Kandidat für den Tassilo 2018:Bayerisch-kreativer Tausendsassa

Kandidat für den Tassilo 2018: Wenn ihn eine Schreibblockade plagt oder er "kreativen Unterzucker" bekämpfen muss, dann wird Roland Beier gerne auch mal zum bildenden Künstler. Seine Motive reichen dabei von antiken Götterköpfen bis zu Wolpertinger-artigen Skulpturen mit Lederhose.

Wenn ihn eine Schreibblockade plagt oder er "kreativen Unterzucker" bekämpfen muss, dann wird Roland Beier gerne auch mal zum bildenden Künstler. Seine Motive reichen dabei von antiken Götterköpfen bis zu Wolpertinger-artigen Skulpturen mit Lederhose.

(Foto: Claus Schunk)

Roland Beier prägt als Autor, Regisseur, Schauspieler und Vorsitzender seit vielen Jahren die Münchner Volkssängerbühne. Inzwischen ist sein Heimatort Haar zur Spielstätte des traditionsreichen Mundart-Theatervereins geworden.

Von Udo Watter, Haar

Die Mannsbilder, die Roland Beier in seinen Bühnenwerken auftreten lässt, sind nicht immer eine Zierde bayerischer Virilität. Macbeth etwa ist in seiner Adaption des Shakespeare-Dramas ein Mundart sprechendes Mammasöhnchen, das zu seiner Mutter eine inzestuöse Beziehung hat. Und in "Wa(h)re Männer", dem neuesten Stück des Vorsitzenden und kreativen Kopfs der Münchner Volkssängerbühne (MVB) müssen die Herren der Schöpfung zahlreiche verbale wie echte Hiebe einstecken - und dann schmutzen sie auch noch.

Die Handlung spielt im antiken Griechenland, wo sich Kriegerinnen als "derbes Weibsvolk" gerieren und als Albtraum für das starke Geschlecht entpuppen. "Meine Amazonen brauchen die Männer nur zur Fortpflanzung", sagt Beier schmunzelnd. Es ist ein Stück, das ungeniert mit Geschlechter-Klischees spielt, natürlich gibt es auch romantische Verwicklungen. Vor allem aber dürfte es wieder eine ziemlich durchgeknallte Gaudi werden, die das MVB-Ensemble da auf die Bühne bringt.

Beier und seine Frau wohnen schon lange in Haar

Premiere des Stücks ist am 19. Januar im Kleinen Theater Haar, dort wo seit dem Wegzug 2016 von Gut Nederling in Moosach die neue Heimat der Münchner Volkssängerbühne ist und vergangenes Jahr erstmals ein Stück Beiers aufgeführt wurde. Für den gebürtigen Unterhachinger, der Ende der Achtziger zur MVB kam, sich peu à peu als Schauspieler, Bühnenbildner Regisseur und Autor etablierte und seit 2006 als Vorsitzender fungiert, ist das quasi ein Heimspiel: Er und seine Frau Bärbel, die ebenfalls eine wichtige Rolle im Ensemble spielt - beide lernten sich auf der Bühne kennen - wohnen schon lange in Haar. Den Umzug der Bühne nach vielen Jahren in der Stadt empfanden sie freilich als Wagnis. "Wir haben damals schon mit dem Super-GAU gerechnet", erinnert sich Beier.

Nun, die "Münchner Institution", wie der damalige OB Christian Ude die MVB 2010 in seinem Grußwort zum 50. Geburtstag nannte, hat ihr Stammpublikum aber großteils bis außerhalb der Stadtgrenzen mitgenommen. "Wir wollen uns freilich auch hier am Ort etablieren", sagt Beier. Er selbst nimmt beim aktuellen Stück mal wieder eine Mehrfach-Aufgabe als Autor, Regisseur und Schauspieler ein.

Überhaupt ist der 55-Jährige ein kreativer Tausendsassa, der schon in der Kindheit sich ständig Geschichten ausdachte. Das ist auch heute noch so. "Wenn ich eine Idee habe, muss ich drüber schreiben", sagt er. Ihn inspirieren dabei auch Erfahrungen in seinem Teilzeitjob als Fachberater in einem Baumarkt, wo er seiner Neigung, Menschen zu beobachten, nachkommen kann. "Manchmal fragen mich die Leute: Wie fällt dir denn nur so ein Blödsinn ein? Da sag ich: Des hab ich so erlebt."

Beier ist ein produktiver Schreiber, der sein Talent für bairische Dialoge und Pointen, aber auch für die entsprechende Inszenierung nun schon lange stilprägend auslebt. Geist und Selbstverständnis der MVB, die 1960 gegründet und seit 1963 als Verein eingetragen ist, hat sich ja im Lauf der Jahrzehnte geändert - nicht mehr nur die Wiederbelebung der traditionsreichen Volkssängerkunst steht im Mittelpunkt, sondern komödiantisch-überdrehte Klassiker-Adaptionen und selbst geschriebene Stücke - meist aus der Feder Beiers.

Die Schwierigkeit, jüngeres Publikum anzusprechen, ohne die Tradition bloßzustellen, hat die MVB, die 25 Mitglieder aller Altersklassen hat, gut gemeistert - manche Stammgäste, verfolgen die Mundartbühne seit ihren Zeiten in Schwabing, aber auch bei ihren regelmäßigen Aufführungen im Unterhachinger Kubiz ist der Saal voll.

Der "Boandlkramerblues" ist sein größter Erfolg

Beier hat eine tragende Rolle dabei gespielt, die Suche nach dem Idealstoff "bayerisch, aber kein Bauernstück" umzusetzen. Der gelernter Maler, der auch bildhauerisch tätig ist und etwa wolpertingerartige Skulpturen gestaltet, sprüht vor Einfällen: Ob er nun klassische Dramen umformt ("Die Jedermann", "Sei oder ned sei") und dabei "Splatter-Punk"-Elemente und Schwulenpärchen einbaut oder eigene Stoffe entwickelt und mit Lust an Theatralik inszeniert. Alles gelingt zwar nicht - "manchmal schlage ich etwas über den Geschmack hinaus", gibt Beier zu - aber generell kommen seine erfrischend-spinnerten Einfälle auf der Bühne gut an.

Sein wohl größter Erfolg ist "Der Boandlkramerblues". Es ist quasi eine Umkehrung der Brandner-Kasper-Geschichte: Die Hauptfigur Isidor Birnbacher sehnt sich, nachdem alle Spezln weggestorben sind, ebenfalls nach dem Tod und versucht den Boandlkramer entsprechend zu beeinflussen. Es ist ein Werk, auf das Beier stolz ist, weil es nicht nur humorvolle bayerische Elemente hat, sondern auch essenzielle Fragen zu Tod und Vergänglichkeit thematisiert. Auch andere Bühnen spielen es inzwischen und Beier ist dabei, den Stoff in Romanform zu übertragen. Dass er zudem eine Satire über Ludwig II. zu schreiben plant, in der dieser ein schwuler Vampir ist, verwundert nicht. Beier ist eben einer, der der bayerischen Seele nachspürt - lustvoll, aber auf seine eigene Weise.

Vorschläge für den Tassilo-Kulturpreis können unter tassilo@sueddeutsche.de oder an die SZ-Lokalredaktion Landkreis München geschickt werden: Hultschiner Straße 8, 81677 München. Einsendeschluss ist 28. Februar.

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