Ismaning:Augen auf, Daumen hoch

Ismaning: Verkehrserziehung in der Asylunterkunft: Anna-Lena Göhner und Martin Daubitz setzen auf Schilder mit einfachen Symbolen.

Verkehrserziehung in der Asylunterkunft: Anna-Lena Göhner und Martin Daubitz setzen auf Schilder mit einfachen Symbolen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die ADAC-Stiftung erprobt in Ismaning ein Konzept, um Flüchtlingen die Verkehrsregeln in Deutschland verständlich zu machen. Dabei arbeiten die Trainer mit Zeichen, die jeder auf Anhieb versteht.

Von Laura Zwerger, Ismaning

Das Handy fest ans Ohr gepresst schwankt sie auf ihrem Fahrrad, von links wieder nach rechts, stürzt beinahe. "Stopp, das darf man nicht", ruft jemand. "Das ist verboten!" Das Telefonieren während des Fahrens wurde als gefährlich erkannt - und damit der Sinn des Verkehrstrainings der ADAC-Stiftung "Gelber Engel" erfüllt: 20 Flüchtlinge haben bei einer Schulung in der Ismaninger Asylunterkunft die wichtigsten Regeln des deutschen Straßenverkehrs gelernt.

"Der Bedarf wäre schon lange da gewesen", sagt Sonja Trott vom Asylhelferkreis Ismaning. "Aber die Polizei hat keine Kapazitäten dafür, daher sind wir sehr dankbar, dass der ADAC einspringt." Die Veranstaltung in Ismaning war die neunte von insgesamt zehn in einem Pilotprojekt: In den Trainingseinheiten soll evaluiert werden, wie der Lernstoff trotz Sprachbarriere gut vermittelt werden kann. "Dabei soll es kein Frontalunterricht sein, sondern ein positives Gruppenerlebnis", so Stiftungsmanagerin Angelika Lange.

"Es gibt viele Unterschiede zu zu Hause"

Daher erklären jeweils zwei didaktisch ausgebildete Trainer an Hand von Spielen oder Erklärvideos die einzelnen Regeln. Anna-Lena Göhner und Martin Daubitz haben die Schulung geleitet und abwechselnd auf Englisch oder Deutsch verschiedene Gefahrensituationen, Verkehrsschilder oder Vorfahrtsregeln erklärt. Damit alles verinnerlicht wird, mussten die Flüchtlinge dann in einem Memoryspiel abgebildete Situationen einander zuordnen und dabei erkennen, welches Verhalten richtig oder falsch ist. Viel wurde dabei diskutiert, oft gelacht und anfangs auch die ein oder andere Situation verkannt.

Ismaning: Die Symbole helfen den Flüchtlingen, trotz der Sprachbarrieren die Regeln zu verstehen.

Die Symbole helfen den Flüchtlingen, trotz der Sprachbarrieren die Regeln zu verstehen.

(Foto: Stephan Rumpf)

"Es gibt viele Unterschiede zu zu Hause", sagt Maher. Er kommt aus Eritrea, "da ist unangeschnallt im Auto kein Problem", erzählt er. Die Flüchtlinge zwischen 20 und 50 Jahren sind sich an dem Abend alle einig - die Verkehrsregeln in Deutschland sind kompliziert, vieles müssen sie erst lernen. "Flüchtlinge sind aber Verkehrsteilnehmer vom ersten Tag an", sagt Lange. "Sie sollen verstehen, wie es hier funktioniert, damit sie sich sicher im Verkehr bewegen können."

Teils kannten die Flüchtlinge manche der Schilder bereits von ihrer Flucht, so war ein Zebrastreifen beispielsweise schon aus Frankreich bekannt. "Man muss aber sehr flexibel sein", sagt Trainer Daubitz. "Jede Gruppe ist anders." Der Erfolg sei bisher aber bei allen Proben gut gewesen, so wie auch an diesem Abend in Ismaning.

Das liegt neben dem interaktiven Unterricht auch an der Motivation der Flüchtlinge: Sie stellen viele Fragen, und wird es einmal zu laut, ermahnen sich die Teilnehmer gegenseitig. Dass viele der Flüchtlinge nur wenig Englisch oder Deutsch sprechen können, hält das Training dabei kaum auf. Mit Schildern, auf denen ein Daumen nach oben oder unten zeigt, können alle unkompliziert demonstrieren, ob sich ein Verkehrsteilnehmer in der vorgeführten Situation richtig verhält. Einige Regeln wie die Ampelschaltung sind dann schnell verinnerlicht, bei anderen wie "rechts vor links" bedarf es etwas mehr Übung.

Den Trainern ist bewusst, dass das deutsche Verkehrssystem viele Vorschriften mit sich bringt. Daher klettert Trainerin Göhner beispielsweise auch selbst aufs Fahrrad und zeigt im abgedunkelten Raum, dass Licht dringend notwendig ist. "Wenn die Flüchtlinge selbst aufs Fahrrad steigen, dann denken sie hoffentlich daran zurück und machen das Licht an", sagt Lange.

Auch dass sie nicht nur die eigene Sicherheit aufs Spiel setzen, sondern auch eine Strafe riskieren, bläuen die Trainer ihnen ein: "Man muss sich an die Regeln halten, sonst kann es sein, dass man viel zahlen muss." Der ein oder andere nickt schuldbewusst, er hätte schon zahlen müssen, wenn er erwischt worden wäre. Doch die Ratschläge und Mahnungen der Trainer zeigen Wirkung, so merkt Maher nach dem Training an: "Manche der Fahrräder, die wir bekommen, haben kein Licht oder keine Klingel - das ist ja dann ein Problem."

Von Herbst an möchte der ADAC das Verkehrstraining dann regelmäßig anbieten - sobald genügend Spenden beisammen sind. Ziel sei es nämlich, so Lange, dass die Flüchtlinge selbst einander und ihren Kindern ein Vorbild sind und sich die Regeln gegenseitig erklären können.

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