Halbzeit im Rathaus Aschheim:Wenig Schwein gehabt

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Mit Thomas Glashauser zog nach 30 Jahren unter Helmut Englmann frischer Wind ins Aschheimer Rathaus ein. Doch nach dem gescheiterten Schlachthof-Projekt muss der 42-Jährige bei den Bürgern Vertrauen zurückgewinnen.

Von Irmengard Gnau, Aschheim

Ausgerechnet die Eschen mussten fallen. Man konnte förmlich spüren, wie dem gelernten Gartenbauingenieur Thomas Glashauser, seit 2014 für die CSU Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Aschheim, das Herz blutete, als er im Februar den Bürgern verkünden musste, dass ein Großteil des viel genutzten Gemeindewalds ein Opfer der Säge werden würde. Ein Pilz, der zum Sterben der Triebe führt, hatte die namensgebenden Bäume des Ortes befallen; der Borkenkäfer tat am anderen Ende des Waldes sein Übriges. Mehr als fünf Hektar waren am Ende auszulichten. Da wurde selbst Glashauser, der sonst eher eine knappe und fokussierte Art pflegt, kurz sentimental. Es gibt schönere Aufgaben für einen Bürgermeister.

Dass auch unangenehme zum Amt dazugehören, diese Erfahrung musste Glashauser im vergangenen Jahr häufiger machen. Zu Beginn seiner Amtszeit konnte er sich mit seiner pragmatischen Art einigen Respekt erarbeiten. Einige lange diskutierte Projekte wurden endlich umgesetzt, das Dornacher Bürgerhaus etwa erstrahlt nach langen Jahren der Planung und Umbauten seit Dezember in neuem Glanz. Auf dem Platz vor dem Bürgerhaus gibt es freies Wlan.

Online präsentiert sich die Gemeinde Bürgern und Besuchern von außerhalb inzwischen auf einer eleganten, benutzerfreundlichen Website, auch eine App für Smartphone-Nutzer gibt es. Das bewährte Ortsnachrichtenblatt auf Papier hat Glashauser dabei beibehalten, ganz getreu seinem Prinzip, Tradition und Modernes möglichst behutsam zusammenzubringen.

Auch im Gemeinderat zog mit Glashausers Amtsantritt eine neue Arbeitsweise ein. Und das obgleich die CSU mitsamt dem Bürgermeister mit elf Sitzen immer noch die Mehrheit hält. "Das Arbeitsklima und die Gesprächsführung im Gremium haben sich grundlegend geändert. Unter Englmann gab es eigentlich keine Zusammenarbeit, nur ein wir und die", sagt etwa Ingrid Lenz-Aktas, Gemeinde- und Kreisrätin von der SPD. Nun werde "konstruktive Sacharbeit gemacht", wie es sich für ein solches Gremium gehört. Das zeigt sich einerseits in wesentlich strafferen Sitzungen; ein Bauausschusstreffen mit zehn Tagesordnungspunkten kann Glashauser schon einmal in einer halben Stunde durchbringen. Andererseits aber auch im gemeinsamen Anpacken wichtiger Themen.

Glashauser wurde von einigen Ereignisse überrumpelt

Als es zum Beispiel um die Unterbringung von Asylbewerbern im Ort ging - ein Thema, bei dem sich Kommunalpolitiker selten bei den Bürgern beliebt machen -, stellte sich der Gemeinderat meist einstimmig auf. Auch innerhalb der CSU sei die Zusammenarbeit viel kollegialer und teamorientierter geworden, sagt deren Fraktionsvorsitzender Rolf Dettweiler.

Unbesehen seines für einen Rathauschef jungen Alters von 42 Jahren hat Glashauser viel kommunalpolitische Erfahrung vorzuweisen. Seit er 21 Jahre alt ist, sitzt er im Gemeinderat; vor seiner Kandidatur als Erster Bürgermeister war er unter seinem Vorgänger und Parteikollegen Englmann bereits Zweiter Bürgermeister. Seit der Amtsübernahme vermittelt Glashauser stets den Eindruck, ein Ziel und einen Plan zu haben. Doch im vergangenen Jahr wurde der Rathauschef, so schien es, von einigen Ereignissen überrumpelt, allem voran beim Schlachthof.

Klischee-Check

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(Foto: Claus Schunk)

Trachtentauglichkeit: Ausgeprägt, auch wenn er meist sportlich-elegant im Hemd mit Sakko auftritt. In voller Tracht zuletzt zu sehen bei einer Auszeichnung der griechischen Partnergemeinde auf Leros. Anzapfkompetenz: Sehr solide. Selbstdarstellerqualität: Zeigt Präsenz, steht aber nicht so stark im Mittelpunkt wie sein Vorgänger. Vereinsmeierquote: Ist der katholischen Kirche als ehemaliger Oberministrant und Pfarrgemeinderat eng verbunden. Ehemals Spieler und Jugendtrainer des FC Aschheim. Stammtischpräsenz: Als gebürtiger Aschheimer ist er gut vernetzt im Ort.

