Hohenbrunn:Hohe Schule

Clemens Braunegger bildet in seinem Stall in Hohenbrunn preisgekrönte Dressurpferde aus. Diese lernen auf kleine Signale des Reiters hin, Anweisungen auszuführen. Gemeinsam mit dem örtlichen Reitverein finden jährlich Turniere statt

Von Kevin Rodgers, Hohenbrunn

Finjus überragt alle anderen Pferde im Stall. Besucher mustert der rote Fuchs Ehrfurcht gebietend von oben herab. Besteht man die Musterung, beugt er sich hinunter und schmiegt sich mit dem Kopf zärtlich an den Besucher an. Auf dem Hof des Turnier- und Ausbildungsstalls von Clemens Braunegger hört man in der Ferne das Klappern von Hufen auf Kopfsteinpflaster.

Seit 2010 bildet Braunegger Dressurpferde aller Leistungsklassen aus. Er schult die Pferde und ihre Besitzer vor allem im Dressurreiten, einer seit 1912 olympischen Disziplin, bei der die natürlichen Veranlagungen des Pferdes durch Übungen gefördert und verfeinert werden. Ziel ist es, das Pferd durch minimale Signale des Reiters zum exakten Ausführen einer Aufgabe zu bewegen.

Der gebürtige Innsbrucker ist selbst seit seiner Jugend begeisterter Reiter. Nach der Schule machte er eine Ausbildung zum Pferdewirt im westfälischen Münster. "Das ist im Prinzip ein ganz normaler Lehrberuf mit dreijähriger Ausbildung", erklärt der 43-jährige Braunegger. Nach der Lehre arbeitete er als selbstständiger Bereiter unter anderem für die Weltmeisterin und Olympiasiegerin im Dressurreiten Heike Kemmer. 2010 übernahm er in Nachfolge des verstorbenen Pferdezüchters Josef Estendorfer den Turnier- und Ausbildungsstall in Hohenbrunn.

Hohenbrunn: Dressurreiten heißt nicht, dass die Pferde dressiert werden. Clemens Braunegger (in der Mitte) propagiert den behutsamen Umgang mit den Tieren.

Dressurreiten heißt nicht, dass die Pferde dressiert werden. Clemens Braunegger (in der Mitte) propagiert den behutsamen Umgang mit den Tieren.

(Foto: Claus Schunk)

50 Pferde, zum Großteil Hannoveraner, leben in den weitläufigen Stallungen. Der Hof besteht aus drei hufeisenförmig angeordneten Stallungen, einer großen Reithalle und mehreren Koppeln. Im Winter wird in der Halle geritten, deren weicher Boden dann mit Magnesium versetzt wird, damit er nicht gefriert. Die Pferde leben in etwa 18 Quadratmeter großen Boxen. Durch den gläsernen Giebel dringt viel Licht. Es riecht nach Heu und Pferdehaar. Ein paar Spatzen fliegen zwitschernd über den Einzelappartments umher. Vor den Türen der Boxen, an denen jeweils eine Tafel mit dem Namen und Speiseplan des Bewohners angebracht ist, hängen Sattel und Zaumzeug.

Brauneggers Hannoveraner gelten als gelehrige, temperamentvolle und unkomplizierte Pferde. Welche Pferderasse zum Dressurreiten verwendet wird, ist nicht so wichtig. "Das ist eher eine Glaubensfrage. Wir haben Hannoveraner, andere bevorzugen Holsteiner." Zudem näherten sich die gezüchteten Pferde immer mehr an. "Ich bin mir nicht sicher, ob wir noch ein echtes Bayrisches Warmblut finden würden."

