil sein Sohn krank geworden sei. Der Abend in dem zum Club umfunktionierten Saal kann beginnen.

Jim Odgren, Dave Santoro, Dan Moreno und Jimin Park begeistern

Links eine Bar für die Pause, hinter der Bühne ein schwarzer Vorhang, auf dem die Fotos von früheren Stars des Berklee College of Music prangen. Darunter der 85-jährige Trompeter Dusko Goykovich, der an diesem Auftaktabend der Ottobrunner Berklee-Auditions auch live dabei ist. "Ich kenne den Raum von den Sitzungen des Gemeinderats, aber so ist er mir lieber", scherzt Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) zur Begrüßung. Dann geht es auch schon auf die Reise in die "Blue Note Years" der 1960er Jahre, denen das Konzert gewidmet ist.

Es ist fein abgestimmter, raffinierter Jazz, den die vier Berklee-Musiker aus ihren Instrumenten zaubern - Stücke von dem legendären Cannonbal Adderley und Kenny Dorham. Mit Jim Odgren (Saxofon) und Dave Santoro (Bass) sind zwei Dozenten aus Boston angereist, mit Dan Moreno (Schlagzeug) und Jimin Park (Klavier) zwei Studierende. Letztere sind schon so brillant, das man sich unwillkürlich fragt, was die in Boston noch studieren wollen. Aber klar, das Feld des Jazz ist weit, man lernt nie aus. Vor allem Jimin Park fasziniert mit ihren souveränen und groovenden Harmoniegriffen und dazu passenden Skalenläufen. Eine Musikerin asiatischer Herkunft, die wie eine junge Nachfolgerin der großartigen japanischen Jazzpianistin Aki Takase wirkt. Der Schalk, der ihr bei ihren Tastenzaubereien am petrolfarbenen Boston-Steinway-Piano im Nacken sitzt, ist erotisch, ist elektrisierend.

Die Routiniers in der Kapelle, Saxofonist Odgren und Bassist Santoro, reizen im Zusammenspiel mit den Jüngeren das Spektrum des miteinander Agierens aus. Nach ausgiebigen Solorunden verdichten sich die Arrangements des Quartetts immer wieder zum "Vierer"; die vier Takte, welche die Bandmitglieder der Reihe nach im Wechsel mit Schlagzeuger Dan Moreno absolvieren. Der Newcomer behält trotz aller Wärme im Raum stilbewusst seine Wollmütze auf und pariert, ohne die Miene zu verziehen, seine wiederkehrenden Einsätze mit lässigen Kicks und Wirbeln.

Dusko Goykovich bringt eine Hommage an Miles Davis

Dann ist Zeit für einen weiteren Höhepunkt, den sich Cornelius Claudio Kreusch, einer der beiden veranstaltenden Brüder der Ottobrunner Konzerte, ausgedacht hat. Trompeten-Altmeister Dusko Goykovich betritt die Bühne. Die nun zum Quintett erweiterte Band bekommt mächtig Patina. Immer wieder beschwört Goykovich den legendären Trompeter Miles Davis, der ihn nach Amerika gebracht habe und der ihm soviel geholfen habe. Er sagt dessen Komposition "You are my everything" an, steckt sich den Dämpfer in den Trichter und die Reise in die 1960er Jahre wird schlagartig noch intensiver spürbar. Der Sound sackt immer mehr in die Bauchgegend. Jetzt an die Bar gehen und dazu an einem Glas Whisky nippen. Der Abend im Ratssaal des Ferrari Hauses lässt ein anderes Amerika aufblitzen, als man es in diesen politisch aufgeladenen Tagen gewöhnt ist. "Ja, ja", sagt Bassist Dave Santoro später in der Pause, aber das sei nicht das "andere Amerika", sondern das sei das "eigentliche Amerika" - und nicht jenes, welches einige Politiker heute gerne herbeiwuchten wollten.

Jazz in Ottobrunn: Bei den Berklee All Stars zeigen Dozenten und Studenten des renommierten Musikinstituts gemeinsam ihr Können.

Bei den Berklee All Stars zeigen Dozenten und Studenten des renommierten Musikinstituts gemeinsam ihr Können.

(Foto: Claus Schunk)

Nach der Pause ist "Latin" angesagt. In den Standard "Green Dolphin Street" kapriziert Pianistin Jimin Park grandiose Salsa-Riffs hinein. Später geht es weiter mit Bebop und Blues. Man kann sich eigentlich nicht satt hören an der Kapelle. Nach ausgelassenem Beifall und Zugabe zaubert Veranstalter und Dramaturg Cornelius Claudio Kreusch noch eine Fee auf die Bühne. Charlot' heißt sie, und sie singt zum Abschluss noch ein hinreißendes "Autumn Leaves".

Das nächste Ottobrunner Konzert findet Ende Februar statt

Mit den Ottobrunner Konzerten geht es in diesem Jahr intensiver denn je weiter: Bereits am 24. Februar, dann im großen Saal des Wolf-Ferrari-Hauses, gibt es einen Flamenco-Abend. Zu Gast sind die Tänzerin Ana Morales und ihr Ensemble, das in den darauf folgenden Tagen auch Workshops gibt. Am 25. März folgt mit Vivien Baer und ihrer Band ein weiteres Flamenco-Konzert. Vom 5. bis 7. Mai heißt dann das "Festival der Gitarre" willkommen, bevor vom 14. Bis 16. Juli wieder Jazz angesagt ist beim "1. Jazz & World Festival". Auch die Bar im Ratssaal wird wieder geöffnet sein.

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