Haar:Geplatzte Träume

Bahnsteigzugang

Die Gemeinde musste sich von einigem verabschieden: Von der künstlerischen Gestaltung der Unterführung ebenso wie davon, dass der Umbau günstig werde. Simulation: Gemeinde Haar

Haar will sich nicht mit einem unansehnlichen Bahnhof abfinden. Doch die Gemeinde kann ihre Ideen nicht verwirklichen und muss jetzt noch Geld drauflegen. Alleine der Umbau der Treppe kostet eine Million Euro

Von Bernhard Lohr, Haar

Der Umbau der Bahnsteigzugänge in Haar kommt die Gemeinde teuer zu stehen. Das Rathaus erwartet, knapp eine Million Euro für den Bau einer neuen Treppe samt Überdachung am Südzugang hinlegen zu müssen. Bisher war von 575 000 Euro die Rede. Der Grund dafür liegt darin, dass Planer der Gemeinde die Komplexität der Baustelle unterschätzt haben. Die Deutsche Bahn AG rückte, wie es aus dem Rathaus heißt, erst spät und häppchenweise mit immer neuen Forderungen heraus. Die Bahn besteht als Betreiber des Bahnhofs darauf, dass der Betrieb ungestört weiter läuft. Nun muss die Baustelle aufwendig abgesichert werden, und es wird überwiegend nachts gearbeitet. Wegen des Baulärms will das Rathaus sogar einen Entschädigungsfonds für Anwohner einrichten. Kostenpunkt: 12 000 Euro.

Es ist mit Sicherheit das Verdrussthema Nummer eins im Haarer Rathaus. Und mancher dürfte sich heimlich schon öfter gefragt haben, ob man nicht besser die Finger davon gelassen hätte. Schließlich handelt es sich auch um eine Anlage der Bahntochter DB Station und Service AG. Die steht für den reibungslosen Betrieb am Bahnhof und auch dafür, dass der für die Bahnkunden einigermaßen ansprechend aussieht.

Doch weil man dort keinen Handlungsbedarf sah, rang sich die Gemeinde vor Jahren dazu durch, einen attraktiven Bahnhof auf eigene Rechnung zu schaffen. Daraus entwickelte sich zwischen Gemeinde und Deutscher Bahn AG ein Gerangel um Zuständigkeiten und zu entwidmenden Grundstücken, begleitet von Debatten über technische Notwendigkeiten. Soeben erst verabschiedete sich die Gemeinde von der Idee, die Wände des Bahnsteigzugangs mit von hinten illuminierten Glaselementen der Künstlerin Gabriele von Ende-Pichler zu gestalten. Schön, aber nicht umsetzbar - so das Verdikt der Bahnvertreter. Träume platzten, die über Jahre verfolgt worden waren. Nun soll ein Kunstwettbewerb eine umsetzbare Lösung bringen.

Weniger künstlerisch als technisch anspruchsvoll gestaltet sich die Aufgabe, den Zugang zur Bahnsteigunterführung vom Bahnhofsplatz aus neu zu konzipieren. Die Gemeinde strebt eine Öffnung zum Bahnhofsplatz hin und ein ansprechendes Entree an. Die Treppe soll auf halber Höhe verschwenkt werden und zum Platz hochführen. Bereits am 12. Januar 2010 beschloss der Bauausschuss des Gemeinderats entsprechende Pläne. Wer damals dachte, ein wichtiges Projekt auf den Weg gebracht zu haben, der hatte sich getäuscht.

Denn es folgte erst ein Planungsmarathon. In Zuge einer Machbarkeitsstudie schätzten Planer 2013, dass der Treppenaufgang samt Überdachung etwa 575 000 Euro kosten würde. Das Büro Breitenbücher & Hirschbeck, das nach Aussage der Gemeinde über Erfahrungen im Umgang mit der Bahn verfügt, brachte das Vorhaben bis zur Entwurfsplanung voran. Aus dem Büro selbst war keine Auskunft zu bekommen. Rathaus-Sprecherin Ute Dechent aber berichtete, dass dessen Vertreter über immer wieder neue, überraschende und kostenträchtige Forderungen der Bahn geklagt hätten. So sei erst spät auf den Tisch gekommen, dass eine für die Bahnkommunikation entlang der Strecke München-Rosenheim wichtige Telefonleitung im Treppenbereich verlaufe, die auf keinen Fall unterbrochen werden dürfe. Deshalb werde dort nun mit aller Vorsicht gegraben, was teuer und zeitraubend sei. Ende vergangenen Jahres bekam die DB Station & Service von der Gemeinde dann die Entwurfsplanung zur abschließenden Billigung auf den Tisch. Dabei wurde wieder manches angemerkt, aber bei den Kosten kam angeblich nichts mehr oben drauf. Ein DB-Sprecher kündigte auf Anfrage für die nächsten Tage eine Stellungnahme zu den Umständen der Kostenmehrungen an.

Im August könnte der Treppenumbau beginnen. Fünf Monate soll der dauern. Um den Zugang für Bahnkunden zu sichern, muss ein provisorischer Treppenlauf geschaffen werden, den ein Kran in die Unterführung nach Abschluss der Arbeiten jeweils einhebt. Weil nachts gearbeitet wird, ließ die Gemeinde eine Baulärmprognose erstellen, mit dem Ergebnis, dass bei aller Mühe die Anwohner viel auszuhalten haben werden. Arbeiter werden mit Presslufthämmern in vier oder fünf Nächten in jeweils bis zu fünf Stunden die Treppenwände und die Bodenplatte abreißen. Weil Grenzwerte überschritten werden, wird ein "Ausgleichsfonds Baulärm" für Geschädigte geschaffen.

Wenn alles gut geht. Denn noch muss das Eisenbahnbundesamt in einem eisenbahnrechtlichen Planverzichtsverfahren ein Prozedere ersparen, das nach Darstellung von Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) alles weiter verzögern könnte. Klar ist schon jetzt: Der Gesamtumbau - inklusive Unterführung und barrierefreiem Zugang an der Nordseite - wird die Gemeinde und den Steuerzahler mehr als die gedachten 2,1 Millionen Euro kosten.

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