Infrastruktur:Abschied von der S-Bahn-Rücklage

Infrastruktur: Die Bahnlinie mit ihren beschrankten Übergängen zerschneidet Pullach.

Die Bahnlinie mit ihren beschrankten Übergängen zerschneidet Pullach.

(Foto: Claus Schunk)

Die Pullacher Gemeinderäte lösen nach heftiger Diskussion das Budget auf, das sie für die Tieferlegung der Gleise angespart haben. Die lästigen Schranken wollen sie aber immer noch loswerden

Von Michael Morosow, Pullach

Wenn die Schrankenbäume in ihrer Gemeinde niedergehen, dann staut sich bei vielen Pullachern die Wut. Kaum ein Thema beschäftigt sie mehr als die langen Wartezeiten vor den geschlossenen Bahnübergängen, und das bereits seit Jahrzehnten. Genauso lange wünschen sie sich dringend den kreuzungsfreien Ausbau der Bahnstrecke in ihrem Ort, den einige bereits mit bitterem Hohn in "Pullach an der Schranke" umgetauft haben. Wie sehr diese Problematik den Menschen in der Südgemeinde inzwischen auf das Gemüt schlägt, hat sich am Dienstag im Gemeinderat gezeigt.

Zur Debatte stand die vom Kämmerer André Schneider vorgeschlagene Auflösung der seit 2007 gebildeten Sonderrücklage "S-Bahn-Tieferlegung", die inzwischen auf 4,411 Millionen Euro angewachsen ist. Die dadurch frei werdenden Mittel könnten dann in die allgemeine Rücklage der Gemeinde fließen und wären somit jederzeit verfügbar. Am Ende wurde der Beschlussvorschlag zwar einstimmig angenommen, aber erst, nachdem Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) und ihr Kämmerer eine Reihe von Kritikern besänftigt hatten.

Eigentlich war es eine rein haushaltstechnische Angelegenheit, die es zu besprechen galt, doch die Gespräche entwickelten sich zu einer Grundsatzdebatte, an der sich beinahe jeder im Gremium beteiligte. Quer durch die Fraktionen gab es Wortmeldungen, die sich strikt gegen die Auflösung der Sonderrücklage wandten oder dafür. Er betrachte die Rücklage als einen Anachronismus, sagte Andreas Most (CSU) und verwies darauf, dass mit vier Millionen Euro ohnehin keine S-Bahn-Tieferlegung machbar sei. Das Signal sollte laut Most vielmehr sein: "Die Bahn muss zahlen."

Vier Millionen seien ein "Kleckerbetrag angesichts von geschätzten Gesamtkosten in Höhe von 150 Millionen Euro", sagte auch Arnulf Mallach (SPD). Anstatt weiter anzusparen, müsse die Gemeinde inhaltlich vorankommen und darüber nachdenken, wie eine Finanzierung aussehen könne. "Das schafft man nur, wenn die Bahn mitmacht", sagte Mallach. Die Bildung der Rücklage im Jahr 2007 sei damals schon Symbolpolitik gewesen, sagte Holger Ptacek (SPD) und rechnete vor: Wenn die Gemeinde in jedem Jahr eine Million Euro ansparen würde, würde es noch 146 Jahre dauern, bis das Geld zusammen wäre.

Von einem "sehr falschen Signal zur falschen Zeit" sprach hingegen sein Fraktionskollege Walter Mayer, der wie einige andere im Gemeinderat befürchtete, die Gemeinde würde durch die Auflösung der Sonderrücklage ihre Position aufgeben, "die lange richtig war und noch ist". Die Themen S-Bahn und Ortsmitte seien im Ortsentwicklungsplan nur wenig berücksichtigt, monierte Mayer. Ins gleiche Horn stieß auch Angelika Metz (Wir in Pullach): "Ich möchte, dass das Geld drin bleibt, wir können uns nicht den Ort kaputt machen lassen", sagte sie. Ihr Fraktionskollege Johannes Schuster sprach gar von einer "Beerdigung dritter Klasse", gegen die er ein Zeichen setzen wolle.

Nach gut einstündiger Debatte und der Beteuerung der Bürgermeisterin, mit Auflösung der Sonderrücklage sei ein kreuzungsfreier Ausbau der S-Bahn nicht vom Tisch, stimmte der Gemeinderat am Ende doch einstimmig für den Beschlussvorschlag, dem jedoch noch ein Zusatz angehängt wurde: "Die Auflösung der Sonderrücklage erfolgt aus finanztechnischen Gründen. Das Thema S-Bahn-Tieferlegung (kreuzungsfrei) wird im Rahmen eines alternativen Verkehrskonzepts weiterverfolgt."

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