Bei den Verhandlungen mit den teils internationalen Geschäftsleuten machten die Gemeindeverantwortlichen keine sonderlich glückliche Figur. Auch der heftige Protest von Bürgerseite, der sich erhob als das Projekt bekannt wurde, schien viele der Kommunalpolitiker regelrecht zu überfordern. "Den Schlachthof haben wir falsch eingeschätzt", sagt Dettweiler heute. Dass CSU und SPD dem Bürgerbegehren gegen den Schlachthof vereint ein eigenes Ratsbegehren entgegenstellten, nehmen ihnen viele Bürger bis heute übel. Sie interpretierten dieses Vorgehen als Winkelzug, um das lange nichtöffentlich verhandelte Projekt noch politisch durchzudrücken. Man wollte vielmehr die Entscheidung auf eine breite demokratische Basis stellen, beteuerten dagegen die Parteisprecher.

Es wird mehr Transparenz gefordert

Doch der Schlachthof hat einen schlechten Nachgeschmack hinterlassen. Zwar wachsen die Gräben im Gemeinderat, wo sich die Freien Wähler demonstrativ auf Seiten der protestierenden Bürger gestellt hatten, langsam wieder zu. Doch innerhalb der Bürgerschaft ist viel Vertrauen zerbrochen, das Glashauser nun erst wieder zurückgewinnen muss. Das dürfte nicht einfach werden. Das Interesse an der Arbeit des Gemeinderats ist seit dem Bürgerentscheid sichtlich gewachsen; das ist die positive Seite der Medaille.

Doch viele der Sitzungsbesucher erwecken den Eindruck, dass sie nun vor allem kommen, um den Kommunalpolitikern auf die Finger zu schauen. Sabine Freser-Specht etwa, eine der Sprecherinnen der Schlachthofproteste, sagt, es mache auf sie teilweise den Eindruck, als ob dem Gemeinderat die große Strategie fehle. Angesichts des zunehmenden Siedlungsdrucks auf die Region sieht sie die Gefahr, "dass man nur noch reagiert und nicht mehr agiert".

Nach den Erfahrungen des vergangenen Jahres fordert sie mehr Transparenz bei den gemeindlichen Entscheidungen. Etwa Dokumente aus öffentlichen Sitzungen im Vorfeld nicht bereitzustellen, sei nicht mehr zeitgemäß. Auch Robert Ertl, Fraktionssprecher der Freien Wähler im Gemeinderat, setzt sich für mehr Transparenz ein. Bislang scheiterten entsprechende Anträge im Gemeinderat zwar; als ersten kleinen Schritt darf man werten, dass Beschlussvorschläge inzwischen für Zuschauer sichtbar an die Wand des Sitzungssaals projiziert werden.

Bürgermeister konzentriert sich auf die Ansiedlung neuer Unternehmen

Besonders intensiv werden sich Glashauser und sein Gemeinderat mit der Frage des Geldes beschäftigen müssen. Zahlreiche Projekte stehen an, von der Renovierung der Keltengrundschule bis zum Wohnbau, um der steten Nachfrage Herr zu werden. Mit der Entscheidung für einen Gymnasialbau auf Aschheimer Flur ist Glashauser ein kleiner Coup für den Ort gelungen - doch auch der will finanziert sein. Mittelfristig wird das nicht ohne Schulden zu machen sein, rechnet Lenz-Aktas.

Der Bürgermeister konzentriert sich aus diesem Grund - neben kreativen Vorschlägen wie der Einführung einer Bettensteuer - vor allem auf die Ansiedlung neuer Unternehmen, um Gewerbesteuereinnahmen zu erzielen. Neue Gewerbegebiete ausweisen will Glashauser explizit nicht, er hat in erster Linie den Leerstand in den vorhandenen Flächen Dornach im Blick; ein Drittel ist hier ungenutzt. Das Marketing für Dornach treibt der Bürgermeister voran; aktuell gebe es mehrere größere Interessenten, mit denen man in Gesprächen sei, kündigte er bei der Bürgerversammlung an. Die Auswahl, dessen kann sich der Rathauschef sicher sein, wird von einigen mit Argusaugen beobachtet werden.

Von seinem Kurs lässt sich Glashauser dadurch nicht abbringen. Er verfolgt weiter seine Ziele mit dem Gemeinderat. Auch Freie-Wähler-Sprecher Ertl sagt: "Ich glaube, dass wir alle eigentlich dasselbe wollen - aber teils uneinig sind über den Weg."

© SZ vom 12.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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