Ismaning:Frech-frivole Surrealistin

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Bilder und Grafiken der Münchner Künstlerin Bele Bachem, die heuer 100. Geburtstag gefeiert hätte, sind in der Galerie im Schlosspavillon in Ismaning zu sehen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Bele Bachem wäre heuer 100 Jahre alt geworden. Eine Ausstellung in Ismaning würdigt ihr Werk.

Von Udo Watter

Schon früh erklärte ihr Vater, ein Kunstmaler, sie zum Wunderkind, er behauptete, sie würde ein zweiter Rubens werden. Aber andererseits auch: zur Hexe. Bele Bachem, 1916 in Düsseldorf geborene Künstlerin, entpuppte sich offenbar bereits in jungen Jahren als begnadet-ambivalentes Persönchen, ein begabter Zauberlehrling, sprühend vor Fantasie, eigenwillig, mit feinem Händchen und Gespür für das Feinnervige. Dieser Hauch von Magie und kindlich-raffinierter Versponnenheit, der über ihren frühen Zeichnungen lag, prägte ihre Werk ein Leben lang, trieb im Lauf einer langen Karriere fantastische Blüten und wurde zum Erfolgsmodell: Bele Bachem, die sich kurz nach dem Krieg in München niederließ, avancierte in den Fünfziger- und Sechzigerjahren zu einer der bekanntesten Künstlerinnen der Stadt, deren Schaffen nicht nur Malerei und Grafik, sondern auch Kleinplastiken, Bühnenbilder, Filmausstattungen, Bücher, Texte, Illustrationen, Plakatkunst und Design umfasste. "Meine Mutter hat die Kunst ihrer Zeit geprägt, in den Fünfzigern gab es fast nichts, was nicht ihre unverwechselbare Handschrift trug", erklärt ihre Tochter Bettina Böhmer.

Bilder und Grafiken der Münchner Künstlerin Bele Bachem, die heuer 100. Geburtstag gefeiert hätte, in der Galerie im Schlosspavillon, Schloßstraße 1, Ismaning. Gisela Hesse, Ausstellungsleiterin Foto:Alessandra Schellnegger (Foto: Alessandra Schellnegger)

Sie war zur Eröffnung der Ausstellung "Bele Bachem zum 100. Geburtstag" nach Ismaning gekommen, in die Galerie im Schlosspavillon - nicht zuletzt, weil sie das schöpferische Erbe ihrer 2005 verstorbenen Mutter wieder bekannter machen will. Denn erstaunlich genug: Diese Künstlerin, die heuer 100 Jahre alt geworden wäre, ist mittlerweile weitgehend vergessen. "Sie war für Generationen von Malerinnen ein riesiges Vorbild, eine Schwabinger Marke", sagt Gisela Hesse, Kuratorin der Galerie im Schlosspavillon.

Aber die Frau, die mit ihren frivol-eleganten, jeglicher Prüderie und Wohlanständigkeit entkleideten Arbeiten das freche, leichtlebige Schwabing dieser Dekaden verkörperte; diese Frau, die Porzellanobjekte für die Manufaktur Rosenthal schuf oder die Titelzeichnungen des Vorspanns zum populären Film "Das Wirtshaus im Spessart", ist heute kaum mehr im Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit. "Es ist immer wieder spannend zu sehen, wie sehr Künstler der Mode unterworfen sind", sagt Hesse. Bele Bachem, die eigentlich Renate Gabriele Bachem hieß, wieder mehr ins Interesse der Kunstwelt zu rücken, ist ihr ebenso ein Anliegen wie der 1940 geborenen Tochter Bettina Böhmer.

