125 Jahre Burschen Grünwald:Traumschwiegersöhne

Einigkeit Grünwald

Das sind sie, die Gründer, zu sehen auf dem ältesten erhaltenen Foto des Burschenvereins von 1892.

(Foto: privat)

Die Burschen vom Grünwalder Verein Einigkeit verstehen sich als sittliche Gemeinschaft. Aber auch im 125. Jahr ihres Bestehens wissen die Gentlemen zu feiern - und fiebern auf das Dorffest hin.

Von Claudia Wessel

Ein paar rauflustigen Holzarbeitern aus dem Grünwalder Forst ist es zu verdanken, dass es in dem Ort einen Burschenverein gibt. Denn diese etwas grobschlächtigen Kerle feierten anno 1892 gerne beim Dorfwirt in dem 320 Einwohner zählenden Dorf, was unter Biergenuss oft zu Handgreiflichkeiten führte.

Auch Bauarbeiter vom Pullacher Wehr und andere Auswärtige, so die Geschichtsschreibung des Burschenvereins Einigkeit, mischten gerne mit und auf - und machten die Feiern beim Wirt zu einem ungemütlichen Ereignis, das vermutlich vor allem von den Deandln seinerzeit eher gemieden oder ihnen von den Eltern verboten wurde.

Abhilfe war also nötig, wenn man den Kontakt der Geschlechter bei Tanzveranstaltungen weiter ermöglichen wollte. So beschlossen einige junge Männer, nämlich Georg Portenlänger, Georg Einhauser und der 24-jährige Xaver Frank - letzterer gilt als Gründer, da er die Idee aus Pullach mitbrachte -, einen Burschenverein zu gründen, "um einen Zusammenhalt zu schaffen und vor allem öfter als der Dorfwirt einen Ball oder eine andere Festivität zu organisieren". So ist es auf der Homepage der Burschen unter www.gruenwalderburschen.com zu lesen.

Grünwald, Grünwalder Burschen planen Festschrift für 125-Jahr-Feier

Quirin Strobl (links) freut sich über historische Fotos, die von alteingesessenen Grünwaldern vorbeigebracht wurden. Jochen Schmid und Johanna Splettstößer brachten ein Foto vom Maibaumfest 1955.

(Foto: Angelika Bardehle)

Man kann daraus schließen, dass es sich schon bei den allerersten Burschen eher um Gentlemen als um Raufburschen handelte. Nicht umsonst heißt es in den Statuten: "Der Zweck dieses Vereins ist Förderung des sittlichen Gesellschaft- und Gemeinsinnes durch Gesang, Theater, humoristische Gedichte und Ball." Aufgenommen wurden nur Burschen, die "nach Wissen gut beleumundet" waren. Auf wen dies zutraf, der musste eine Mark Aufnahmegebühr entrichten sowie 30 Pfennig monatlichen Beitrag. Gutes Benehmen war für den Verbleib Voraussetzung, wer dagegen verstößt, "bekommt eine Rüge und wird im Wiederholungsfalle vom Verein ausgeschlossen". Raufburschen und sonstige schlimme Finger waren wohl selten dabei, denn Paragraf 20 trat nie in Kraft: "Wenn der Verein nur mehr fünf Mitglieder zählt, so ist derselbe als aufgelöst zu betrachten."

Ganz im Gegenteil, er besteht auch nach 125 Jahren noch, allerdings mit einer Pause vom Zweiten Weltkrieg bis 1990. Er hat derzeit 73 Mitglieder, und es wachsen immer neue nach. Erst vor wenigen Wochen kamen acht neue Interessenten auf einmal, ein Rekord. Nach dem erfolgreichen Kontakt mit dem anderen Geschlecht übrigens, sprich der Heirat, wird ein Bursche zum Ehrenmitglied. Die Aktiven sind alle jung und unverheiratet. Der Älteste ist im Moment 35, eintreten darf man mit 16.

Dem Bild vom Traumschwiegersohn machen auch die heutigen Burschen noch alle Ehre, etwa die drei, die zum Gespräch im Café erschienen sind und zwar in voller Montur. Vorsitzender Quirin Strobl, 26, trägt neben der Lederhose mit dem Steg, der ihn als Grünwalder Burschen ausweist, einen Hut mit wunderbar wippendem Gamsbart. Er studiert Bauingenieurwesen. Alexander Pongratz, 17, und Jungbursche, macht eine Ausbildung zum Immobilienkaufmann und Tobias Mastrodonato, 20, studiert Mechatronik und Feinwerkstechnik. Er ist übrigens Vereinsdiener, eine Funktion, die es laut Strobl nur noch beim Burschenverein Einigkeit gibt.

Seine Aufgabe ist es, seine Mitburschen bei Ausflügen zu Festen bei anderen Vereinen nicht verhungern und verdursten zu lassen. Er geht dann, etwa beim Dorffest in Taufkirchen, zur Theke und meldet die Gruppe von Burschen an, bringt ihnen auch zumindest die erste Runde Bier, mit Hilfe eines zweiten Vereinsdieners. Außerdem hat er die Aufgabe, auf den Humpen aufzupassen, einen Krug, den sie gerne zu Auswärtsterminen mitnehmen und aus dem sie brüderlich alle trinken.

