Haar und Trudering:Kehraus am Stadtrand

München, Trudering, Gewerbegebiet Rappenweg, Foto: Angelika Bardehle

Wilder Münchner Osten: Weil das Gewerbegebiet am Rappenweg direkt an Gronsdorf angrenzt, ist man dort an geordneten Verhältnissen interessiert.

(Foto: Angelika Bardehle)

Der Schandfleck am Rappenweg zwischen Haar und Trudering soll verschwinden: Der Münchner Stadtrat ebnet den Weg für einen Grundstückstausch in dem wild gewachsenen Gewerbegebiet.

Von Bernhard Lohr und Renate Winkler-Schlang, Haar/Trudering

Der Bau einer Straßenverbindung nördlich der Bahnstrecke von Trudering nach Haar-Gronsdorf rückt in greifbare Nähe. Der Münchner Stadtrat hat das alte Truderinger Rathaus zum Tausch freigegeben, um Zugriff auf das letzte Grundstück am Rappenweg zu bekommen, das für den Bau der Straße noch benötigt wird.

Damit sieht alles danach aus, dass der Jahrzehnte währende Streit um eine geordnete bauliche Entwicklung an der Schnittstelle der Landeshauptstadt und der Gemeinde Haar in Gronsdorf ein versöhnliches Ende findet. In Haar freilich ist das mit Hoffnungen und Befürchtungen gleichermaßen verbunden.

OB Dieter Reiter schaltete sich persönlich ein

Der Tausch von Rathaus gegen Grundstück dürfte noch eine Formsache sein. Der Bau der Straße ist keineswegs beschlossene Sache. Doch genau aus dem Grund, weil es diese Straße geben soll, hat sich Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) vergangenes Jahr in die bereits als gescheitert geltenden Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern eingeschaltet und den Gesprächen, wie es scheint, am Ende zum Erfolg verholfen.

Die Straße von der Schwablhofstraße in Trudering nach Gronsdorf ist für die Stadt München essenziell. Die Stadt besitzt in Gronsdorf ein 13 Hektar großes Grundstück, das nur so für Wohnungsbau erschlossen werden kann. Für Haar bedeutet das im Gegenzug Verdichtung, Neubürger und zusätzlichen Verkehr. Denn jetzt ist auch die sogenannte Nordtangente wieder im Gespräch, also die Option, diese Straße von Trudering über Gronsdorf bis nach Eglfing weiterzuführen.

Der Schandfleck soll endlich verschwinden

Haars Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) begrüßt zunächst einmal die Entwicklung. OB Reiter habe damit sein Versprechen umgesetzt. Mit diesem ersten Schritt eröffneten sich Möglichkeiten, den "Schandfleck" des seit gut 60 Jahren wild gewachsenen Gewerbegebiets am Rappenweg in Trudering zu beseitigen. Durch den Grundstückstausch werde das dort genehmigte gewerbliche Bauvorhaben angrenzend an Gronsdorf verhindert. Dieses hätte eine zusätzliche, schwer zu bewältigende Verkehrsbelastung für die Herzogstandstraße und für Gronsdorf-Kolonie gebracht, sagt Müller.

Auf weitere Sicht werde der Straßen- und Wohnungsbau die städtebauliche Entwicklung Haars "in eine neue Dimension" führen. Den Weg dorthin werde die Gemeinde über ein Modell der informellen Bürgerbeteiligung gemeinsam mit den Anwohnern gehen. "So ein Vorhaben braucht eine breite Akzeptanz."

Dass Befürchtungen vor zunehmendem Verkehr in der Bürgerschaft da sind, ist schwer anzunehmen. So etwa im Wohngebiet an der Keferloher Straße, oder in Eglfing. Ganz neue Schleichwege könnten sich über eine Nordtangente auftun. CSU-Fraktionschef Dietrich Keymer sieht aber zunächst Vorteile. Er beurteilt die Fortschritte am Rappenweg "uneingeschränkt positiv" und lobt, wie Müller, die Möglichkeit, das Gewerbegebiet endlich zu ordnen. Das Engagement von OB Reiter steht nach Keymers Ansicht für ein neues Verhältnis zwischen Stadt und Umland.

Es mache Hoffnung auf eine Kooperation auch beim geplanten Schulcampus, den die CSU nebenbei gestärkt sieht. Keymers Ansicht nach gibt es jetzt zudem "Potenzial für die weitere Entwicklung von Haar". Eine neue Achse Richtung Westen könne beim Wohnungsbau aufgemacht werden, sollte die Nordtangente kommen.

SPD-Fraktionschef Zill warnt vor Folgen des Wohnungsbaus

SPD-Fraktionschef Alexander Zill hält die Nordtangente bis Eglfing noch für "Zukunftsmusik". Die SPD wolle nichts forcieren oder blockieren, sagt er. "Wir machen uns nur darüber Gedanken, wie Pläne und Ideen umgesetzt werden können, ohne dass ein Großteil der Haarer Bevölkerung darunter leiden muss." Der Individualverkehr sei ein zunehmendes Problem. "Die Neuerschließung von Wohn- oder Baugebieten ohne eine kritische Würdigung der Infrastruktur wäre sträflich."

Grünen-Gemeinderat Werner Kozlik ist angesichts der sich auftuenden Optionen "zwiegespalten". Einerseits biete sich die Chance, günstigen Wohnraum zu schaffen. Aber der Siedlungsdruck bringe mehr Verkehr. Im Haarer Rathaus sei zwar die Erwartung, dass die Nordtangente keine neue Durchgangsstraße werde, sagt er. Existierende Vorpläne sähen deshalb eine einspurige, nicht zu sehr ausgebaute Straße vor. Dennoch: Verkehrsströme seien schwer zu steuern. Auch in Trudering gebe es Bedenken, sagt Kozlik, die Kreuzung der Schwablhofstraße auf die B 304 könne ein Nadelöhr werden. Er plädiert deshalb für alternative Verkehrskonzepte: Fahrradschnellwege etwa und einen Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs.

Sollte München den Weg für eine Straße freimachen, kann sich Haar Bürgermeisterin Müller zufolge an die Arbeit machen. Sie erwarte langwierige Verhandlungen mit den größtenteils privaten Grundstückseigentümern, sagt sie. "Die Umsetzung wird nicht heute oder morgen passieren."

Der Abriss des alten Truderinger Rathauses steht wohl an

Und in Trudering: Dort wird spekuliert, was die wohl bald neuen Eigentümer mit dem ehemaligen Rathaus machen werden. Ein Vertreter der Familie, die, ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, versichert, das nicht denkmalgeschützte Gebäude in der Truderinger Straße 288 abreißen lassen zu wollen. Mit einem Neubau solle der zentrumsnahe Bereich belebt werden. Aber auch das wird erst einmal dauern.

Erst einmal sei der Grundsatzbeschluss gefasst, sagt der Familiensprecher, jetzt müsse konkret verhandelt werden. Klar sei, dass die Stadt am Rappenweg von ihm eine leere Fläche bekomme, so der Sprecher. Auch er habe sich ausbedungen, ein leer geräumtes Gebäude zu erhalten.

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