Haar:Wüste mit Wasserrutsche

Das Hüttenbauen am Wieselweg in Haar steht dieses Jahr unter dem Motto "SaHAARa". 220 Kinder bauen, sägen und hämmern und dürfen am Ende der Woche sogar in ihrem Haus übernachten

Von Julia Weller, Haar

Die Sonne brennt erbarmungslos auf die afrikanische Wüste hinab, eine Gruppe durstiger Kinder drängt sich sehnsüchtig um die einzige Wasserquelle. Wären da nicht Wiese und Wald, man könnte sich wirklich auf einem fernen Kontinent wähnen. Die afrikanische Sahara liegt diese Woche in Haar.

220 Kinder sägen, hämmern und zimmern auf dem Abenteuerspielplatz am Wieselweg ein Dorf aus 38 Hütten. "Ich brauche die Action, die Natur und das Bauen", erzählt die elfjährige Kim, die dieses Jahr schon zum fünften Mal am Ferienprogramm der Jugendzentren Dino, Boni und Route 66 teilnimmt. Sie hat diesmal ihre Freundinnen Lilly und Michelle mitgebracht, zusammen wollen die drei eine ganz besondere Hütte bauen: "Sie soll rausstechen, damit man sieht, wie viel Mühe wir uns gegeben haben."

Fünf Stunden nach Baubeginn stehen bei den meisten Gruppen schon Eckpfeiler und erste Wände. Teamleiter Tobias Gläser ist zuversichtlich, dass bis Mittwochnachmittag alle Gebäude fertig sein werden - und das, obwohl es im Gegensatz zu anderen deutschen Großbauprojekten weder einen Bebauungsplan noch ein gewaltiges Budget gibt. "Wir haben Holz für 1500 Euro eingekauft, das zahlt die Gemeinde", sagt Gläser. Die Teilnahme sei für alle Kinder kostenlos, nicht einmal eine Anmeldung sei nötig. "Eigentlich hatten wir uns auf 180 Kinder eingestellt, heute sind ein bisschen mehr gekommen. Aber wir haben noch nie jemanden wieder nach Hause geschickt."

Haar: Professionell ausgerüstet feilen die Kinder und Jugendlichen, hier Marlene, an ihrem eigenen Konzept für ihre Traumvilla.

Professionell ausgerüstet feilen die Kinder und Jugendlichen, hier Marlene, an ihrem eigenen Konzept für ihre Traumvilla.

(Foto: Claus Schunk)

In Haar werden schon seit 35 Jahren in den Sommerferien Hütten gebaut, und genauso lange ist Gläser dabei. "Ursprünglich hatten unsere drei Zentren nur Angebote für Jugendliche. Wir wollten aber auch mal etwas für die Schulkinder machen. Also haben wir überlegt, was denen Spaß macht: Hämmern und Sägen."

Tobias Gläser, von den Kindern einfach Tobi genannt, ist die gute Seele des Abenteuerspielplatzes. Wenn es den Kindern zu heiß wird, stellt er eine Gartendusche auf. Braucht jemand Hilfe beim Hämmern, dann packt er selbst mit an. Und wer sich verletzt, der ruft nach Tobi - bisher musste der allerdings nur Bienenstiche versorgen. Der Umgang mit Sägen und Nägeln gelingt den jungen Baumeistern unfallfrei.

Sechs haupt- und 22 ehrenamtliche Helfer unterstützen die Teilnehmer. "Wir sollen ihnen nur die grobe Richtung zeigen, statt selbst mitzubauen", sagt Sirwan. Der Sechzehnjährige hat gerade die Schule beendet und nutzt seine Freizeit jetzt als Betreuer beim Hüttenbau. Momentan beobachtet er Martin und Fabio, beide 12 Jahre alt, die schon einen langen Zaun um ihren Baugrund gezogen haben. Sie machten Arbeitsteilung, sagen die beiden, einer hole Holz und der andere hämmere. Etwas ruhiger geht es auf dem benachbarten Grundstück zu: Dort überlegen Patricia, Christina und Johanna, wo sie die Fenster einbauen sollen. Gian, Nick und Simon diskutieren nebenan, welche Möbelstücke sie basteln könnten. "Wir brauchen unbedingt Bänke und Tische", sagt Gian, 10, der das Bauen schon in den drei Vorjahren gelernt hat. Natürlich wolle jeder die schönste Hütte haben, aber ein Wettbewerb sei der Bau nicht. "Am Ende kommt eine Plane obendrauf", sagt Patricia. Die sei besonders wichtig, weil am letzten Abend nach der großen Familienfeier in den Hütten übernachtet werden darf. "Aber die meisten bleiben sowieso die ganze Nacht wach," sagt die Neunjährige, die schon öfter teilgenommen hat. In der Sahara sei es eben einfach zu heiß zum Schlafen.

Haar: Architekten bei der Arbeit: Die Kinder sind sehr ehrgeizig. Alle wollen das schönste Haus haben.

Architekten bei der Arbeit: Die Kinder sind sehr ehrgeizig. Alle wollen das schönste Haus haben.

(Foto: Claus Schunk)

Zum Flohmarkt und zum Familienfest sind am Freitag, 7. August, von 9 Uhr an alle Interessierten herzlich eingeladen. "Das ist für einen guten Zweck", sagt Christina, 9, die auch selbst etwas verkaufen möchte, "der Erlös geht dann an die Flüchtlinge oder die Erdbebenopfer von Nepal." Wohin genau, das müsse sich erst zeigen, sagt Gläser, "vielleicht können wir das auch aufteilen." Bis zur Vorführung am Freitagabend gebe es aber noch viel zu tun: Orientalische Schleiertänze seien einzuüben, außerdem sei eine Wasserrutsche in Planung. "Und wenn es noch ein wenig heißer wird, dann machen wir eben die Ice-Bucket-Challenge", scherzt Gläser. Das Wetter spielt jedenfalls mit und verwandelt den Abenteuerspielplatz für ein paar Tage in eine wahre Wüstenlandschaft. Und was gefällt den Kindern besser, Sahara oder Haar? "Das hier", antwortet Patricia sofort, "denn hier gibt es eine kalte Dusche."

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