Häusliche Gewalt:Neu-Orientierung

Häusliche Gewalt: Männer sollen sich in der Beratungsstelle austauschen können, um auch wieder Orientierung zu bekommen.

Männer sollen sich in der Beratungsstelle austauschen können, um auch wieder Orientierung zu bekommen.

(Foto: Imago)

Der Landkreis will die Männerberatung personell aufstocken. Sie soll auch Anlaufstelle für Opfer sein, die von ihrer Partnerin misshandelt wurden. Der Bedarf ist da, wie die Fallzahlen zeigen

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Der Landkreis will die Männerberatung (MILK) erweitern und künftig auch Männern Hilfe anbieten, die selbst Opfer häuslicher Gewalt geworden sind. Zudem soll das Aufgabenspektrum der Fachstelle auch um präventive Angebote für Männer, die körperliche, psychische oder sexuelle Gewalt gegenüber ehemaligen oder aktuellen Partnerinnen ausgeübt oder angedroht haben, erweitert werden und mehr in die Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit investiert werden. Der Kreisausschuss des Kreistags wird an diesem Montag von 14 Uhr an über eine personelle und finanzielle Aufstockung des Projekts MILK beraten.

Hintergrund sind - wie auch bei der Interventionsstelle ILM für Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt worden sind - steigende Fallzahlen im Bereich der Männerberatung, die im Januar 2016 in Zusammenarbeit mit dem Verein Brücke Erding ihre Arbeit aufgenommen hat. Im ersten Jahr des Bestehens von MILK beriet der eigens eingestellte Sozialpädagoge Thomas Bahr an 46 Tagen 21 Klienten. Davon wurden neun per richterlicher Anweisung an die Männerberatung verwiesen; zwölf waren sogenannte Selbstmelder, kamen also freiwillig oder auf Anraten etwa der Jugend- und Familienhilfe. Im laufenden Kalenderjahr stand Thomas Bahr bereits an 59 Tagen für Beratungen zur Verfügung und absolvierte dabei weit mehr als hundert Einzelgespräche. Die Zahl der Männer, die bei ihm Hilfe suchen, steigt also deutlich an. Dies liegt freilich auch daran, dass der Landkreis das Angebot für das Jahr 2017 von einem auf zwei Beratungstage erhöht hat.

Allerdings, das macht die Verwaltung im Landratsamt deutlich, seien die Hürden, bei MILK Hilfe zu suchen, für Männer nach wie vor sehr hoch. Das bisherige Angebot ist bislang ausschließlich auf Gewaltberatung beschränkt. Dies, so die Argumentation der Verwaltung, stelle für viele Männer eine klare "Zugangshürde" dar, da Männer die Zusammenarbeit mit MILK als "Tateingeständnis erleben" würden, "selbst aber häufig noch eine Verantwortung ablehnen".

Daher soll MILK künftig auf eine deutlich breitere Basis gestellt werden und als allgemeine Männerberatung fungieren. Durch diese allgemeinere Fassung würde eine vorherbestimmte Stigmatisierung wegfallen und Männer könnten "die Entwicklung der Verantwortungsübernahme für Gewalt" als "ein erstes Beratungsziel" empfinden. Thomas Bahr von MILK lässt verlauten, er stelle bei vielen Männern "sehr viel Unsicherheit, Überforderung, aber auch Einsamkeit" fest. Dies sei unter anderem auf ein "verändertes Rollenbild in der Gesellschaft" zurückzuführen; während sich Frauen eher untereinander austauschten, sprächen Männer seltener miteinander. Umso wichtiger, sagt Bahr, sei daher die Möglichkeit, sich bei MILK Rat suchen, sich mit einem Mann austauschen zu können und dadurch auch wieder Orientierung zu bekommen.

Die Kapazitäten des Projektes, das an der Münchner Frankenthaler Straße untergebracht ist, seien allerdings erschöpft, lässt die Verwaltung im Landratsamt verlauten. Auch im Hinblick auf die mögliche Einbeziehung von Opfern häuslicher Gewalt sei eine personelle Aufstockung erforderlich. Es gab bereits Versuche, diese Männer bei der Interventionsstelle für Frauen zu integrieren, allerdings habe sich dies als nicht praktikabel erwiesen. Täter gaben sich als Opfer aus, um ihre Frauen, die bei ILM Hilfe suchten, auszuspionieren.

Geplant ist nun die männlichen Opfer häuslicher Gewalt bei MILK zu betreuen. Der Bedarf sei vorhanden, lässt das Landratsamt wissen und verweist auf Zahlen des Bundeskriminalamtes, die - bundesweit - von 2012 bis 2015 einen sprunghaften Anstieg der Fallzahlen von etwa 19 971 auf mehr als 23 000 belegen. Allerdings nur sogenannte Hellfeld-Daten, also Daten die offiziell bekannt sind.

Auch nach Rücksprache mit dem Verein Brücke Erding erachtet das Landratsamt die Ausweitung des Angebots bei MILK von derzeit 16 Stunden in der Woche auf 1,5 Vollzeitstellen von Januar 2018 an als sinnvoll und gegeben. Neben der Ausweitung auf die allgemeine Männerberatung, konzipiert die Brücke Erding, sei es dann auch möglich, Gruppen unter der Leitung von zwei Fachkräften anzubieten. Darüber hinaus werde die Beratungsqualität durch "gegenseitige Intervision und kollegiale Beratung bei schwierigen Fallkonstellationen" erhöht. Die Ausweitung des Programms, rechnet die Verwaltung im Landratsamt vor, würde mehr als 100 000 Euro Kosten, der Betrieb soll zunächst auf drei Jahre befristet werden. Das Wort haben nun die Kreisräte.

Den größten Raum wird aber auch nach der Neustrukturierung die "fachlich fundierte Gewaltberatung" einnehmen, die nach zunächst getrennt geschlechtsspezifischer Beratung und im positiven Verlauf gemeinsamen Elterngesprächen in einvernehmlichen Umgangsregeln nach Trennung oder Scheidung münden soll.

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