Ismaning:Schnittmuster

Der Künstler Hans Lankes zeichnet mit dem Messer. Obwohl er klare Linien setzt, lässt er dem Betrachter viel Raum für eigene Gedanken. In Ismaning zeigt er neuerdings Farbe in seinem Werk

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Der Strauß schaut. Frech, auffordernd, direkt blickt er den Betrachter aus einem weißen Bullauge heraus an. Er sieht ein wenig verwegen aus, mit seinen leicht abstehenden Federn, die sich über den fein geschwungenen Augenbögen kräuseln als flatterten sie im Wind. Erst beim Hinsehen aus der Nähe weicht der Vogel zurück in seinen Rahmen und lässt das Material zutage treten, aus dem er geschnitzt ist.

Sein Erschaffer Hans Lankes arbeitet detailliert wie ein Chirurg, er lässt mit dem Skalpell aus einem Blatt Karton Fantasiehäuser erwachsen und Tiere sich aus Menschenkörpern erheben. Die vielen Europäern vor allem aus der Biedermeierzeit bekannte Handwerkskunst des Scherenschnitts hat in Lankes Messerschnitten längst eine neue Dimension erreicht. Lankes Motive wirken teils fotorealistisch und driften doch oft ins Fantastische. Mensch und Tier verbinden sich zu neuen Formen, Gedanken bekommen Flügel und erheben sich, werden vom Wind verweht wie ein Strauß Luftballons.

Ismaning: Mit dem Skalpell lässt Messerschnittkünstler Hans Lankes Menschen, Tiere und Gebäude aus schwarzem Karton hervortreten.

Mit dem Skalpell lässt Messerschnittkünstler Hans Lankes Menschen, Tiere und Gebäude aus schwarzem Karton hervortreten.

(Foto: Robert Haas)

Lankes ist zum ersten Mal in Ismaning zu Gast. Bevor der gebürtige Bogener die selten gepflegte Kunst des Messerschnitts für sich entdeckte, arbeitete er im Bildhaueratelier von Hans Rieser in Straubing und war bei dem Bronze- und Kunstgießer Anton Gugg tätig. Seine damals entstandenen Werke wurden in den Achtziger- und Neunzigerjahren mehrfach in Ausstellungen gezeigt. Gleichwohl zog Lankes sich 1993 zurück und legte eine mehrjährige Schaffenspause ein. Erst 2009 trat er wieder als Künstler in Erscheinung. Schon in seiner Zeit als Bildhauer begeisterte sich Lankes fürs Zeichnen. "Ich schätze die harte Kante", erklärt er. So widmete er sich im zweiten Kapitel seiner künstlerischen Karriere klaren Linien und wählte sich als Werkzeuge Skalpell und Cutter. Seither hat er unter anderem in Schwandorf, Bamberg und Regensburg ausgestellt; zuletzt waren Arbeiten von Lankes im Kunstforum Schwäbisch Hall zu sehen.

Ismaning: Die vor allem aus der Biedermeierzeit bekannte Handwerkskunst des Scherenschnitts hat in Lankes Messerschnitten längst eine neue Dimension erreicht.

Die vor allem aus der Biedermeierzeit bekannte Handwerkskunst des Scherenschnitts hat in Lankes Messerschnitten längst eine neue Dimension erreicht.

(Foto: Robert Haas)

Im barocken Ambiente des Schlosspavillons heben sich seine klaren, schwarz-weißen Zeichnungen ab und kreieren doch ein gelungenes Zusammenspiel. In Ismaning trennt sich der Künstler von der strengen Beschränkung auf schwarz und weiß; in seinen jüngst entstandenen Zyklen experimentiert er mit Farben. Die Neontöne fügen den harten Schnitten eine weitere Ebene hinzu. Einige der gezeigten Werke sind in Ismaning erstmals öffentlich zu sehen.

Lankes illustriert nichts und hat doch eine klare Vorstellung dessen, was er ins Papier bringen wird. Die Idee eines Gefühls, einer Emotion, einen Traum, die ohne Vorzeichnen oder Projektion aus dem Dunklen erwachsen, indem der Künstler sie herausschält aus dem Umgebenden. Aus genau einem Blatt Papier entsteht jeder seiner Arbeiten; ist ein Schnitt einmal gesetzt, kann er nicht rückgängig gemacht werden. "Ich fühle mich frei", sagt Lankes, "denn es gibt kein Lavieren." Der harte Schnitt erzwingt eine Entscheidung. Doch in der Radikalität der Reduktion öffnet sich der Raum für Interpretation. Was er schließlich wahrnehmen will, liegt im Auge des Betrachters.

Die Ausstellung "Hans Lankes Messerschnitte" ist noch bis zum 30. August immer von Dienstag bis Sonntag, 14.30 bis 17 Uhr, in der Galerie im Schlosspavillon Ismaning, Schloßstraße 1, zu sehen. Der Eintritt ist frei. Die Werke können erworben werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: