Hohenbrunn/Ottobrunn:Tor zur Erinnerung

Hohenbrunn/Ottobrunn: Auf Verwitterung angelegt: Hilmar Gröger neben dem vor ihm geschaffenen Denkmal für die Zwangsarbeiter der Muna in Hohenbrunn.

Auf Verwitterung angelegt: Hilmar Gröger neben dem vor ihm geschaffenen Denkmal für die Zwangsarbeiter der Muna in Hohenbrunn.

(Foto: Claus Schunk)

Hilmar Gröger aus Ottobrunn hat das Denkmal für die Zwangsarbeiter der Heeresmunitionsanstalt in Hohenbrunn geschaffen. Das begrünte Dach ist eine Anspielung auf die Tarnung der Gebäude, in denen sie ausgebeutet wurden

Von Daniela Bode, Hohenbrunn/Ottobrunn

Seit vier Wochen steht es da, nahe am Kreisverkehr zwischen Georg-Knorr- und Siegertsbrunner Straße in Hohenbrunn, und fordert einen zum Nachdenken auf. Mehrere aufeinandergesetzte Steinquader bilden zwei Säulen, auf ihnen liegt quer ein massiver Block, der oben stark vermoost ist, und aus dessen Poren kleine Bäume wachsen. In der Öffnung ist eine Bronzetafel mit Text angebracht. "Es ist ein Tor zur Erinnerung", sagt Hilmar Gröger. Der Steinbildhauer aus Ottobrunn hat das Denkmal konzipiert und geschaffen, das an die Zwangsarbeiter in der Heeresmunitionsanstalt der Wehrmacht (Muna) erinnern soll. Am 8. Mai, 70 Jahre nach Kriegsende, wurde es enthüllt.

Erinnerung ist nicht nur das Ziel des Gedenksteins. Erinnerung spielte schon bei seiner Entstehung eine große Rolle. Denn eigentlich hätte sich der Arbeitskreis, der sich mit der Geschichte Hohenbrunns auseinandersetzt und den Anstoß für das Denkmal gab, einen Standort etwas weiter westlich ausgesucht. Bis Hilmar Gröger den zugewachsenen Weg zum ehemaligen Löschweiher der Muna fand, an dessen Anfang das Denkmal nun wie ein Tor steht. "Ein Gemeinderat hat sich erinnert, dass hier der Weg verlief", sagt Gröger.

Als er selbst das Gebiet beim Kreisverkehr, also ehemaliges Muna-Gelände, ablief, um den idealen Standort zu finden, erinnerte auch er sich. Ihm fiel ein, dass einige Gebäude auf dem später erbauten Industriegelände oben begrünt waren. In seiner Unbedarftheit hatte er früher gedacht, das sei ein Zeichen von Verwahrlosung, später fiel ihm auf: Es war die Tarnung der Gebäude. "Dann ist mir der Stein eingefallen", sagt Gröger. Er meint den Block aus Kalktuff, der schon seit 20 Jahren auf dem eigenen Firmengelände zwischen all den Grabsteinen in Ottobrunn lag. Der war wegen seiner porösen Struktur mit Moos bedeckt, aus dem Stein wuchsen kleine Bäume. Und jetzt bildet er das Dach des Tores . "So fügte sich eins zum anderen", sagt der Künstler.

Anders als bei manch einfallslosem Denkmal werden die Menschen hier sicher innehalten. Einerseits ist es offen, die Bronzetafel, die an das Schicksal der Zwangsarbeiter erinnert, hindert aber am Durchgehen. "Das Dach ist ein Zitat", erklärt der Künstler die Idee, es stehe für die Tarnung der Anlage. "Die Säulen sind gedanklich zueinander verschobene Kuben, sie stehen für die Gebäudekomplexe." Rund zweieinhalb Monate arbeiteten Gröger und ein Geselle an dem Werk aus Stein.

Dass so ein besonderer, vielleicht auch progressiver Gedenkstein einmal an das Muna-Gelände erinnern würde, war nicht von vornherein klar. Im Sommer 2014 hatte die Gemeinde drei Steinmetze aus der Region zu einem Wettbewerb eingeladen und sie gebeten, Entwürfe einzureichen. Einer davon war der Betrieb der Gebrüder Hilmar und Markus Gröger, in dem auch Hilmars Frau Nelly mitarbeitet. Die Gemeinderäte debattierten mehrmals bis im Februar dieses Jahres die Entscheidung für Hilmar Grögers Entwurf fiel. Zwischenzeitlich war auch der Wunsch an den Künstler herangetragen worden, als Alternative einen Findling mit Goldschrift zu gestalten. "Dazu habe ich keinen Entwurf abgegeben, weil ich nicht dahinter stand. Es ist ein so starkes Zeichen, das man setzt", sagt Hilmar Gröger.

Mit 08/15-Entwürfen geben sich die Gebrüder Gröger auch bei anderen Arbeiten nicht zufrieden. "Es war immer unser Ziel, etwas zu machen, in dem wir unvergleichbar sind", sagte Hilmar Gröger dieser Zeitung einmal. Vor allem für ihre ungewöhnlichen Grabmale haben die Brüder mit ihrem 65 Jahre alten Familien-Steinmetzbetrieb schon zahlreiche Preise gewonnen. Sie gestalten Grabsteine so, dass sie die Geschichte des Verstorbenen erzählen und ihn so unvergessen machen. Einen Grabstein verzierte Markus Gröger einmal mit einem in Stein gemeißelten Unimog. Der Verstorbene war ein Gemeindemitarbeiter und verrichtete mit dem Wagen seine tägliche Arbeit. Außerdem setzt der Betrieb auf heimische Materialien.

Sich an dem Wettbewerb für das Denkmal zu beteiligen, war für den historisch interessierten und liberal denkenden Gröger selbstverständlich. "Rassismus und Diskriminierung entgegentreten kann man nur, indem man ein Bewusstsein für die Vergangenheit entwickelt", sagt er. Oft hilft ein Denkmal dabei. Ihm selbst hat beispielsweise das Mahnmal in Grünwald, das an den Todesmarsch der Dachauer Häftlinge erinnert, die Vergangenheit wieder bewusst gemacht und gezeigt, wie wichtig es ist, sich daran zu erinnern.

In ein paar Monaten wird das Denkmal in Hohenbrunn noch vermooster sein, es wird rundherum eine wilde Wiese gewachsen sein, die Natur wird es sich immer mehr einverleiben. Das ist vom Künstler so gewollt. "Das ist kein Hochglanz-Denkmal, sondern es ist auf Verwitterung angelegt", sagt Gröger. Wegen seiner Höhe von rund zwei Metern und seiner gut sichtbaren Lage an dem Kreisverkehr wird es Vorbeifahrende und -gehende weiter neugierig machen und zum Innehalten anregen. Der Künstler freut sich, dass er diesen Stein der Erinnerung setzen durfte: "Wir sind stolz darauf, dass sich die Gemeinde für ein starkes Zeichen entscheiden hat, und dass wir Teil davon sind, dass die Vergangenheit nicht vergessen wird", sagt Hilmar Gröger.

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