Ismaning:Mehr als Kraut und Rüben

Ismaning: Überdimensionale Bodenproben: Anhand von Plexiglasröhren zeigen Klaus Thoma und seine Mitstreiter, wie es in Ismaning unter der Erde aussieht.

Überdimensionale Bodenproben: Anhand von Plexiglasröhren zeigen Klaus Thoma und seine Mitstreiter, wie es in Ismaning unter der Erde aussieht.

(Foto: Robert Haas)

Die Bürgergemeinschaft für Landschaftspflege hat das Gesicht Ismanings in den vergangenen 25 Jahren geprägt.

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Die beiden Plexiglassäulen, die seit vergangener Woche im Ismaninger Bürgerpark stehen, sind ein Geschichtsbuch der ungewöhnlichen Art. Obgleich sie keine Jahreszahlen vermerken und keinen einzigen Buchstaben enthalten, geben sie Kundigen doch verblüffend viel Auskunft über die Historie der Gemeinde. In den beiden Gefäßen ist je eine Erdprobe aus dem Norden und aus dem Süden des Ortes zu sehen. Die verschiedenen Erdschichten, die sich übereinander erkennen lassen, weisen ganz unterschiedliche Beschaffenheit auf - und lassen somit Rückschlüsse auf ihre Entstehung zu.

Außerdem bieten die Erdsäulen eine wertvolle Informationsquelle für die Landwirtschaft. "Wer den Boden kennt, weiß, was er wo anbauen kann", sagt Klaus Thoma. Der berühmte weiße Almboden im Ismaninger Norden etwa bietet ideale Bedingungen für den Krautanbau. Er ist besonders kalkhaltig und speichert Wasser sehr gut. Dafür enthält er wenig Nährstoffe - für Eichen etwa wäre er daher nicht geeignet, erklärt Thoma.

Am Anfang war es eine Protestbewegung

Wie wichtig die geografischen Besonderheiten, die Flora und Fauna für einen Ort ist, hält Thoma in Ismaning seit nunmehr 25 Jahren mit der Bürgergemeinschaft für Landschaftspflege im Bewusstsein. Als sich engagierte Bürger vor einem Vierteljahrhundert zu dem Verein zusammenschlossen, stand allerdings noch eine andere Motivation im Vordergrund. "Am Anfang war es ein bisschen eine Protestbewegung", sagt Thoma. Anfang der Neunzigerjahre konnte der Münchner Norden landschaftlich gesehen mit dem Süden nicht recht mithalten.

Um möglichst viel Ernteertrag einfahren zu können, hatte man breite Felder angelegt und die Flur ausgeräumt. Nach außen hin schien das ökologisch wenig attraktiv und schützenswert, sodass sich die Nordgemeinden über die Jahre damit konfrontiert sahen, dass sogenannte Negativeinrichtungen wie das Stromkraftwerk in Unterföhring bevorzugt in ihrem Teil des Landkreises angesiedelt wurden.

Um weitere solcher unliebsamen Einrichtungen abzuwehren, fassten die Ismaninger den Plan "Heimatschutz durch Landschaftspflege". Sie wollten ihre Flur wieder schöner gestalten, indem sie natürlichen Lebensraum auf ehemals intensiv agrarisch genutzten Flächen aktiv zurückgewannen.

Sogar der Dachs soll wieder gesichtet worden sein

Die Bürger kauften Grund von den Landwirten und begannen mit Hecken und zahlreichen Pflanzungen, über die Jahre stellten sie so eine grüne Verbindung von der Isarau im Westen mit der Goldach her. "Unsere Arbeit wird sowohl von der Pflanzenwelt, als auch von den Tieren sehr gut angenommen", sagt Thoma, der dem Verein seit seiner Gründung vorsteht. Vögel und Amphibien sind inzwischen auf die Flächen in Ismaning zurückgekehrt, sogar der Dachs soll wieder gesichtet worden sein. Und auch der Mensch freut sich am neuen Lebensraum - ein zentraler Aspekt, wie Thoma betont: Die Ismaninger Landwirte und die Gemeinde trugen die Entscheidung für die Renaturierung von Anfang an mit.

Seither sind Hunderte Ismaninger zu gemeinsamen Pflanzaktionen ausgezogen. Etwa 1300 sichern bis heute durch den Kauf eines symbolischen Quadratmeters Ismaninger Grund die Flächen, die die Bürgergemeinschaft begrünt hat. Besonders wichtig ist Thoma und seinen Mitgliedern, das über die Jahre gesammelte Wissen auch weiterzugeben. "Viele Menschen wissen kaum mehr etwas über Landwirtschaft", sagt Thoma. In Zusammenarbeit mit den Ismaninger Bauern, Imkern und der Försterin hat die Bürgergemeinschaft Lehrausflüge für Kinder und Erwachsene etabliert. "Heute", sagt Thoma nicht ohne Stolz, sei jedes Ismaninger Kind mindestens einen Tag im Jahr mit dem Verein draußen gewesen, um die natürliche Umgebung und damit auch die Erd-Geschichte der Gemeinde kennenzulernen.

Das sollen auch nachfolgende Generationen lernen können. "Wenn wir das, was wir jetzt geschaffen haben, erhalten können, haben wir unser Klassenziel eigentlich erreicht", sagt Thoma. Die Bürgergemeinschaft hat die Weichen gestellt, damit die Ismaninger Landschaft nachhaltig erhalten bleibt.

Zu ihrem 25-jährigen Bestehen erzählt eine Ausstellung die Geschichte der Bürgergemeinschaft für Landschaftspflege Ismaning. Sie ist bis Mitte Oktober in den Räumlichkeiten der VHS Nord im ersten Stock des Kultur- und Bildungszentrums Seidl-Mühle zu besichtigen. Der Eintritt ist frei.

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