Das Feiern steht im Vordergrund

Das Feiern, das ja einst der Grund für das Entstehen des Vereins war, steht eindeutig auch heute noch im Vordergrund. Ganz wichtig sind natürlich die Jahre, in denen ein Maibaum aufgestellt wird, was bei den Grünwalder Burschen meist alle vier Jahre geschieht, das nächste Mal 2020. Da kommt auch die Sache mit dem Kontakt zwischen Madln und Buam deutlich ins Spiel. Denn es ist Sitte, dass jeder Bursch sich zum Maitanz eine Tanzpartnerin sucht, die ihren Wohnsitz in Grünwald haben muss, sagt Strobl. Dabei gilt ein strenges Gesetz: Ein Mädchen, das einmal absagt, wird nicht mehr gefragt und darf gar nicht mitmachen. Da es jedoch am Tag des Maitanzes selbst eine Verlosung der Tanzpartner gibt, haben auch die eine Chance, mit dem Richtigen zu tanzen, die leider vom Falschen gefragt wurden.

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Einladungen zu Festen waren schon immer wichtig.

(Foto: Angelika Bardehle)

Regelmäßige Zusammenkünfte gibt es auch in der Hütte in der Oberhachinger Straße 1, die die Burschen seit 2012 ihr eigen nennen. Sie wurde ihnen quasi von einer Gönnerin vererbt, zwar gehört sie der Gemeinde, doch die vorherige Besitzerin mochte den Burschenverein, sagt Strobl. 2016 haben die Mitglieder die aus dem Jahr 1942 stammende Hütte quasi rechtzeitig zum Jubiläum von Grund auf renoviert. Hier tagte auch alle zwei Wochen der Festausschuss fürs Jubel-Dorffest.

Das Dorffest ist alljährlich das große Ereignis, auf das die Burschen hinarbeiten. In diesem Jahr hat es anlässlich des Jubiläums besondere Dimensionen. So dauert es statt zwei Tagen fünf Tage, statt dem Zelt für 550 Personen gibt es heuer eines mit 1500 Sitzplätzen, dazu 800 im Biergarten. Auch mit den Anwohnern, die schon Angst vor der Lärmbelästigung hatten, haben sich die Burschen geeinigt. Gestattet ist nun ein langer Bar-Abend im Bar-Zelt mit Musik bis 2 Uhr, geschlossen wird um 2.30 Uhr. An den anderen Abenden geht es nur bis Mitternacht. Um auch die letzen Anwohner milde zu stimmen, werden sie einen netten Brief mit Bier- und Essensmarken erhalten.

Zahlreiche Höhepunkte haben die Burschen organisiert: Am Sonntag, 18. Juni, wird ein großer Umzug durch Grünwald stattfinden. Dazu haben sich bisher 1200 Mitglieder anderer bayerischer Vereine angemeldet. Auch die Altburschen, die sich ansonsten nach ihrer Hochzeit vom Vereinsleben zurückziehen, werden dabei sein. Sie betreiben ihre eigene Schänke. Und die "alten Maimadel", sagt Strobl, backen eifrig Kuchen für ein Büffet im Zelt.

Hochzeitswecken in der Morgendämmerung

"Es ist geil", sagt Quirin Strobl über das Leben im Burschenverein, und da liegt die Frage nahe, ob man das mit der Hochzeit und dem damit bedingten Ausscheiden vielleicht so weit wie möglich hinausschiebt? Strobl überlegt eine Weile, dann sagt er: "Bei manchen kann das schon sein." Letztendlich aber heiraten die meisten doch, schließlich werden sie auch irgendwann einfach zu alt. "Der Burschenverein soll schon für die Jugend da sein", sagt Strobl. Und zur Hochzeit gibt es ja von den einstigen Vereinskumpels ein schönes Geschenk: das Hochzeitswecken.

Am Tag der kirchlichen Heirat kommen die Freunde in der Morgendämmerung zum Haus und schießen Böller ab. Darüber haben sich auch schon so manche Anwohner beschwert, doch das ist wieder eine andere Geschichte. Bevor man bei Schüssen im Morgengrauen in Grünwald Schlimmeres vermutet, sollte man jedenfalls zuerst einmal daran denken, dass vielleicht ein Bursche Hochzeit hat.

Zum Jubiläum gibt es eine 200 Seiten dicke Festschrift, die von den Burschen Sebastian Zettel (Inhalt) und Sascha Wellm (Gestaltung) ohne professionelle Hilfe ehrenamtlich erstellt wurde. In 15 Sonderkapiteln erfährt man alles über das Burschenleben und seine Traditionen, etwa über den Lederhosensteg oder das Amt des Vereinsdieners. Die Festschrift kann bei den Feierlichkeiten vom 14. bis 18. Juni für zwei Euro erworben werden.

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