Ismaning:Auf der Suche nach der räumlichen Wahrheit

Sonderausstellung Schlossgeheimnisse, Schlossmuseum Ismaning, Schloßstraße 3a

Christine Heinz leitet das Schlossmuseum in Ismaning.

(Foto: Florian Peljak)

Die Ausstellung "Schlossgeheimnisse" widmet sich der Frühgeschichte der Ismaninger Anlage und bietet Einblick in Verborgenes

Von Udo Watter, Ismaning

Was könnte das sein, ein "Gsperr"? Welche Bedeutung versteckt sich hinter "Fürhäng"? Nun, wenn man berücksichtig, dass viele Leute im 18. Jahrhundert so geschrieben wie sie geredet haben, klingt die Antwort ganz logisch. Ein Gsperr ist halt ein Schloss (zum Zusperren) und ein Fürhäng ein Vorhang. Die "tumbe Pettstatt", wie sie etwa der oberste Stallknecht so um 1750 in den Stallungen am Ismaninger Kirchplatz hatte, ist eine gewisse Art von Bett, die früher einmal der Aristokratie vorbehalten war. Alle diese Begriffe stehen auf einer Inventar-Liste, die im Ismaninger Schlossmuseum derzeit in der Sonderausstellung "Schlossgeheimnisse" zu sehen ist.

Ausgewertet und transkribiert hat sie der 27-jährige Ismaninger Student Gregor Heigis. Eine Aufgabe, die angesichts der Schrift und der gewöhnungsbedürftigen Orthografie Fleiß und Akribie erforderte. "Das war erst mal nicht so einfach", sagt Heigis. Für ihn, der in der Nähe des Schlosses aufgewachsen ist, war es freilich spannend, "die räumliche Wahrheit zu untersuchen", nämlich die, welche mit der (heute kaum mehr visualisierbaren) Frühgeschichte der Schlossanlage zu tun hat. Als Abschlussarbeit für seinen Studiengang Geschichte hat er zwei Inventare aus den Jahren 1764 und 1781 inhaltlich und statistisch ausgewertet und quasi die historische Raumabfolge im heutigen Rathaus (ehemaliges Schloss) rekonstruiert sowie auch interessante Facetten ob der zahlreichen Nebengebäude herausgefunden. "Manchmal kam er mir vor, wie ein historischer Profiler, der sich versucht, in die Menschen von damals hineinzuversetzen", erklärt Museumsleiterin Christine Heinz. Unter Mitarbeit von Heigis und Ute Hoepfner, die mit Schwerpunkt auf die Zeit Ismanings als Teil des Hochstifts Freisings diverse Dokumente analysierte, hat sie diese Ausstellung konzipiert, die bis zum 10. September zu sehen sein wird.

Wobei so vieles, das baugeschichtlich thematisiert wird, eben gar nicht so "sichtbar" ist. Es geht um eine Zeit, die im Erscheinungsbild der heutigen Schlossanlage kaum Spuren hinterlassen hat: die Frühgeschichte des Gebäudes/Areals, beginnend mit dem um 1530 errichteten Renaissance-Schloss (um 1715 abgerissen) sowie einer Rekonstruktion der Raumfolge im nachfolgenden Barockschloss (1715 bis 1718 erbaut) - später wurde das Schloss in der Leuchtenberg-Zeit bekanntlich von Leo von Klenze noch mal massiv klassizistisch umgestaltet. "Wir haben also versucht, aus 'Nichts' - 'Etwas' zu machen", urteilt Heinz. "Denn das meiste, was wir zeigen und erklären wollen, ist heute nicht mehr zu erkennen." Abgerissen, umgebaut, verändert. Historische Imaginationsfähigkeit war also nötig und ist auch für die Besucher der Ausstellung hilfreich.

Das Modell des alten, sehr kompakten Renaissanceschlosses mit vier Türmen gibt schon mal eine gute Vorstellung. Von diesem Gebäude gibt es historische Illustrationen, während es vom ursprünglichen Barockschloss quasi keine Ansichten, aber dafür aus der Zeit viele Dokumente gibt, mit denen sich einiges rekonstruieren lässt. "Inventar, heißt: eine Bestandsaufnahme der Objekte, die es zu der Zeit im Schloss gab", erklärt Heigis.

Den Ausstellungsmachern gelang es dabei, einige Räume aus der Zeit der Freisinger Fürstbischöfe im 18. Jahrhundert konkret zuzuordnen. Das Büro des Bürgermeisters ist etwa im ehemals fürstbischöflichen Schlafzimmer. "Und der Rote Saal war früher nicht die Schlosskapelle, wovon ich eigentlich ausgegangen bin, sondern der Festsaal, der Spiegelsaal", konstatiert Heinz. Manche der präsentierten Erkenntnisse beruhen auf Indizien, sind also nicht sicher nachweisbar. Das Visualisieren war nicht immer einfach, so dokumentieren auch "Stellvertreter"-Fotos, wie das des Marstalls von Schloss Salem analog zu den Stallungen in Ismaning am Kirchplatz manche Entwicklung.

Interessant sind neben den Statistiken zur Farbverwendung in den Räumen auch Biografien einzelner Fürstbischöfe: unterschiedliche Charaktere und eher selten mit einer Begabung fürs Geistliche gesegnet. Den wohl anstößigsten Lebenswandel pflegte Johann Theodor (1703 bis 1763), Kardinal und Bischof von Regensburg und Freising sowie Fürstbischof von Lüttich. Ismaning war für ihn der Ort, an dem er sich in seinem Quasi-Lustschloss anderen Verführungen hingab. Glaubt man manchen seiner Zeitgenossen, hatte er 35 bis 40 Kinder - bewiesen sind indes drei. Johann Theodor hatte auch eine Mätresse, die in einem Palais im Park lebte (der heutigen Galerie im Schlosspavillon).

Des weiteren gibt es Bilder von Jagdszenen, Objekte aus der Barockzeit wie Ofenkacheln, Stuckfragmente oder einen Altarstein aus der Schlosskapelle. 1802/3 endete mit der Säkularisation die Ära der Fürstbischöfe in Ismaning. Wer sich für diese, meist im Schatten der Leuchtenbergs stehende Epoche der Ortsgeschichte interessiert und ein wenig Vorstellungsvermögen mitbringt, der dürfte sich beim Besuch der Schau an der Enthüllung einiger Schlossgeheimnisse erfreuen.

Die Ausstellung "Schloss-Geheimnisse - Einblicke in den verborgenen Teil der Ismaninger Schlossgeschichte" dauert bis zum 10. September.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: