Hohenbrunn:Integration im Altenheim

Hohenbrunn Riemerling, Seniorenheim Lore-Malsch, Betreuung minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge,

Achim Weiss von der Diakonie und Erzieherin Lia Thiam mit jungen Flüchtlingen in Hohenbrunn.

(Foto: Angelika Bardehle)

Im Seniorenzentrum Lore-Malsch in Hohenbrunn leben seit November 2014 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

Von Frederick Mersi, Hohenbrunn

"Yalla, yalla!", rufen sich die vier Jugendlichen lachend zu, steigen aus dem Stadtbus und eilen in Richtung Seniorenzentrum Lore-Malsch. Seit November 2014 ist dies Alltag in dem von der Diakonie betriebenen Altenheim. Dort leben Senioren und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge unter einem Dach. Vier Stockwerke in dem Gebäudekomplex werden als Jugendhilfeeinrichtung für die insgesamt 50 männlichen Jugendlichen im Alter von 15 bis 18 Jahren genutzt. "Genehmigt sind eigentlich 48", merkt Achim Weiss von der Evangelischen Kinder- und Jugendhilfe Feldkirchen an.

Dass das Angebot den Bedarf nicht deckt, ist alles andere als neu. Allein in München werden in diesem Jahr rund 10 000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge erwartet. Im Monat August musste das Landratsamt München 60 von ihnen im Landkreis unterbringen. Auch im Seniorenzentrum musste vieles schneller gehen als geplant. "Ich habe zum 1. Mai hin angefangen, obwohl ich meine Arbeit eigentlich erst im August beginnen sollte", sagt Erzieherin Lia Thiam. Zwei Jugendliche pro Woche hätten in ihre Wohngruppe aufgenommen werden sollen, in Wirklichkeit waren die Plätze viel schneller gefüllt.

"Die Umverteilung muss unbedingt kommen", unterstützt Weiss daher Familienministerin Manuela Schwesigs Gesetzesvorschlag, der Mitte Juli vorgestellt wurde. Allerdings kritisiert er auch, dass das Gesetz frühestens zum 1. Januar 2016 in Kraft tritt und selbst dann noch eine Hintertür offen sei. Wenn ein Bundesland sich nicht in der Lage sehe, Unterkünfte bereitzustellen, könne es Anträge auf eine Umverteilung mit der Begründung der "Kindeswohlgefährdung" zurückweisen. Doch der Gesetzesentwurf sei ein Schritt in die richtige Richtung.

Im Seniorenheim sind inzwischen alle Betreuerstellen besetzt, alle vier Wohngruppen sind voll belegt. Die vierte Wohngruppe musste aufgrund des Mangels an Sozialpädagogen noch für mehrere Monate von einem Wachdienst mitbetreut werden. "Das ist natürlich überhaupt nicht das, was wir wollen", gibt Weiss zu. Auch ist man weiterhin dazu gezwungen, zur Hälfte auch Fachfremde als Betreuer einzusetzen. Neben Erzieherin Thiam ist unter anderem eine Ethnologin im Betreuungsteam. "Ich empfinde das aber auch als Bereicherung", sagt Weiss. Die zusätzlichen Sprachkenntnisse, zum Beispiel in Arabisch, seien von Vorteil.

Diakonin Ursula Zenker, die seit dem 1. Januar mit den Jugendlichen im Seniorenzentrum arbeitet, sagt, das Zusammenleben zwischen Alt und Jung funktioniere gut: "Die alten Leute sind neugierig und haben zum Teil auch selbst Fluchterfahrung." Natürlich sei die Sprachbarriere riesig, doch die Jugendlichen seien ehrgeizig. "Einer ist innerhalb von drei Monaten in die Realschule gekommen, weil er fließend deutsch sprechen konnte", sagt sie.

Alle Wohngruppen erhalten während der Schulzeit vormittags Unterricht, je nach Sprachkenntnissen und Alter in Mittel-, Real- oder Berufsschule. Die Jugendlichen wollen sich in ihr Umfeld integrieren, zeigen kaum Berührungsängste. "Wir haben zum Teil sehr vorwitzige Jugendliche hier", sagt Zenker. Probleme gibt es nur, wenn Jugendliche aus der Einrichtung weglaufen - in der Hoffnung, dass in anderen Bundesländern die Asylanträge schneller bearbeitet werden. "Die verschwinden dann über Nacht", sagt Weiss. Für das Gruppengefüge sei das nicht einfach.

Diejenigen, die bleiben, haben laut Weiss "keinerlei Probleme" bei der Integration, obwohl das Seniorenzentrum außerhalb von Hohenbrunn liegt. Fußball und Basketball bieten in dieser Situation dringend benötigte Kontakt- und Beschäftigungsmöglichkeiten. "Den Jugendlichen ist ab und zu schon langweilig", berichtet Betreuerin Thiam. Kicker und Tischtennisplatte reichen nicht aus. Daher freut sich das Team über alle, die ehrenamtlich helfen wollen. "Das sind alles nette Jungs", sagt Thiam und fügt hinzu: "Wenn man eine Vertrauensbasis geschaffen hat, öffnen sie sich." Das sei das Schönste an ihrer Tätigkeit, "dass man die Entwicklung der Jungs sieht".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: