Hohenbrunn:Späte Aufarbeitung

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Vor zwei Jahren hat ein Arbeitskreis begonnen, die Geschichte Hohenbrunns während der Nazizeit zu recherchieren

Von Franziska Dürmeier, Hohenbrunn

70 Jahre ist es her, dass die Diktatur des Nationalsozialismus beendet wurde. Zwei Jahre ist es her, dass Hohenbrunn begann, sich mit dieser Zeit auseinanderzusetzen. Ein bisschen zumindest. Denn eigentlich ist es nur eine kleine Gruppe von Engagierten. Eine geschlossene Unterstützung von politischer Seite erfahren sie nicht, wie sich jüngst wieder zeigte. Der Gemeinderat stimmte zwar dafür, dass jenem Arbeitskreis "Ortsgeschichte von Hohenbrunn 1933-1945" ein zweites Mal ein Zuschuss von 5000 Euro gewährt wird. Mit dem Geld sollen die inzwischen fast abgeschlossenen Recherchen des Kreises ausgewertet, schriftlich festgehalten und schließlich veröffentlicht werden. Aber es gab auch zwei Gegenstimmen der CSU-Mitglieder Edeltraud Wende und Helga Seybold-Herweg.

"Gedenken ist ja schön - aber kostet Geld", lautete Wendes Statement. Schon bei der Entscheidung über den ersten Zuschuss habe man heftig diskutiert, sagte sie, jetzt seien es wieder 5000 Euro: "Meiner Meinung nach ist das noch nicht zu Ende." Hohenbrunns Bürgermeister Stefan Straßmair (CSU) stimmte zwar für den Zuschuss, doch völlig überzeugt schien auch er nicht: "Es steht außer Frage, sich für die Sache zu engagieren", sagte er, "selbstverständlich unterstütze ich das. Ich hätte nur Bedenken, inwieweit wir das finanziell unterstützen sollen." Seine Begründung: Vonseiten des Arbeitskreises sei wohl bereits die Aussage gefallen, sie würden so oder so daran weiterarbeiten - egal, ob die Gemeinde den Zuschuss leiste oder nicht, so Straßmair.

Martina Kreder-Strugalla (Die Grünen), die auch Mitglied des Arbeitskreises ist, wandte ein, dass sie sich natürlich nicht von der Aufgabe abbringen ließen, auch wenn Mittel benötigt würden, um die Forschung abschließen zu können. Und dann sagt sie etwas Wesentliches: "Ich möchte zu bedenken geben, dass der Arbeitskreis hier eine Aufgabe erfüllt, die eigentlich Aufgabe des Gemeinderates ist - nämlich eine Lücke in der Geschichte zu schließen. 10 000 Euro insgesamt sind eine Menge Geld, aber man muss das in Relation zu dem setzen, was geleistet wurde." Die Zahl der ehrenamtlich geleisteten Stunden sei erheblich, hinzu kämen die Kosten für die Fahrten in die Archive und Kopien, die Bezahlung eines Historikers und einer Hilfskraft. Die Mehrheit im Gemeinderat sah das ähnlich: "Wir sollten das zu Ende führen", sagte Benno Maier (CSU) bestimmt. "Wir haben damit angefangen und Geld für die Recherche ausgegeben. Sonst hätten wir's uns auch sparen können." Positiv fiel auch das Resümee von Rüdiger Weber (SPD) aus: "Der Arbeitskreis hat kostenbewusst gearbeitet", sagte er, "wir sollten nach außen zeigen, dass wir gewillt sind, die Ergebnisse auch der Bevölkerung zugänglich zu machen."

Der Historiker Florian Wimmer, der die Arbeit des Kreises bereits über Monate hinweg begleitet, stellte das Zwischenergebnis der Recherchen in Archiven und der Befragung von Zeitzeugen vor. Im Laufe der Untersuchungen hätten sich vier thematische Schwerpunkte herauskristallisiert: die gesellschaftlichen Strukturen in Hohenbrunn, die Muna, die Situation im Krieg sowie "Erb- und Rassenpflege". Hier nannte der Geschichtswissenschaftler zwei Einzelschicksale aus Hohenbrunn - einen alkoholabhängigen Mann, der zwangssterilisiert wurde, und eine 24-Jährige, für die die Diagnose Schizophrenie das Todesurteil bedeutete. Neben Hunderten anderen Patienten wurde sie in der Heil- und Pflegeanstalt Haar-Eglfing systematisch unterversorgt, bis sie schließlich an Unterernährung starb.

Und wieder - man kannte es bereits aus einer früheren Gemeinderatssitzung - wurden Fragen nach unangenehmen Details laut: "Werden die Namen grundsätzlich genannt?", fragte Scherbauer. Es gebe ja sehr alte Familien in Hohenbrunn, ergänzte er. "Das kommt darauf an", entgegnete Wimmer. Es gebe klare archivgesetzliche Vorschriften. Opfer der Euthanasie oder Zwangssterilisierung dürfe man nicht nennen, Entscheidungsträger wie den Bürgermeister oder Archivpfleger schon. "Gibt es auch Täter, die sich von Mitläufern abheben?", fragte Bürgermeister Straßmair vorsichtig. Das hänge vom Täterbegriff ab, so Wimmer. Es habe Leute gegeben, die das NS-Regime unterstützt hätten, "Täter" im Sinne von KZ-Aufsehern seien ihnen bei den Recherchen nicht untergekommen. "Und Denunzianten?", hakte Straßmair nach. Wimmer erklärte, das sei schwierig einzuschätzen, gerade in den Spruchkammerakten fänden sich viele gegenläufige Aussagen. Doch darum gehe es auch nicht bei der Recherche. "Es ist eher wichtig, die Frage zu stellen: Was können wir wissen?", so Wimmer, "es geht darum, zu sammeln und darzustellen - statt ein Urteil zu fällen."

© SZ vom 06.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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