Historie:Verfassung und Verantwortung

Beim Neujahrsempfang in Oberhaching erinnern der Historiker Hermann Rumschöttel und Bürgermeister Stefan Schelle an 100 Jahre Freistaat

Von Iris Hilberth, Oberhaching

Bevor das Jahr in den Gemeinden richtig beginnen kann, bevor es politisch Fahrt aufnimmt, hat der liebe Gott, das Schicksal oder auch die kommunale Selbstverwaltung die Neujahrsempfänge gesetzt. Da können die Bürgermeister gemeinsam mit ihren Gästen noch einmal durchatmen, ein paar Visionen und Wünsche für das neue Jahr äußern und neben dem Ausblick gerne auch mal eine Rückschau halten. In Oberhaching ist dies am Donnerstagabend im Foyer des Rathauses durchaus unterhaltsam und gleichsam informativ mit Bezug zur Gemeinde gelungen, ohne dass sich Festredner und Historiker Hermann Rumschöttel sowie Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) dabei im Kleinklein der aktuellen Kommunalpolitik verloren.

Historie: "Wir feiern Bayern!", lautete die Überschrift des Abends auf dem Kyberg.

"Wir feiern Bayern!", lautete die Überschrift des Abends auf dem Kyberg.

(Foto: Claus Schunk)

"Wir feiern Bayern!", lautete die Überschrift des Abends auf dem Kyberg mit Blick auf 200 Jahre Bayerische Verfassung von 1818 und 100 Jahre demokratischer Freistaat Bayern. "Geschichte, so scheint es, nehmen wir vor allem bei Jubiläen wahr", sagte Hermann Rumschöttel und stellte fest: "Wir finden nichts dabei, 2006 zweihundert Jahre Königreich Bayern und 2018 hundert Jahre Ende des Königreichs Bayern zu feiern. Irgendwie gehört das alles zusammen: Bavaria first."

Historie: Großes Interesse und kleine Häppchen: Zum Neujahrsempfang in Oberhaching servieren Quirin und Hannah den zahlreichen Gästen eine kleine Stärkung.

Großes Interesse und kleine Häppchen: Zum Neujahrsempfang in Oberhaching servieren Quirin und Hannah den zahlreichen Gästen eine kleine Stärkung.

(Foto: Claus Schunk)

Der ehemalige Generaldirektor der Staatlichen Archive Bayerns hat sich aber auch die Mühe gemacht, neben der gesamtbayerischen Bedeutung der beiden Jubiläen für die Oberhachinger zusammenzutragen, was die bayerische Verfassungsgeschichte mit ihrer Gemeinde zu tun hat. So erinnerte er an Joseph Socher, der "vermutlich als aufklärerischer Geistlicher und Illuminat" nach Oberhaching strafversetzt wurde und die Pfarrei übernahm. Mit einflussreichen theoretischen Schriften und als Abgeordneter der ersten drei bayerischen Landtage 1819, 1825 und 1831 habe Socher an der frühen konstitutionellen Entwicklung Bayerns maßgeblich mitgewirkt. Rumschöttel erinnerte zudem an die Historiker Gertrud Diepolder, Friedrich Prinz und Pfarrer Karl Hobmair, denen Oberhaching wesentliche geschichtswissenschaftliche Beiträge verdanke. Seit 50 Jahren würden zudem jährliche Verfassungsfeiern von dem Deisenhofener Florian Besold organisiert. Neben der kommunalen Selbstverwaltung gebe es in Oberhaching "gute Gründe, 2018 unsere Verfassungen zu feiern", findet Rumschöttel und mahnte zugleich zur Vorsicht: "Der Rechts-, Sozial- und Kulturstaat ist kein Wiegengeschenk." Der Einbruch des Unerwarteten, der Untergang einer Welt, wie man sie bisher kannte, bleibe immer eine Möglichkeit. "Wir können nichts anderes tun, als wachsam und mutig zu sein." 200 Jahre Verfassungsstaat Bayern und 100 Jahre Freistaat - das sei auch eine ernste Angelegenheit.

Bürgermeister Schelle ließ ein paar launigen Einleitungssätzen über das chinesische "Jahr des Erde-Hundes" ebenfalls einige nachdenkliche Sätze zum bayerischen Jubiläumsjahr folgen: "Neben der Freude an Tradition und Identität sollten wir gerade in diesem Jahr über den Wert unserer freiheitlichen und demokratischen Grundordnung nachdenken, die Verantwortung dafür annehmen und aufmerksam die Zukunft gestalten." Schelle erinnerte an eine Rede des früheren Bundespräsidenten Joachim Gauck: "Freiheit heißt nicht nur frei zu sein von etwas, sondern auch frei zu sein zu etwas." In diesem reichen und verwöhnten Land, wo es den Menschen so gut gehe, sei manchmal nötig, "uns das, was wir errungen haben, noch mal vor Augen zu stellen". Bürgermeister Schelle betonte: "Wir feiern Bausteine für unseren freiheitlichen und sozialen Rechtsstaat, die damals gelegt wurden. Mit dieser Freiheit haben wir aber die Verantwortung."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: