Interview:Bilderbuchhof - das war einmal

Die langjährige Kreisbäuerin Maria Knoller über die Veränderungen in der Landwirtschaft und deren Zukunft in einer städtischen Region

Interview von Irmengard Gnau, Aschheim

Mehr als 15 Jahre lang hat sich Maria Knoller für die Belange der Landwirte im Landkreis München eingesetzt, zunächst als Stellvertreterin der Kreisbäuerin und dann selbst als solche. Vor kurzem hat die Aschheimerin ihr Amt an Sonja Dirl aus Heimstetten übergeben. Im Interview rekapituliert die 59-Jährige, wie sich die Anforderungen an die Bauern im Landkreis in den vergangenen Jahrzehnten verändert haben, wie Landwirtschaft zwischen Preisdruck und Umweltbewusstsein funktionieren kann und wie sich die junge Generation für landwirtschaftliche Themen begeistern lässt.

SZ: Sie haben die Landwirtschaft im Landkreis in den vergangenen zwei Jahrzehnten durch ihre Arbeit beim Bayerischen Bauernverband intensiv beobachtet. Stellen Sie zentrale Veränderungen fest?

Maria Knoller: Ja, es hat sich einiges verändert. Einerseits ist eine Entwicklung weg von der Tierhaltung zu beobachten. Wir haben zwar im Süden des Landkreises noch einige erfolgreiche Viehzüchter, aber insgesamt nimmt die Zahl ab, auch beim Milchvieh. Auf unserem eigenen Betrieb hatten wir früher auch Mastbullen, dazu Masthähnchen, Hennen, Enten, mal ein paar Lämmer. Heute machen wir nur noch Ackerbau. Hintergrund ist der Trend zur Spezialisierung, den die Bauern spüren, einerseits durch den Preisdruck und andererseits durch die Vorschriften, die immer mehr werden. Sichtbar ist außerdem der Wegfall der Brennereien, zum Beispiel hier in Aschheim. Vor allem in der Schotterebene im Osten von München waren die Brennereien früher ganz typisch, es wurden Getreide, aber vor allem Kartoffeln gebrannt. Heute hat sich der Schwerpunkt hin zu den Speisekartoffeln verschoben.

Inwieweit hat sich der Beruf des Landwirts und der Landwirtin verändert?

Er ist noch anspruchsvoller geworden. Früher hat man zum Beispiel auf einem großen Feld Kartoffeln angebaut, und wenn der Samen aus war, hat man eben weiter Mais angebaut. Heute ist das nicht mehr so flexibel, da ist alles ganz genau vermessen. Man muss mindestens zwei Jahre im Voraus planen in der Fruchtfolge. Und auch die Dokumentation nimmt zu und wird komplexer. Gerade für manche Ältere ist das, glaube ich, schon schwierig. Hinzu kommt, dass die Betriebe immer größer werden. Früher war wesentlich mehr Handarbeit, da konnte man mit einer gewissen Manpower einfach nur eine bestimmte Fläche bearbeiten. Heute mit den Maschinen geht das einfacher. Auf der anderen Seite braucht man heute auch gewisse Einheiten, um rentabel zu arbeiten.

Wie lassen sich denn junge Leute heute noch begeistern für die Landwirtschaft?

Wenn ich die Berufsschule München-Land in Riem anschaue oder an die Hauswirtschaftsschule in Ebersberg für junge Frauen, die neben dem eigenen Beruf in die Landwirtschaft einheiraten oder selbst einen Betrieb haben, dann ist mir nicht bang um die nächste Generation. Ich habe den Eindruck, dass die Zahl derer, die sich für den Beruf interessieren, sogar steigt. Zunehmend studieren auch viele Landwirtschaft oder machen den Meister, an der Höheren Landwirtschaftsschule in Landsberg oder in Weihenstephan.

Im Vergleich zu anderen Bundesländern hat Bayern eine kleinteilige Struktur in der Landwirtschaft. Der Bauernverband gibt als Ziel aus, die Familienbetriebe zu erhalten. Wie realistisch ist das bei den heutigen Familienverbünden?

Wir müssen uns, ob wir wollen oder nicht, auf die veränderten Bedingungen einstellen. Die Aufgabe des Bauernverbands ist es - im Haupt- wie im Ehrenamt - diesen Wandel aktiv mit zu gestalten und die Betriebe zu unterstützen. Nach dem Motto: 'Es gibt keinen Weg für alle, aber es gibt für alle einen Weg.'