"Je nach Statur und Größe wiegt ein Dressurpferd zwischen 400 und 800 Kilogramm", sagt Braunegger. Hannoveraner haben ein Stockmaß bis zu 1,85 Meter, Fellfarben von Fuchsrot über braun bis schwarz und können auch schon mal ein Alter von bis zu 30 Jahren erreichen. So lange treten sie jedoch nicht bei Turnieren an. "Die Pferde werden bis zu einem Alter von 16 bis 20 Jahren geritten. Danach gehen sie in Rente", sagt Braunegger. Generell ist nach seinen Worten die Haltung von Sportpferden sehr schwierig. "Das Pferd ist ein Fluchttier und wird deshalb schnell nervös", sagt Braunegger. Vor allem die warmblütigen Tiere hätten oft viel Temperament. "Man sagt, die stehen höher im Blut." Deshalb ist es wichtig, behutsam mit den Pferden umzugehen und Stress, etwa beim Transport im Anhänger, zu vermeiden. Genau wie der Mensch sind die Tiere eigene Persönlichkeiten. Alle Pferde im Stall von Clemens Braunegger tragen Spitznamen. Sie heißen Charly oder Kurt, der offiziell eigentlich King George heißt. Kurt steht in der Box neben Sir Henry.

Hohenbrunn: Die Pferde stehen in etwa 18 Quadratmeter großen Boxen. Durch die Giebel dringt viel Licht.

Die Pferde stehen in etwa 18 Quadratmeter großen Boxen. Durch die Giebel dringt viel Licht.

(Foto: Claus Schunk)

Zu Fressen gibt es meistens frisches Heu. Zusätzlich gibt es für alle Müsli und gelegentlich eine Schaufel voll Hafer. "Der Hafer wirkt wie Traubenzucker und liefert schnelle Energie", sagt Braunegger. "Daher auch der Ausdruck: "Den sticht der Hafer." Trainiert wird mehrmals die Woche. Dabei ist die Ausbildungsskala der Deutschen Reiterlichen Vereinigung FN maßgeblich. Sie enthält sechs Ausbildungsdisziplinen, die beim Pferd trainiert werden. Ein Dressurpferd wird jedoch nicht dressiert wie ein Tanzbär mit einstudierten Übungen, sondern auf Durchlässigkeit ausgebildet. Das heißt, dass das Pferd seinen eigenen Willen behält, jedoch zuverlässig und mit möglichst wenig Input des Reiters Anweisungen ausführt. Traditionell wird ein Pferd immer links geführt. "Das liegt daran, dass man früher in der Kavallerie den Säbel auf der linken Seite getragen hat", weiß Braunegger.

Querfeldein ausgeritten wird nur selten. Dazu sind die Pferde zu wertvoll. "Außerdem muss man sich jedes Mal beim Landratsamt anmelden, damit eventuell auftretende Flurschäden verfolgt werden können", sagt Braunegger.

Seine Kunden kommen vor allem aus der Umgebung, aber auch aus Nürnberg und Österreich. Allerdings ist es wichtig, dass Ross und Reiter zusammen trainieren. "Das ist eine Einheit. Man muss regelmäßig und ohne Stress trainieren." Außer viel Zeit brauchen die Pferdebesitzer auch ein gut gefülltes Bankkonto. Exklusive Unterhalt und je nach Herkunft und Ausbildungsgrad kann der Preis für ein gutes Dressurpferd ohne Weiteres bei einem hohen sechsstelligen Eurobetrag liegen. Das teuerste Pferd der Welt, ein Wallach namens Palloubet d'Halong, wechselte für elf Millionen Euro den Besitzer. Halter nähmen die Abstammung enorm wichtig, sagt Braunegger. Allzu wichtig nehmen sollte man sie aber nicht. "Ich sage immer: Papier kann man nicht reiten. Und Sieger plus Sieger ist nicht gleich Sieger."

Mittlerweile richtet Clemens Braunegger auf seinem Hof in Hohenbrunn auch Turniere aus. 300 Pferde aus ganz Oberbayern kamen im Oktober für ein Wochenende auf den Hof. Das Turnier war das zweite, das Braunegger zusammen mit dem Reitverein Hohenbrunn veranstaltete. Unter anderem gab es eine Jungpferdeprüfung und Aufgaben für Amateure und Profis. Dieses Jahr bietet sich am Wochenende, 7./8. Oktober, wieder Gelegenheit, die Faszination der olympischen Disziplin Dressurreiten aus der Nähe zu erleben.

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