CO₂-Ausstoß:Klimaschutz wird zur Chefsache

CO₂-Ausstoß: Landrat Christoph Göbel räumt ein, dass von 2006 bis 2014 fast nichts passiert ist, um den Klimazielen des Landkreises München näher zu kommen.

Landrat Christoph Göbel räumt ein, dass von 2006 bis 2014 fast nichts passiert ist, um den Klimazielen des Landkreises München näher zu kommen.

(Foto: Sebastian Gabriel)

18 Unternehmer gründen mit der Energieagentur Ebersberg-München ein Bündnis, um die Wirtschaft für den Kampf gegen die Erderwärmung zu mobilisieren.

Von Bernhard Lohr, Haar

Schon ein kurzer Rundumblick vor dem Kleinen Theater zeigt, was eine ganze Reihe von Firmenchefs in Haar zusammengeführt hat. Jeder zweite von ihnen ist mit dem Elektroauto vorgefahren. Das passt: Denn die 18 Unternehmer sind gekommen, um das Unternehmerbündnis "Die Klimaneutralen" zu gründen. Das Spektrum reicht vom Brauereichef aus Markt Schwaben und dem pfiffigen Sitzhersteller aus Haar über den Aufzugbauer in Feldkirchen bis zum Schreinermeister in Hohenlinden: Sie alle verpflichten sich, mit Unterstützung der Energieagentur Ebersberg-München bis zum Jahr 2030 mit ihren Unternehmen klimaneutral zu werden und andere dafür zu begeistern. "Sie sind die Vorbilder, die diesen Weg mit uns bestreiten", sagt Ebersbergs Landrat Robert Niedergesäß (CSU).

Christoph Lochmüller, Geschäftsführer des Aufzugbauers Riedl GmbH in Feldkirchen mit 120 Beschäftigen, ist eines dieser Vorbilder und tatsächlich auch einer, der bisher schon viel bewegt hat in Richtung CO₂-Einsparung in seinem Unternehmen. Er hat seine Firmendächer zur Hälfte mit Photovoltaik-Modulen belegen lassen, sein Fuhrpark ist auf E-Mobile umgestellt, und eine Wärmepumpe ist im Betrieb im Einsatz. "Wir sind schon klimaneutral", sagt er am Rande der Veranstaltung. Doch tatsächlich gelinge das bisher völlig nur mit Hilfe von Zertifikaten, die Kohlendioxid-Ausstoß kompensieren. Diese Krücke wolle er im Klimabündnis jetzt auch noch loswerden, sagt Lochmüller.

Im Landkreis München gehen 42 Prozent des CO₂-Ausstoßes auf das Konto der Unternehmen

Der Einsatz gegen den Klimawandel gewinnt in den Landkreisen Ebersberg und München an Fahrt und an Breite. Großen Anteil hat daran die Energieagentur, die ursprünglich nur im Landkreis Ebersberg aktiv war und der sich der Landkreis München erst verspätet anschloss, weil man, wie Landrat Göbels im Kleinen Theater einräumt, mit "Erschrecken" festgestellt habe, dass die Aktivitäten von 2006 bis 2014 beinahe null Fortschritt gebracht hätten. Man habe den "Reset-Knopf" gedrückt und arbeite jetzt mit Ebersberg und der Agentur auf allen Ebenen. Ein zentraler und bisher noch wenig beackerter Bereich ist dabei das Gewerbe: 9,7 Tonnen beträgt der Pro-Kopf-CO₂-Ausstoß im Landkreis München, 7,5 Tonnen in Ebersberg. 42 Prozent davon gehen im Landkreis München auf das Konto der Betriebe, 34 Prozent in Ebersberg.

