Haar:Die Richtung ist klar

Haar, Rathaus,

Als "serviceorientierter Dienstleister" versteht sich die Rathausverwaltung.

(Foto: Angelika Bardehle)

Mehr Radverkehr, Grünzüge und Wohnungsbau: Die Gemeinde Haar schreibt in Leitlinien fort, was sie bis 2020 anstreben will. Vor allem bei den Schulen und der Wirtschaftsförderung gibt es aber Diskussionsbedarf

Von Bernhard Lohr, Haar

Das Haarer Rathaus strebt Transparenz an, will Formen der Bürgerbeteiligung fördern und künftig beim Einkauf auf klimafreundliche Produkte achten. Es strebt an, dass die Gemeinde Standort einer staatlichen Realschule wird und, wenn möglich, auch einer Fach- und Berufsoberschule (FOS/BOS). Der Fahrrad- und der öffentliche Personennahverkehr sollen gefördert und Grünzüge geschaffen werden; öffentlicher Wohnungsbau unterstützt und neue Straßenverbindungen geschaffen. Auf 13 mehr oder weniger dicht beschriebenen Seiten ist aufgeführt, was sich Verwaltung und politische Vertreter bis 2020 vorgenommen haben. Zum zweiten Mal wurden nach 2010 die aus dem Jahr 2003 stammenden Leitlinien fortgeschrieben.

Die Fraktionen von SPD, CSU, Grünen und Antonius van Lier von der Freien Wählergemeinschaft (FWG) beschlossen am Dienstag das Papier, nachdem es zuvor bei einzelnen Punkten zu Kontroversen und zu einigen Abstimmungen gekommen war. So hätte die CSU die Formulierung zur Realschule und zur FOS/BOS gerne offensiver gefasst gehabt, die Grünen machten ihre Ablehnung von zwei Straßenprojekten - die Verlegung der B 471 und der Bau der Nordtangente in Richtung Rappenweg und Schwablhofstraße - deutlich. Doch am Ende einigte man sich doch weitgehend. Die einzige Gegenstimme zum Gesamtpaket kam von Werner Pfanzelt (CSU).

Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) sagte, mit Hilfe der in Kürze auf der Homepage veröffentlichten Leitlinien werde die Arbeit des Gemeinderats für die Bürger nachvollziehbar und auch ein Stück weit nachprüfbar. Dabei strich die CSU wiederholt heraus, dass es sich, bei allen Bemühungen um konkrete Aussagen, um keinen "Koalitionsvertrag" handle, wie Thomas Reichel (CSU) betonte. Jeder Gemeinderat bleibe in seinen Entscheidungen frei. Mike Seckinger (Grüne) sagte im vorberatenden Hauptausschuss, es handle sich natürlich um kein "Beschlussbuch". Thomas Fäth (SPD) betonte: "Im Einzelfall werden wir auch anders entscheiden können."

Dennoch: Der Haarer Gemeinderat hat sich ziemlich genau ein Jahr nach seiner Konstituierung zusammengerauft. Monatelang gab das Gremium ein Bild der Zerrissenheit ab, was in dem Bürgerentscheid über Hochhäuser in der Gemeinde gipfelte. Nun hat man in sechs Handlungsfeldern - Bürgerservice und Verwaltung, Bauen und Planen, Gemeindliches Leben, Bildung und Betreuung, Soziales und Umwelt - nach Beratungen zwischen den Fraktionen und auf Anregungen aus der Verwaltung hin eine gemeinsame Basis geschaffen. In der Präambel wird betont, dass sich das Rathaus als "serviceorientierter Dienstleister" verstehe. Bereits im zweiten Satz ist von Transparenz und Bürgernähe die Rede, und wieder gleich darauf, vom Wert der Wirtschaftsförderung.

Genau an diesem Punkt zeigte sich noch am Dienstag im Gemeinderat, dass mit den Leitlinien allenfalls die Richtung vorgegeben wird. Der CSU gehen die Aussagen zur Wirtschaftsförderung, trotz der Nennung in der Präambel, nicht weit genug. Sie sieht die laufende Standort-Kampagne "Workside Haar" kritisch. Antonius van Lier (FWG) forderte, die Debatte darüber, was Haar als Gewerbestandort für Unternehmen attraktiv machen könne, in einer Arbeitsgruppe des Gemeinderats vertieft zu führen. Unternehmer dächten mitunter etwas anders als es in der Kampagne suggeriert werde. Die CSU und SPD-Fraktionssprecher Alexander Zill signalisierten Zustimmung zu solch einer Arbeitsgruppe. In der nächsten Sitzung des Gemeinderats dürfte darüber abgestimmt werden.

Mehrheitlich abgelehnt wurde am Dienstag die Forderung der CSU, aus den Leitlinien die Aussage zu streichen, dass es "keine weitere Ausweitung von Kiesabbauflächen" in der Gemeinde geben solle. Dafür wurde der Wunsch von Bettina Endriß-Herz (CSU) aufgenommen, in dem Papier den Begriff "Barrierefreiheit" öfter wiederzufinden. Katharina Dworzak (SPD) lobte, bewährte städtebauliche Grundsätze fänden sich in den Leitlinien wieder: als da sind, vor allem an der S-Bahn und an der B 304 verdichtet zu bauen, und an einer kompakten, polyzentrischen Siedlungsstruktur festzuhalten. Das heißt: Einen Siedlungsbrei soll es nicht geben. Gronsdorf, Salmdorf, Ottendichl und Haar sollen weiter als Orte erkennbar bleiben.

Im einzelnen bekennt sich die Gemeinde dazu, in der Verwaltung die Bürgerinformation online weiter zu verbessern, die Kosten- und Leistungsrechnung soll im Finanzwesen in ausgewählten Bereichen stärker Einzug halten. Die Verschuldung soll unter dem Landesdurchschnitt bleiben. Die Gemeinde erwägt, um den Wohnungsbau zu stimulieren, die Kooperation mit Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften. Sie setzt sich für einen Zehn-Minuten-Takt bei der S-Bahn ein. Das Immobilienmanagement will man verbessern, um früher zu erkennen, wenn Sanierungen anstehen. Das "Kleine Theater" soll mit dem Bezirk Oberbayern unterstützt werden - so wie bisher schon.

Einiges, was in den alten Leitlinien noch stand, sucht man freilich in den neuen vergebens: etwa die explizite Forderung nach Lärmschutz an der Bahn, und, den Poststadel für Volkshochschule und Musikschule neu zu bauen. Ersteres wurde zumindest soweit, wie die Gemeinde es für umsetzbar hielt, verwirklicht, letzteres definitiv und im vollen Umfang umgesetzt.

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