Höhenkirchen-Siegertsbrunn:Eine Säule der Integration

Das Bundesprogramm "Sprach-Kitas" läuft seit einem Dreivierteljahr und findet Anklang in der Awo-Kindertagesstätte in Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Von Anna Hordych, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Seit Langem schon fegt ein Wirbelwind der Nationen durch den "Pfiffikus". Die Kindertagesstätte der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Höhenkirchen-Siegertsbrunn gleicht einem Miniaturturm zu Babel. Kinder aus mehr als 20 Nationen kommunizieren miteinander. Ob aus Italien, Ungarn, der Ukraine, Griechenland oder Kroatien, verschiedene Sprachen prägen die Gemeinschaft an der Englwartinger Straße seit der Eröffnung.

Wenn die vier-, fünf- und sechsjährigen Kinder in einer langen Schlange durch den Flur nach draußen laufen, sind sie kaum voneinander zu unterscheiden. Ihre spontane Gestik, ihre neugierigen Blicke ähneln einander. Wenn ein fremdklingende Ruf ertönt, wie der kongolesische Vorname "Chandrina" oder der nigerianische Name "Gidion", tritt die multikulturelle Vielfalt plötzlich ans Licht. Es ist für viele Kinder ein Spagat, zusätzlich zur Heimatsprache schlagartig mit dem Deutschen jonglieren zu müssen. Ein Mädchen aus dem Kongo beispielsweise spricht dann in der Kita deutsch, Zuhause wiederum französisch.

Ein vom Bundesfamilienministerium initiiertes Projekt bietet der Kindertagesstätte die Gelegenheit, all diese Kinder gleichermaßen an die deutsche Sprache heranzuführen. Seit dem Winter nimmt das pfiffige Kinderhaus am vierjährigen Bundesprogramm "Sprach-Kitas" teil.

"Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist", lautet der poetische Titel der neuen Förderung, die Gelder für eine Sprachfachkraft und eine zusätzliche überregionale Fachberatung vorsieht. Bewerbungsvoraussetzung war der Nachweis eines hohen Anteils an finanzschwachen Familien und der dringende Bedarf an Sprachentwicklung in der Kindertagesstätte. Zwei Einrichtungen der Awo im Landkreis München entsprachen diesen Kriterien. Darunter das Kinderhaus "Pfiffikus".

Die Kindertagesstätte ist nicht die luxuriöseste Einrichtung der Gemeinde. Das Obergeschoss war früher mal eine Wohnung und ist verwinkelt, der Flur im Erdgeschoss könnte großzügiger geschnitten sein. Man ist sich dieser Defizite bewusst: "In modernen Neubauten sind immer ein Elternsprechzimmer oder ein Elterncafé eingeplant", schildert Leiter Udo Gesing, "solche Treffpunkte sind in diesem Bau von Natur aus nicht vorgesehen."

Das Sprachprogramm ist Anlass, diese Konzeption zu überdenken: Zu den drei Grundpfeilern des Projekts gehört die Einbindung der Eltern ins Kita-Geschehen. Ein geeigneter Treffpunkt musste deshalb her. Das Team hat dafür den Eingangsbereich renoviert. "Vorher war es hier dunkel und beengt, die Wände waren in einem schweren, rosafarbenen Ton gestrichen und mit lila Brettern bestückt", sagt Gesing während er durch den nun weiß getünchten, von Licht durchfluteten Vorraum führt.

Katrin Bohland, die neue Sprachexpertin des "Pfiffikus", wünscht sich, "dass die Eltern in der Kita gerne mehr Zeit verbringen und sich mit anderen Müttern und Vätern austauschen". Gerade Eltern mit Migrationshintergrund sollen sich willkommen fühlen und mit dem Kita-Leben ihrer Kinder identifizieren können.

Die Hofoldingerin Bohland hat selbst drei Kinder, von denen zwei eine Awo-Kita besuchen. So erfuhr sie von dem Programm. Sprachausbildung und ein Studium der Sozialpädagogik machten sie zur Idealbesetzung für den Posten.

Die sprachpädagogische Förderung ist für das Pfiffikus-Team kein Neuland, auch wenn die Einrichtung beim Vorläuferprogramm "Sprache und Integration" nicht dabei war. Viele Kitas aus dem Münchner Landkreis nahmen an dem Projekt teil, das Ende 2014 auslief. Insgesamt fast 30 Einrichtungen der Awo schlossen sich an. Die damalige Ausrichtung war aber eine andere: "Es sollten Kinder mit Sprach-Barrieren gesondert gefördert werden," berichtet Awo-Referentin Isolde Ruf, "im aktuellen Programm werden dagegen nicht einzelne Kinder herausgepickt, die dann in schulähnlichen Formaten trainieren, sondern im Vordergrund steht das zufällige und interessengesteuerte Lernen im Alltag". "Reime und Lieder im Singkreis machen die Sprache spielerisch zugänglich", fügt Bohland hinzu, "Angebote wie die Lernwerkstatt sind freiwillig und orientieren sich am Montessori-Konzept."

Zum Team gehört auch eine Heilpädagogin, die den Gruppen 25 Stunden die Woche mit psychischer Beratung zu Seite steht. "Einige Kinder bei uns tragen ihre ganz eigenen Rucksäcke mit sich herum", sagt Leiter Gesing, "wir sind in der Gemeinde die Kindertagesstätte mit dem höchsten Anteil von Flüchtlingskindern. Wir bemühen uns, ihnen seelisch beizustehen."

Einsteigerin Bohland betont immer wieder, wie wichtig es ihr ist, diese starke Basis für die weitere Arbeit anzuerkennen. "Ich entscheide nichts ohne die Zustimmung des Teams", sagt sie. "Allein wenn ich die momentane Pädagogik durchdringe, kann ich sie schrittweise ergänzen." Nur so ließen sich die drei Säulen, die der Sprach-Schlüssel vorsieht, verwirklichen: die Kooperation mit der Familie, alltagsorientierte Sprachvermittlung und die bewusste Inklusion des Kindes. "Das bedeutet, wir respektieren bei der Sprachförderung Identität und sprachliche Heimat der Kinder", sagt Bohland.

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