Allerlei Fabelwesen bevölkern ihre Arbeiten

Die Chancen stehen nicht schlecht: Zur Vernissage war die schmucke Galerie im Ismaninger Schlosspark ungewöhnlich gut besucht, und wer sich das Werk Bachems, das gemeinhin dem magischen respektive fantastischem Realismus oder Surrealismus zugeordnet wird, anschauen will, hat dazu noch Zeit bis zum 11. September. Viele Federzeichnungen, oft aquarelliert, etliche Tusch-und Kreidezeichnungen sowie Pastelle, Lithografien, Porzellanobjekte, illustrierte Bücher oder kleinere Bronzeplastiken sind in den drei Räumen der Galerie zu sehen. Was quasi alle Bilder Bachems auszeichnet: der dynamische Strich, ein gekonnt ausbalanciertes Spannungsverhältnis des Raums, selbst wenn die Perspektiven verfremdet sind, eine oft schwungvolle Linienführung und eine spielerisch anmutenden Leichtigkeit, mit der sie ihre, aus einer mythisch-erotischen und überwirklichen Welt gespeisten Sujets und Figuren zeichnet.

Allerlei Fabelwesen, Wölfe oder Eulen mit menschlichen Brüsten, Schlangen, Hähne, Edeldirnen, Akrobaten, Tänzer, Pierrots oder Engel bevölkern ihre Arbeiten, sie spielen, jonglieren, verführen, schlafen, töten oder tanzen. Varianten weiblicher Nacktheit - ob kess aus Reizwäsche lugende Popos, Busen oder lasziv-lange Beine gehören ebenso zum Standard wie esoterische Zeichen, christliche Symbolik oder mythologische Anspielungen. "Ihre Malerei ist ein spontaner ursprünglicher Ausdruck ihres lebenslangen Fabulierens", erklärt Böhmer. Dabei beeindruckt sowohl die feine Technik als auch (häufig) eine schwungvolle Lebendigkeit der Kompositionen, die humorvoll-anspielungsreichen Details und natürlich die vergnügt daherkommene Frivolität, die sich damaligen gesellschaftlichen Beschränkungen nie unterordnete. So verspielt-anmutig oder mitunter mondän das oft wirkt - auch dunklere, unterschwellig-böse und blutige Facetten finden Eingang ins Werk, etwa in "Todesengel", "Verführter Stierkampf, "Die Krähen fallen ein" oder "Spanische Hochzeit".

Bele Bachem: Ein Buch mit Originalen für ihre Tochter. (Foto: Alessandra Schellnegger)

"Meine Bilder sind aus dem Herzen gemalt."

Obgleich sich Bele Bachem dagegen gewehrt hat, als Surrealistin kategorisiert zu werden - sie sagte: "Surrealistisch, das ist zu kühl ausgedrückt, meine Bilder sind aus dem Herzen gemalt" - näherte sie sich im Lauf der Jahre doch stärker dem an, was man dieser Stilrichtung zuordnen könnte. Aber jenseits von Etikettierungen atmen Bilder wie "Späte Hochzeit im Eulengebirge" mit ihrer fein komponierten, traumartigen Hügellandschaft und dem Paar (starke Frau, kleines Männchen) eine ganz eigene Magie. Bachem spricht bei aller formalen Leichtigkeit auch Abgründiges an, mal mehr, mal weniger deutlich ("Schlangensprache oder Schwanengesang").

Die Männer kommen bei ihr generell nicht so gut weg. In "Gelehrte im Friedhof" etwa diskutieren drei zugeknöpft-seriös gekleidete Herren mit Melone, umgeben von einer größer dimensionierten und mythologisch-aufgeladenen Umwelt mit sich rekelnden weiblichen Skulpturen und Säulen. Während die drei kleinen akademischen Herren nicht zuletzt durch die Perspektivenverschiebung ein wenig lächerlich wirken, ist eine in selbem Größenmaßstab gezeichnete fast nackte Frau, die am oberen Bildrand durch ein Teleskop blickt, in ihrer lasziven Natürlichkeit humorvoll-anziehend. "Ich konnte schon früh zeichnen wie Raffael, aber ich habe ein Leben dazu gebraucht, wieder zeichnen zu lernen wie ein Kind", lautet ein Zitat von Picasso - Gisela Hesse findet, Bele Bachem habe genau diese von ihm so geschätzte Gabe nie verlernt.

Multikönnerin Bachem schuf auch diese Keramikköpfe. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Ausstellung "Bele Bachem zum 100. Geburtstag" dauert bis zum 11. September. Die Galerie im Schlosspavillon, Schloßstraße 1, Ismaning, ist geöffnet dienstags bis sonntags von 14.30 bis 17 Uhr.

© SZ vom 05.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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