Aschheim, Kreisbäuerin Maria Knoller

Maria Knoller ist Verfechterin einer frühen Hofübergabe - bei ihrem BBV-Ehrenamt wie privat. Den Betrieb in Aschheim führt Sohn Markus.

(Foto: Claus Schunk)

Welche Probleme haben Betriebe häufig?

Der wirtschaftliche Erfolg hängt nicht nur von der Größe eines Betriebs ab. Es geht auch um Betriebsleiterqualität, jeder Landwirt muss sich die Frage stellen: Wie vermarkte ich meine Sachen? Es gibt zum Beispiel immer mehr Direktvermarkter, dass Landwirte einen eigenen Hofladen einrichten. Aber die Landwirtschaft braucht auch eine gewisse Wertschätzung. Und die vermisse ich heute manchmal.

Wie schafft man es, Städtern heute die Erzeugersicht nahe zu bringen?

Das Thema Verbraucherdialog ist extrem wichtig. Ich glaube, dass man der Bevölkerung zeigen muss, wie ein Betrieb funktioniert - und zwar, wie er heute funktioniert. Bei Hofbesuchen von Kindern bekommt man den Eindruck, dass viele Kinder noch eine Art Bilderbuch-Bauernhofbild haben, dass auf einem Betrieb alle Tiere leben. So war es vielleicht früher, aber heute ist es wichtig, dass man den Leuten zeigt, wie moderne Landwirtschaft funktioniert. Dass wir uns spezialisiert haben - haben müssen - und dass das vermutlich auch so weiter geht. Und gleichzeitig zu vermitteln, dass uns als Landwirten ja selbst daran liegt, dass wir gute, hochwertige Lebensmittel haben - aus wirtschaftlicher Sicht und selbst als Verbraucher.

Was wissen Kinder heutzutage noch über die Landwirtschaft?

Das ist ganz unterschiedlich, auch je nach Elternhaus. Die einen kommen mit einem Wissen, das wirklich beeindruckend ist, auf der anderen Seite gibt es auch Erwachsene, die kennen die einfachsten Basics nicht mehr - woher auch? Darum haben wir Landwirte vor einigen Jahren auch eine Unterschriftenaktion gestartet, ein Fach "Alltags- und Lebensökonomie" in den Schulunterricht aufzunehmen, mit Wissen über die Ernährung, aber auch Dingen wie Medienkompetenz oder den Umgang mit Geld. Teilweise wurden Inhalte inzwischen in den Unterricht integriert.

Wie ist die Beziehung zwischen Handel und Landwirten?

Teilweise sind die Anforderungen des Handels an die Landwirte sehr hoch. Es gibt bestimmte Programme, die einzuhalten sind. Marken wie "Unser Land", die Waren aus der Region nach vorne heben, sind ein Erfolg. Auch dass es im Raum München regelmäßige Bauernmärkte gibt. Auf der anderen Seite sind die Preise im Supermarkt zum Beispiel beim Fleisch sehr niedrig.

Was ist die Konsequenz? Dass die Landwirte größere Mengen produzieren?

Auf der einen Seite ja. Auf der anderen Seite gibt es auch den Trend zum Nebenerwerb, weil man ein zweites Standbein braucht, um wirtschaftlich sicher zu sein. Im Alpenraum ist zum Beispiel Urlaub auf dem Bauernhof ein großes Thema.

Wie steht der Landkreis München im Vergleich zu anderen Regionen in Bayern?

Ein Vorteil des Großraums München ist, dass wir bestimmte Bedürfnisse der Städter befriedigen können. Aus vielen aufgegebenen Milchviehbetrieben sind Pferdebetriebe entstanden, Einstallungen und Reithallen zur Freizeitnutzung. Aber es hat auch Nachteile: Es gibt einen großen Naherholungsdruck, das macht die Bewirtschaftung schwieriger - die Leute wollen lieber eine schöne große Wiese als ein Feld. Hinzu kommt, dass es immer wieder unvernünftige Hundehalter gibt, die ihre Tiere auf landwirtschaftlichen Flächen laufen lassen. Man lebt nah aneinander, das birgt Konfliktpotenzial. Da ist es wichtig, das Verständnis füreinander zu fördern.

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