Historie:65 Jahre ohne Maibaum

Der ehrenamtliche Ortschronist Peter Stilling zeigt in einem neuen Film, warum die Tradition in Aschheim erst 1972 wiederbelebt wurde.

Von Irmengard Gnau, Aschheim

Eine kommode Wachhütte, wie sie die meisten Burschenvereine und anderen Wächter des Maibaums heute zur Verfügung haben, gab es 1972 in Aschheim nicht. Doch das machte den jungen Männern nichts aus. Sie saßen eben neben der Lagerhalle auf dem Marschallhof in einem ausrangierten VW-Bus, um auf ihr Stangerl Acht zu geben.

"Da haben nur höchstens vier hineingepasst", erinnert sich Peter Stilling und lacht. Das war dem späteren Gemeinderat und heutigen Ortsgeschichtsforscher und seinen Mitwächtern damals aber auch ziemlich egal. Viel wichtiger war, dass die Aschheimer endlich wieder einen eigenen Maibaum aufstellen würden - den ersten nach 65 Jahren.

Die Gauleitung der NSDAP setzte der Arbeit ein Ende

Mehr als sechs Jahrzehnte lang war die Tradition in Aschheim eingeschlafen gewesen, zunächst aufgrund des Ersten Weltkriegs. 1934 dann hatte man bereits einen Baum geschlagen und hergerichtet, als die zuständige Gauleitung der NSDAP der Arbeit ein Ende setzte. Denn die Aschheimer wollten sich nicht sagen lassen, dass sie ihren weiß-blauen Stamm in den nationaldeutschen Farben zu überstreichen hätten, und zersägten den Baum in einem Akt der Rebellion kurzerhand. Wer die tollkühnen Burschen namentlich waren, die damals zur Säge griffen, wurde bis vor etwa fünf Jahren noch im Ort geheim gehalten, wie Stilling erklärt.

Erst 1972 schließlich beschloss die Freiwillige Feuerwehr Aschheim auf Anregung des damaligen Bürgermeisters Franz Ruthus, endlich wieder einen Baum im Ort zu errichten. Mit einem großen Fest, versteht sich. In einem Umzug wurde der Baum vom Marschallhof zum neu erkorenen Maibaumplatz an der Ismaninger Straße geleitet; um den Wagen zu ziehen, hatte man eigens ein Kaltblüter-Gespann aus der Nähe von Ebersberg kommen lassen, erinnert sich Stilling. Die Feuerwehr, Blasmusik und Goaßlschnalzer begleiteten den Zug.

Festgehalten wurde alles mit einer Super-8-Kamera

Festgehalten hat das alles und die Vorbereitungen dazu der Aschheimer Albert Hafenmayer mit seiner Super-8-Kamera. Später überließ er den Film Stilling, der ihn erst vor Kurzem wiederentdeckte. Vergangenen Winter, als er zum Aussuchen des aktuellen Maibaummaterials für 2018 in einem Forst bei Oberpframmern unterwegs war, kam ihm das alte Filmmaterial wieder in den Sinn. "Die Gegend ist mir so bekannt vorgekommen", erzählt Stilling. Weil er sie, wie ihm schließlich einfiel, aus dem Film kannte - den besagten Super-8-Aufnahmen von 1972.

Für Stilling, der sich seit Jahren dem Sammeln alter Dokumente und Fotos aus der Ortsgeschichte verschrieben hat, war rasch klar, dass er den Film öffentlich machen wollte. Ergänzt um weitere Fotoaufnahmen aus seinem Archiv und eigene Recherchen, unter anderem zur Fahnenweihe 1973 und zur Freiwilligen Feuerwehr, zeigt Stilling das etwa 50-minütige Werk nun in Kooperation mit dem Aschheim-Museum am kommenden Sonntag, 18. März, im großen Saal des Kulturellen Gebäudes in Aschheim. Dort sollten auch mehr Zuschauer Platz finden als einst im VW-Bus. Die Vorführung beginnt um 18 Uhr. Der Eintritt ist frei, Spenden kommen der Freiwilligen Feuerwehr Aschheim zugute.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: