Internetauftritte:Alles muss raus

Internetauftritte: Feldkirchens Bürgermeister Werner van der Weck ist meistens analog unterwegs.

Feldkirchens Bürgermeister Werner van der Weck ist meistens analog unterwegs.

(Foto: Claus Schunk)

Maximilian Böltl, 34, ist so etwas wie der Vorzeige-Bürgermeister im Netz - immer präsent, erreichbar, online. Werner van der Weck, 64, ist in den sozialen Medien fast unsichtbar. Über zwei Wege, ein Amt auszufüllen

Von Martin Mühlfenzl

Wer sich auf Facebook professionell präsentieren will, bekommt von Facebook professionelle Hilfe. Bürgermeister zum Beispiel, die den Weg aus der angestaubten Amtsstube hinaus in die digitale Welt wagen wollen. Und wer dabei etwa Respekt oder Angst verspürt, was denn mit den persönlichen Daten so alles passiert, der darf laut dem "Leitfaden für Politiker", den der Internetgigant selbst herausgebracht hat, vollkommen beruhigt das Posten anfangen. Denn: "Die Nutzer haben stets die volle Kontrolle über ihre Daten", heißt es in dem Papier. Klingt witzig in diesen Zeiten.

Feldkirchens Bürgermeister Werner van der Weck (SPD) hat für sich schon vor geraumer Zeit eine Entscheidung getroffen - lange vor der aktuellen Debatte um Datenklau und -kontrolle. Ein virtuelles Profil kam für ihn, der stets den direkten Kontakt mit dem Bürger sucht, nie in Frage. Er darf sich in seiner Entscheidung auch ein wenig bestätigt fühlen.

Van der Weck sitzt in seinem lichtdurchfluteten Büro im ersten Stock des Rathauses und schaut durch riesige Fenster nach draußen. Links die evangelisch Kirche, rechts der Blick auf die Jugendhilfe. "Schön ist es, wenn die Kinder am Rathaus vorbei laufen, hochschauen und winken", sagt van der Weck. Ganz analog.

Internetauftritte: Stefan Kern ging an Fasching als Kuh verkleidet - und postete das Bild bei Facebook.

Stefan Kern ging an Fasching als Kuh verkleidet - und postete das Bild bei Facebook.

(Foto: Facebook)

Ein paar hundert Meter weiter nördlich schlendert Maximilian Böltl durchs Kirchheimer Rathaus und zu Christian Freund ins Büro. Freund ist verantwortlich für die Kita-Anmeldungen in der Gemeinde. Bürgermeister Böltl (CSU) setzt sich lässig vor den Schreibtisch und lässt sich von seinem Mitarbeiter erklären, wie Eltern für ihre Kleinen einen Platz organisieren können. Über das Kita-Portal. Alles online.

"Bei mir war es nie anders."

Internetauftritte: Ob auf dem Gipfel oder unterm Regenschirm: der Oberhachinger Bürgermeister Stefan Schelle ist aktiv in sozialen Netzwerken.

Ob auf dem Gipfel oder unterm Regenschirm: der Oberhachinger Bürgermeister Stefan Schelle ist aktiv in sozialen Netzwerken.

(Foto: Facebook)

Böltls Video auf seiner Facebookseite mit den Hinweisen zur Kinderbetreuung haben 34 Leute geliket; was aber viel wichtiger ist: Mehr als Tausend haben es sich angesehen. Werbung in eigener Sache.

Böltl ist so etwas wie der Vorzeige-Bürgermeister im Netz. Äußerst präsent auf Facebook und Instagram. Auch die Verwaltung betreibt eine Seite für die Gemeinde und hat ein Instagram-Profil. Der 34-Jährige postet nicht nur fleißig, sondern wickelt einen Teil seiner Arbeit online ab. Schon immer. "Wenn ich gefragt werde, ob sich die Arbeit durch soziale Medien verändert hat, kann ich das nicht beantworten", sagt Böltl, der seit 2014 Rathauschef ist. "Bei mir war es nie anders."

Vor der Kommunalwahl 2014 hat sein Kollege Werner van der Weck, 64, kurz überlegt, ob er auch den Sprung ins Digitale wagen soll. "Die Überlegung war schon, ob es nicht einfacher ist, dadurch mehr Leute zu erreichen als mit einem Stand vor dem Edeka", sagt er. "Mir war klar, dass man damit weiter streuen kann." Heute aber, sagt der Sozialdemokrat, sei er "Gott froh", es nicht gemacht zu haben.

Die Frage, ob soziale Netzwerke, das Amt verändern, ist eigentlich leicht zu beantworten. Wer Susanna Tausendfreund, Pullachs Bürgermeisterin, Stefan Schelle aus Oberhaching oder Stefan Kern aus Brunnthal auf Facebook folgt, stellt fest, dass Publicity auch für einen Dorfbürgermeister wichtig sein kann. Kern als Kuh verkleidet im Fasching, Tausendfreund als Robin Hood. Schelle auf dem Gipfel - und dazwischen immer wieder politische Botschaften, Projekte der Gemeinde. Das Amt verändert sich - im Netz. Der Mensch nicht, sagt Böltl. "Das merkt jeder, wenn man sich auf der Straße trifft."

Der Bürgermeister ist qua Amt eine öffentliche Person. "Fast die Hälfte der Anfragen an mich oder die Verwaltung kommt mittlerweile über Facebook oder Whatsapp", sagt Böltl. "Meine Nummer steht ja im Netz. Ich versuche auch schnell zu antworten. Das gehört einfach dazu." Vor allem Jüngere, sagt er, erreiche er digital schneller. "Aber es ist auch die Generation der 30- bis 50-Jährigen, die das verstärkt nutzt. Unsere Kirchheimer Nachrichten, die an alle Haushalte verteilt werden, lesen die Jungen doch eher nicht."

Die Angst, dass die Kontrolle verloren geht

Erreichbarkeit, Reaktionsfreude und Schnelligkeit. Sind das die neuen Primärtugenden für einen Bürgermeister? "Wir sind zwar kein Internetunternehmen, aber die Bürger verlangen das", sagt Böltl. Es gebe, sagt van der Weck, ja nicht "die eine Form" des Kontakts. "Natürlich ist das ein Weg. Aber jeder muss für sich entscheiden, ob er den gehen will", sagt er. "Ich will den Kontakt mit dem Menschen." Wer einen Termin bei van der Weck will, muss aber nicht unbedingt ins Rathaus kommen. "Natürlich reicht eine E-Mail."

Vielleicht, sagt van der Weck, ist es eine "Generationenfrage". Er selbst, sagt er, habe sich auch gegen Facebook & Co. entschieden, "weil du die Kontrolle über das, was veröffentlicht worden und draußen ist, ja irgendwie verlierst".

Die Gemeinde Kirchheim wird künftig Nachrichten über Whatsapp verschicken. Bürger sollen über den Nachrichtendienst Anfragen stellen oder Hinweise geben. Wenn etwa eine Straßenlaterne ausgefallen ist. Whatsapp? Der Messenger, der zu Facebook gehört? Den nutzt Werner van der Weck auch - privat, in der Familie.

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