Höhenkirchen-Siegertsbrunn:"Das ist ein Abenteuerspielplatz für Erwachsene"

Höhenkirchen-Siegertsbrunn, Schrebergartenauflösung am Sportpark

Eingefallene Häuschen, lose Bretter, alte Gartenmöbel - wer hier noch etwas Brauchbares finden will, muss genau hinsehen.

(Foto: Angelika Bardehle)

In der aufgelösten Schrebergartenkolonie in Höhenkirchen-Siegertsbrunn darf sich jeder bedienen, der vorbeischaut - wenn er rechtzeitig dran ist.

Von Christina Hertel

An der Wand hängt eine Karte der Türkei, daneben eine Uhr aus Holz mit goldenen Zeigern - stehen geblieben auf zehn vor elf. Blümchen-Tapete. Urlaubsbilder. Und auf dem Boden ein Kinderbuch mit dicken Pappseiten. Vor dem Holzhäuschen ein Grill, gemauert aus Ziegelsteinen. Die abgebrannte Kohle liegt noch darin. Man kann sich vorstellen, wie hier gegessen wurde, gelacht, gefeiert.

Das ist vorbei - eigentlich schon seit vergangenem Herbst. Da wurde die Schrebergartenkolonie in Höhenkirchen-Siegertsbrunn offiziell aufgelöst. Denn das Grundstück soll bebaut werden. Liegen geblieben ist über den Winter trotzdem einiges. Viel Müll, vieles ist aber auch noch brauchbar. Bürgermeisterin Ursula Mayer (CSU) hatte deshalb die Idee, dass jeder das, was er haben möchte, von dort abholen darf. Bis Ende der Osterferien ist deshalb vor der Kleingärtenkolonie eine Zone errichtet, in der man mit seinem Anhänger parken kann.

Auf den ersten Blick sieht der Schrebergarten wüst aus. Verfallene Häuschen, kaputte Gewächshäuser, jede Menge Holzbretter, die einfach auf der Wiese liegen. "Wenn man sich auskennt, findet man hier schon etwas", sagt eine Frau, die aus Brunnthal kommt und lieber nicht mit ihrem Namen in der Zeitung erscheinen möchte. Sie hat einen Korb dabei und gräbt mit einer kleinen Schaufel Erdbeerpflanzen aus. Und Nelken, Margeriten und Eisenhut. Schafgarbe fand sie auch - für den Kräutergarten. Der Frau sind die Pflanzen von hier lieber als neue aus dem Gartencenter. "Die gehen oft nach einem Jahr kaputt, weil sie so hochgezüchtet sind", sagt sie. "Diese Pflanzen haben den Winter schon mal überlebt. Sie sind widerstandsfähiger."

Ein paar Meter weiter hinten bei einer verrosteten Schaukel gräbt Fred Czaika einen Johannisbeerstrauch aus. Für Gartenarbeit sieht er eigentlich zu schick aus - er trägt ein hellblaues Hemd, eine graue Hose. "Fürs Büro geht das nicht mehr", sagt er und rammt die Schaufel in die Erde, sie ist trocken und fest. Czaika ist an seinem freien Tag hierher gekommen, weil er es schade fände, wenn die Bagger bald alle Büsche, Sträucher und Pflanzen plattmachen.

Czaika sucht deshalb weiter und findet: Maiglöckchen und Akelei. Vieles sei leider schon weg, sagt er, und zu viel Müll noch übrig. Ein Plastiktisch, der irgendwann einmal weiß war, zum Beispiel. Oder ein alter Polstersessel, bei dem der Schaumstoff an den Seiten herausquillt. In einem Häuschen hängen Arbeitsjacken am Kleiderhaken. In einem anderen steht ein Wasserkocher auf der Herdplatte. Und im nächsten findet man ein Paar ausgetretene Schuhe.

Enkel und Großmutter wollen mit dem Material ein Frühbeet anlegen

"Das ist ein Abenteuerspielplatz für Erwachsene", sagt die Frau, die immer noch nach Pflanzen sucht, obwohl ihr Korb eigentlich schon voll ist. Ein Rentnerpaar füllt sich tütenweise Erde ab. Und ein Mann gräbt Steinplatten vor einer Hütte aus - die in seinem eigenen Garten haben Risse, er will sie austauschen. In seinem Kofferraum stehen am Ende außerdem: ein Baumstumpf für Feuerholz und eine rote Wanne - auch voller Erde.

Richtig glücklich über seine Ausbeute ist Jonas Belmega - blonde Haare, rotes Bayerntrikot. Mit einem Freund hat sich der Grundschüler vor einiger Zeit ein paar Samen gekauft. Seitdem sieht er gerne zu, wie Pflanzen immer größer werden, wenn man sie gießt. Seine Oma will ihm jetzt zeigen, wie man ein eigenes Beet anlegt. Zusammen tragen die beiden von der Schrebergartenkolonie einen grünen Plastikkasten zum Auto. Aus dem soll ein Frühbeet entstehen - also ein Gewächshaus in Kleinformat mit Plexiglas drüber, damit das Gemüse im Frühjahr nicht erfriert.

"Ich will darin Gurken pflanzen. Tomaten, Erdbeeren und Karotten", sagt Jonas. Selber essen will er das alles nicht, sondern verkaufen - zusammen mit seinem Freund. "Na, Jonas", sagt seine Großmutter. "Das passt doch da alles gar nicht rein." Doch der Junge sieht nicht so aus, als würde ihn dieser Einwand stören. Er freut sich schon auf das Wühlen in der Erde.

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