Der Ehrgeiz, da große Schritte voranzukommen, ist am Montag in Haar bei allen in der Runde erkennbar groß. Das beginnt damit, dass die Business-Veranstaltung anlässlich der Gründung der "Klimaneutralen" vollkommen korrekt selbst als klimaneutrales Event ausgerichtet wird. Mitarbeiter der Energieagentur fragen am Eingang, wie die Gäste angereist sind. Und für alle mit Verbrenner-Motor wird per Zertifikat der Schadstoffausstoß ausgeglichen. Aber auch die teilnehmenden Unternehmer sind schon Vorreiter. Erich Schweiger, Geschäftsführer der Schweiger-Brauerei in Markt Schwaben, bezieht die Rohstoffe aus der Region und lässt gerade eine Abwasseraufbereitung errichten, um Biogas zu gewinnen, mit dem Strom und Wärme produziert werden sollen. "Wir haben immer schon nachhaltig gedacht", sagt Schweiger und verweist auf die 300 Jahre währende Familientradition. "Wir betrachten uns als Treuhänder der nächsten Generation." Die Erde intakt zu erhalten und so weiterzugeben, verstehe sich von selbst.

Johannes Rumpfinger, Chef der gleichnamigen Schreinerei in Hohenlinden, bringt es auf den Punkt: "Mein großer Antrieb sind einfach meine drei kleinen Kinder." Auch er und seine 15 Mitarbeiter fahren elektrisch. Er habe Photovoltaikmodule auf dem Dach und stelle auf Hackschnitzelheizung um, sagt er. Aber er will noch mehr. Er findet: Alle müssten noch mehr tun. "Wir brauchen mehr Photovoltaik und Windkraft."

Willie Stiehler, Geschäftsführer der Energieagentur, hört sowas natürlich gerne. Die Unternehmer im "Klimaneutralen"-Bündnis seien hervorragende Multiplikatoren. Sie seien bekannt am Ort und im Landkreis und zeigten "nicht mit dem Finger auf andere". Sie seien Vorbilder. "Pack' ma's", sagt Stiehler und greift den Slogan der Kampagne auf, die jetzt viele weitere Firmenchefs zum Mitmachen bewegen soll. Wer mitmacht, kann sich von Partnern wie Lochmüller, Schweiger oder Rumpfinger motivieren lassen. Das Bündnis fungiert als Plattform zum Austausch, aber die Energieagentur leistet mit Fachpersonal auch konkret Beistand, um jährliche CO₂-Bilanzen aufstellen. Es gibt Begehungen in den Betrieben, um einen Reduktionsplan ausarbeiten, der jährlich anzustrebende Zielmargen vorgibt.

CO₂-Ausstoß: Der deutsch-iranische Vorzeige-Unternehmer Amir Roughani, ausgezeichnet mit dem Entrepreneur-Preis 2014, hält im Kleinen Theater eine Motivationsrede.

Der deutsch-iranische Vorzeige-Unternehmer Amir Roughani, ausgezeichnet mit dem Entrepreneur-Preis 2014, hält im Kleinen Theater eine Motivationsrede.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Der deutsch-iranische Vorzeige-Unternehmer Amir Roughani, ausgezeichnet mit dem Entrepreneur-Preis 2014, gibt im Kleinen Theater mit einer Motivationsrede, in der er von "exponentiellen" Entwicklungen bei Firmen im Nachhaltigkeits-Sektor spricht, schon mal die Richtung vor. Er hat unter anderem mit der SEtrade GmbH eine Handelsbörse für grünen Strom entwickelt und mit der Carsync GmbH eine Plattform, über die Firmen ihren E-Auto-Fuhrpark optimieren können. Großes sei möglich, sagte er, der selbst im "Klimaneutralen"-Bündnis mitmacht. "Wir stehen ganz am Anfang."

Da sind sich alle einig. Christoph Lochmüller etwa beklagt die wenigen Solarmodule auf Firmendächern und pocht auf mehr Windkraft. Es reiche ihm nicht, sagt er, Windstrom aus dem Norden zu beziehen und sich mit Zertifikaten freizukaufen, die Projekte in der Ferne unterstützen. Er wolle sich mit einem Zehntel an einem Windrad im Münchner Umland beteiligen. Dann sei er auch ohne Zertifikate am Ziel. Laut Energieagentur arbeitet man an aber auch an Zertifikaten, mit denen Energieprojekte in der Region unterstützt werden. Brauereichef Schweiger signalisiert schon Interesse daran.

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