Haar/ München:Angst vor dem letzten Vorhang

Dem Jungen Schauspiel Ensemble München droht das Ende

Von Udo Watter, Haar/ München

Die neue Büro-Adresse korrespondiert nicht mehr mit der nominellen Heimat der Institution: Das Junge Schauspiel Ensemble München, das im Jahr 2004 im Anschluss an die Uraufführung des Stücks "Die Weiße Rose - Aus den Archiven des Terrors" in der Münchner Reithalle gegründet wurde, residiert seit kurzem im Voralpenland. Oder besser gesagt: Michael Stacheder, Gründer, Geschäftsführer und Spiritus Rector des Jungen Schauspiel Ensembles München (JSEM) ist umgezogen, aus Sendling nach Bad Aibling im Landkreis Rosenheim, dorthin, wo er aufgewachsen ist und seine Familie lebt. "Das Büro in der Krüner Straße 51 ist bereits geräumt und nach Bad Aibling ausgelagert worden. Ich werde von dort aus so gut es geht das Ensemble weiter führen und die anstehenden Gastspiele im Herbst abwickeln", erklärt Stacheder.

Für ihn sind es aufwühlende, richtungsweisende, ja dramatische Zeiten, denn die Zukunft der freien Theatergruppe ist höchst gefährdet. Wie bereits berichtet stellt sich die finanzielle Situation äußerst heikel dar: Das JSEM, dessen Stammhaus seit sechs Jahren das Kleine Theater Haar ist und das dort etliche überregional beachtete Inszenierungen zeigte, drücken nach wie vor enorme Verbindlichkeiten. Bankkredite können nicht mehr bedient werden, auch Verpflichtungen wie Honorare, Tantiemen und Aufführungskosten können aktuell wohl nicht beglichen werden. Für Stacheder persönlich hat die Lage durchaus existenzielle Dimensionen. Der 35-jährige Regisseur hat viel privates Geld in das Unternehmen JSEM investiert. Das Ensemble, zu dessen Kreis neben Stacheder etwa zehn Schauspieler zählen sowie Bürokräfte, Techniker oder Dramaturgen, wird zwar jährlich von der Gemeinde Haar mit 50 000 Euro gefördert und der Bezirk Oberbayern schießt projektgebunden bis zu 15 000 Euro zu, aber das reicht nicht, um den Spielbetrieb mit allem Drum und Drang zu stemmen. Eine Neuproduktion allein koste 25 000 Euro. Das JSEM hat im Lauf seiner elf Jahre immer wieder mit finanziellen Problemen zu kämpfen gehabt, doch diesmal ist die Lage prekärer: Entscheidend für die Zuspitzung der Situation ist nicht zuletzt der Rückgang bei den Gastspielen. Mit den dadurch erzielen Einnahmen konnte man bisher oft Defizite kompensieren. Zwar sind für das Ensemble auch im Herbst wieder Gastspiele terminiert, aber das reicht nicht. "Eine Insolvenz kann nicht mehr ausgeschlossen werden", konstatiert Stacheder. "Spätestens Anfang September wird es sich zeigen, ob es für das Junge Schauspiel Ensemble München über die Spielzeit 2015/16 hinaus eine Zukunft gibt." Aufgeben will er nicht: "Ich hoffe sehr, dass ich es noch einmal schaffen werde. Falls nicht, fällt nach gut elf Jahren wertvoller Aufbauarbeit der letzte Vorhang für das Ensemble."

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