Heizkraftwerk München Nord:Dicke Luft

Heizkraftwerk München Nord: Sie sind das ungeliebte Wahrzeichen Unterföhrings: die drei Schornsteine des Heizkraftwerks München Nord. Wolfgang Stubenrauch kämpft dafür, dass aus ihnen sauberere Luft kommt.

Sie sind das ungeliebte Wahrzeichen Unterföhrings: die drei Schornsteine des Heizkraftwerks München Nord. Wolfgang Stubenrauch kämpft dafür, dass aus ihnen sauberere Luft kommt.

(Foto: Robert Haas)

Die Unterföhringer kämpfen seit Jahren gegen das Heizkraftwerk Nord. Jetzt hoffen sie, dass die Münchner beim Bürgerentscheid am kommenden Sonntag für ein vorzeitiges Ende der Kohleverbrennung stimmen

Von Sabine Wejsada, Unterföhring

Wie auf Kommando verdunkelt sich die Sonne. Selbst an solch goldenen Oktobertagen, wie es sie in der vergangenen Woche gegeben hat, schlucken die Rauchschwaden aus den Schloten des Heizkraftwerks München-Nord das Licht. "Schauen Sie nur hin", sagt Altbürgermeister Klaus Läßing, der 18 Jahre lang zuerst für die SPD und dann für die Parteifreie Wählerschaft (PWU) im Unterföhringer Rathaus die Geschäfte führte, und zeigt Richtung Süden. "Die Anlage beeinflusst das Kleinklima bei uns nachteilig."

Läßing ist ein erklärter Gegner der Kohleverfeuerung in Block 2 des Heizkraftwerks mit seinen drei weithin sichtbaren Türmen, das die Stadtwerke München (SWM) betreiben und das auf Unterföhringer Flur steht. Die Anlage ist aber nicht nur ihm ein Dorn im Auge, Lokalpolitiker aller Couleur und viele Bürger aus Unterföhring und Umgebung stören sich an dem Riesen-Stinker, wie sie das Heizkraftwerk nennen.

Die Hoffnungen ruhen auf dem 5. November

800 000 Tonnen Steinkohle werden jedes Jahr in der Anlage München-Nord verfeuert, das sind etwa 110 Tonnen pro Stunde. Dabei gelangen durch die Schlote des Kraftwerks jährlich circa 1,7 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft, das ist mehr als durch den gesamten Verkehr des Mittleren Rings. Einen Gutteil der Belastung, etwa durch Staubemission, bekommen die Kommunen im nördlichen Landkreis München ab, was diese schon seit langem lauthals beklagen.

Unterföhring, Ismaning, Aschheim und die nördlichen Stadtbezirke von München hoffen nun auf den 5. November. Am letzten Sonntag in den Herbstferien sind die Münchner Wähler aufgerufen, bei einem Bürgerentscheid über die Abschaltung des Kohleblocks bis zum Jahr 2022 abzustimmen.

Weil das Heizkraftwerk den Stadtwerken und damit den Münchnern gehört, dürfen die Landkreisbürger am Votum nicht teilnehmen - und können nur an die Bürger appellieren, zur Wahl zu gehen. "Umwelt- und Klimaschutz macht nicht an der nördlichen Stadtgrenze halt", sagt Unterföhrings amtierender Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (PWU) und bittet die Münchner offen darum, das Kreuz für ein rasches Ende der Kohleverfeuerung im Heizkraftwerk Nord zu machen. Rund 60 Bürgerinitiativen fordern die Abschaltung des Kohleblocks, die Mehrheit im Münchner Rathaus jedoch ist dagegen.

Es ist gar nicht so lange her, da hat sich eine Mehrheit der Münchner Wähler schon einmal quasi als Protest-Exekutive für Menschen außerhalb der Stadtgrenze erwiesen: Am 17. Juni 2012 wurde den Plänen zum Bau der umstrittenen milliardenschweren dritten Startbahn am Flughafen bei einem Bürgerentscheid eine Absage erteilt - überraschend deutlich mit 54,3 Prozent. In den Landkreisen Freising und Erding, die vom Ausbau des Airports betroffen wären, hält die Freude über das Münchner Votum bis heute an.

