Haar:Eine Woche Party für alle

Die Gemeinde ist dem Bezirk Oberbayern verbunden wie keine andere. Beim Zamma-Festival Anfang Juli zeigt dieser eine Woche lang, dass er nicht nur Psychiatrie kann, sondern auch Kultur - von der Tracht bis zur Popmusik

Von Bernhard Lohr, Haar

60 Veranstaltungen, Hunderte Aktive und dazu Tausende Besucher, die an jeder zweiten Ecke im Ort eine Bühne oder Ausstellung ansteuern: Das Kulturfestival Zamma des Bezirks Oberbayern wird Anfang Juli eine Woche lang die Gemeinde Haar prägen. Und sicher wird das Mitmach-Fest, auf das sich Gruppen lange schon vorbereiten, Haar verändern. Bezirkstagspräsident Josef Mederer (CSU) sprach am Dienstag bei der Vorstellung des 130-seitigen Programmhefts im Rathaus von einer erhofften "Initialzündung" und der Mission des Zamma-Festivals. Es soll Menschen verbinden und bleibend den Gemeinsinn stärken. Auch das ist Programm.

Haar: Beim Zamma-Festival kommt ein buntes Programm zustande, zu dem unter anderem Auftritte von inklusiven Bands wie den Route Rockers gehören.

Beim Zamma-Festival kommt ein buntes Programm zustande, zu dem unter anderem Auftritte von inklusiven Bands wie den Route Rockers gehören.

(Foto: Stephan Rumpf)

Es ist ja nicht so, dass der Bezirk und die Gemeinde, die mit dem Bezirks- und dem Kreisjugendring das Festival ausrichten, Partyveranstalter geworden wären. Der Bezirk erfüllt als kommunale Gebietskörperschaft mit gewählten Bezirkstagsmitgliedern zentrale staatliche Aufgaben und sichert zum Beispiel die Psychiatrie-Versorgung. Weil er sich außer ums Soziale aber auch um die Pflege der Kultur kümmert, gibt es seit 1980 im zweijährigen Turnus ein Kulturfestival, das beide Ebenen trefflich zusammenbringt.

"Angermaier-Trachten-Nacht" im Löwenbräukeller in München, 2011

Die Trachten-Modenschau ist ebenfalls Bestandteil des Zamma-Festivals.

(Foto: Robert Haas)

Nach Freising im Jahr 2015 hat sich nun Haar um die Ausrichtung bemüht und den Zuschlag erhalten - eine Kommune, die dem Bezirk so nahesteht wie keine andere in Oberbayern, wird doch der Bau der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Eglfing im Jahr 1905 fast als Gründungsakt des heutigen, modernen Haar angesehen. 2800 Arbeitsplätze stelle der Bezirk in Haar, strich Bezirkstagspräsident Mederer heraus. Haar sei ein "gewaltiger Standort". 6400 Menschen beschäftigt der Bezirk in seinen Kliniken insgesamt, 1100 Menschen in anderen Funktionen.

Haar, Isar-Amper-Klinikum, Psychiatriemuseum,

Auch das Psychiatriemuseum ist geöffnet: Hier zu sehen ist die ehemalige Kinderstation, in der Kinder in feste Anzüge mit Handschuhen gesteckt wurden.

(Foto: Angelika Bardehle)

Was die Bezirks-Angestellten - etwa in der Imkereifachberatung, im Trachten-Informationszentrum in Benediktbeuern, im Volksmusikarchiv - alles machen, wird von Samstag, 1. Juli, bis Samstag, 8. Juli, zu erleben sein. Aber keine Sorge: Es gibt auch einen Popularmusikbeauftragten des Bezirks, und belehrend soll das alles sowieso nicht rüberkommen. Bei der Veranstaltung "Voll Tracht!" wird das Kleine Theater zum Schauplatz einer Modenschau zu Live-Musik: Dirndl trifft Pop. Der Tenor wird gleich am ersten Tag gesetzt, wenn nach einem Open-Air-Gottesdienst auf dem Kirchenplatz um 14 Uhr auf der Hauptbühne eben dort das Fest eröffnet wird und Kostproben des Programms gegeben werden. Es wird getanzt, getrommelt und gesungen. Am Abend gibt es Heimatsound mit Matthias Kellner, den Blechbixn und der Gruppe Muntermonika.

Haar: Die Künstlermeile gibt es jedes Jahr in Haar.

Die Künstlermeile gibt es jedes Jahr in Haar.

(Foto: Claus Schunk)

Wer dann noch Zweifel hat, dass Feiern erlaubt ist, kann am Eröffnungsabend gleich die Tiefgaragen-Party besuchen, die der Burschenverein unter dem Poststadel gibt. Bis 3 Uhr geht es rund. Tags darauf wir das Zentrum zur Künstlermeile mit Jazzmusik, Straßenkünstlern und mehr als 150 Ständen. Unter anderem wird es ein Bairisch-Quiz geben, veranstaltet natürlich von der Fachberatung Heimatpflege.

Das Zentrum des Geschehens bildet die Woche über die Hauptbühne am Kirchenplatz. Ein Festivalcafé wird in der Alten Schule nebenan eingerichtet. Dass Haar etwa mit dem Jugendzentrum Route 66 Erfahrung im Zusammenbringen von Menschen mit und ohne Behinderung hat, zeigt sich am 1. Inklusiven Sound-Festival, wenn die Route Rockers aus Haar mit Bands auftreten, die bis aus Schleswig-Holstein anreisen. Die Rolling Stage steuert Schulen an, mit Schülerbands an Bord, die dort Konzerte geben. Mitmachen ist möglich: Beim Lebensgeschichten-Projekt berichten Haarer von früher. Ein White-Dinner taucht die Bahnhofstraße in festliches Weiß und in einer Dunkelkammer kann jeder erleben, was es heißt, blind zu sein. Bereits jetzt sammeln Künstler Handabdrücke auf Laken, mit denen das Rathaus eingehüllt werden soll. Beim Heimatklänge-Projekt sammelt jeder, der will, Tonspuren aus dem Haarer Alltag und platziert diese auf einer Klangkarte im Internet. Der Jagdfeldsee wird zur Kulturbühne und der frühere Klinikfriedhof Ort einer Lesung.

Etwa 130 000 Euro gibt der Bezirk für das Festival, 60 000 Euro steuert die Gemeinde bei und 10 000 Euro der Landkreis. Dass das Geld gut angelegt ist, daran ließen Bürgermeisterin Gabriele Müller und Bezirkstagspräsident Mederer keinen Zweifel. Mederer wurde an diesem Punkt grundsätzlich und wies auf das Bundesteilhabegesetz hin, das fordere, "weg von der "Fürsorge, hin zur Teilhabe" zu kommen. Das müsse ernst genommen werden, sagte er. Deshalb: Die Veranstaltungen sind weitgehend barrierefrei erreichbar. Erstmals wurde ein Festivalplan in Blindenschrift erstellt. Mitfeiern und Mitmachen kostet meist nichts oder geringen Eintritt.

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