"Das sollen sie nun ruhig noch einmal tun", sagt denn auch Altbürgermeister Läßing und fügt hinzu, "dass die Münchner das ja nicht für uns machen, sondern für sich selbst". Die Belastung durch die Verbrennung von Steinkohle sei enorm, von den Folgen für Klima und Umwelt ganz zu schweigen, beklagt Läßing.

"Die SWM sind bei der Geothermie hinter dem Mond."

Er findet klare Worte für das Gebaren der Stadtwerke München, die eindringlich vor einer Abschaltung des Kohleblocks warnen: "Unterföhring ist ein rein kommerziell arbeitendes Kraftwerk zur Verbesserung der städtischen Finanzen."

Die Argumentation von Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und den Stadtwerken, nach einem gewonnenen Bürgerentscheid "würden die Lichter ausgehen", hält der ehemalige Unterföhringer Bürgermeister für leicht durchschaubar: "Die SWM sind bei der Geothermie hinter dem Mond", sagt Läßing und verweist wie auch sein Nachfolger Kemmelmeyer darauf, dass die Stadtrandgemeinde bislang 60 Millionen Euro in den Ausbau der Geothermie investiert hat. "Von 2020 an kann Unterföhring autark sein", versichert der aktuelle Rathauschef nicht ohne Stolz.

Das Münchner Rathaus und die Stadtwerke gehen davon aus, dass der Kohleblock ohne Bürgerentscheid bis 2027 oder 2029 laufen würde. Eine Abschaltung innerhalb von vier Jahren, wie im Bürgerentscheid formuliert, würde die Versorgungssicherheit gefährden.

Bürgermeister Kemmelmeyer und der Unterföhringer Ingenieur Wolfgang Stubenrauch, der sich seit Jahren mit dem Kohleblock im Heizkraftwerk München-Nord beschäftigt und zusammen mit dem Grünen-Gemeinderat Johannes Mecke in dem am Ort gegründeten Aktionsbündnis arbeitet, halten es für möglich, den Kohlemeiler durch ein modernes Gaskraftwerk zu ersetzen. Die Stadtwerke räumen zwar ein, dass dies technisch möglich sei, allerdings sei es nicht machbar, ein komplett neues Kraftwerk in dieser kurzen Zeit zu planen, zu genehmigen und bauen zu lassen.

Stubenrauch und Kemmelmeyer widersprechen: Seit 2011 lägen Pläne in der Schublade, die eine Umstellung auf Gas zum Inhalt hätten - mit einem Zeitfenster von fünf Jahren. Die Gemeinde Unterföhring werde dem Nachbarn München keine Steine in den Weg legen, kündigt der Bürgermeister an. "Wir tun, was wir können, da hat die Stadt unsere volle Unterstützung." Schließlich gehe es um eine Verbesserung der Lebensqualität am Ort und auch in den nördlichen Stadtvierteln, sagt Kemmelmeyer. Und diese sei zwingend mit der Abschaltung des Kohleblocks verbunden. Stubenrauch ist sich sicher, dass die Stadtwerke eine Umstellung auf Gas zügig hinbekommen könnten, "wenn sie denn wollten". Beim Heizkraftwerk Süd sei es vor Jahren schließlich auch gegangen.

Dass es "klappen kann" am 5. November, sage ihr "das Bauchgefühl", schildert Angelika Pilz-Strasser, die Vorsitzende des Bezirksausschusses Bogenhausen. Das Gremium ist für die Abschaltung von Block 2. Sie geht fest davon aus, dass zumindest im Stadtbezirk 13 die Bevölkerung alarmiert sei - und viele zur Wahl gehen. "Wenn man etwas sieht, ist man sensibilisiert", weiß die Grünen-Politikerin. Die Rauchschwaden des Heizkraftwerks München-Nord verdunkeln schließlich auch den Menschen in Denning, Englschalking, Johanneskirchen und Oberföhring so manches Mal die Sonne. Würde der Bürgerentscheid durchgehen, dann könnte es also nicht nur in Unterföhring an Schönwetter-Tagen wieder heller werden.

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