Haar:Auf der Suche nach sauberen Firmen

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Erst war die Versicherungskammer weg, dann das Rechenzentrum der Sparkasse. Haar sucht nach Nachmietern. (Foto: Angelika Bardehle)

Die Gemeinde Haar tut sich schwer mit der Ansiedlung neuer Unternehmen. Jetzt wollen die Lokalpolitiker von anderen Kommunen wie Garching oder Unterföhring lernen

Von Bernhard Lohr, Haar

Was es in Haar nicht alles geben könnte, wenn man nur gewollt hätte: Einen Golfplatz, zum Beispiel, eine Großbäckerei und ein Depot für Überlandbusse. Oder: Eine Indoor-Sportanlage, ähnlich der vielleicht, die Jochen Schweizer in Taufkirchen errichten will. Wo man also in einer Halle mit künstlich erzeugten Aufwinden einen Fallschirmsprung simulieren kann. Den Landtagsabgeordneten Peter Paul Gantzer (SPD) hätte es vielleicht gefreut. Ist er doch als passionierter Fallschirmspringer bekannt. Für all diese Unternehmungen gab es im Haarer Rathaus in knapp eineinhalb Jahren Anfragen. 28 waren es insgesamt.

Es war keine schlechte Ausbeute, fand am Dienstagabend der Geschäftsführer im Haarer Rathaus, Hans Schmid, als er die Aktivitäten der Wirtschaftsförderung seit Herbst 2013 im Gemeinderat vorstellte. Und doch hielt sich die Zufriedenheit in Grenzen. Denn Haar tut sich schwer mit der konkreten Ansiedlung neuer Unternehmen, seit es 2012 und 2013 schwere Rückschläge hat hinnehmen müssen. Die Bayerische Versicherungskammer verließ die Gemeinde und die Sparkassen-Informatik folgte nach. Erst kürzlich verabschiedete sich Panasonic aus einem Gewerbekomplex an der Hans-Pinsel-Straße, um den Standort in Ottobrunn zu stärken. Die Gewerbesteuereinnahmen brachen nach dem Rekordjahr 2011, das 25 Millionen Euro in den Säckel des Kämmerers spülte, um die Hälfte ein. Es läuft nicht rund, weshalb CSU und Grüne zuletzt die Wirtschaftsförderung zum Thema machten und auf den nun vorgetragenen Report drängten.

Paul Wieser (CSU) sagte, der Business-Campus in Garching floriere, in anderen Kommunen siedelten sich Firmen an. "Mit solchen müssen wir einfach konkurrieren." Alfons Meindl (SPD) fragte: "Was hat Unterföhring, was Haar nicht hat? Da können wir vielleicht etwas lernen." Unterföhring nahm auch dank innovativer Unternehmen im Medienpark vergangenes Jahr 135 Millionen Euro an Gewerbesteuer ein.

Die Lernbereitschaft hat in Haar damit zu tun, dass trotz der zuletzt 28 Anfragen der durchschlagende Erfolg ausgeblieben ist. Dabei hatte noch der frühere Bürgermeister Helmut Dworzak (SPD) die Kampagne "Workside Haar - Leben und Arbeiten Seite an Seite" gestartet. Den Beginn markierte am 24. Oktober 2013 ein Weißwurstfrühsück mit 30 Immobilienmaklern, die als Multiplikatoren an Unternehmer herantragen sollten, was für ein attraktiver Standort die Gemeinde Haar im Osten Münchens sei. Die Versicherungskammer schloss sich mit der Kampagne 8inOne an, um eigene Büroflächen in Eglfing zu vermitteln. Auch zwei große Grundstücke wurden angeboten: eins mit 6500 Quadratmetern am nördlichen Bahnhofszugang in Hand der Kommune, das andere mit 20 000 Quadratmetern weiter nördlich an de Leibstraße im Eigentum des Bezirks. Die Angebote für eine Indoor-Sportanlage, ein Busdepot oder einen Golfplatz brachten die Gemeinde da nicht weiter; wobei mancher Investor bei seiner Anfrage an die große Finkwiese gedacht haben wird - eine der letzten Entwicklungsflächen nördlich der Wasserburger Straße in Haar.

Freie Flächen sind in Haar rar. Das zeigt sich derzit bei der Suche nach einem Standort für eine Realschule sowie eine Fach- und Berufsoberschule. Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) machte klar, dass die Ansiedlungspolitik diesem Umstand Rechnung tragen müsse. Haar müsse sich um hochwertiges Gewerbe bemühen, um innovative Firmen, mit jungen Mitarbeitern, für die das passende Umfeld wichtig sei. Weiche Standortfaktoren zählten, sagte Müller. Erst kürzlich habe ein interessiertes Unternehmen nur mit dem Argument einen anderen Standort vorgezogen, weil es dort ein Biotop vor dem Mensagebäude gebe. Erfolg und Misserfolg lägen beim Werben um Unternehmen nah beisammen, sagte auch Ute Dechent, die mit Hans Schmid die Workside-Kampagne betreut. Dabei tut sich ja auch was. So ist laut Müller ein Unternehmen gerade ernsthaft interessiert, auf der Gemeindefläche am Bahnhof zu bauen. Ein Architekt sitze bereits an Entwürfen. Ein weiteres Unternehmen werde einen Teil der Büroräume im sogenannten Pagodum belegen, sagte sie.

Über die Frage, was für Gewerbe nach Haar passt, und wo Gewerbeflächen vielleicht noch ausgewiesen werden könnten, soll in den nächsten Wochen und Monaten diskutiert werden. Ein Arbeitskreis ist geplant. Erste Konfliktlinien zeichnen sich bereits ab. So regte Thomas Reichel (CSU) an, sich von der Vorstellung zu lösen, nur Premium-Gewerbe ohne Verkehr nach Haar zu holen. Thomas Fäth (SPD) widersprach entschieden, den Bürgern sei mehr Verkehr nicht zuzumuten. Gerlinde Stießberger (CSU) rief dazu auf, eigene Stärken mehr zu betonen. "Wo hebt sich Haar von anderen Gemeinden ab?", fragte sie. Man könnte doch mit der weithin bekannten Klinik das Profil schärfen und sich als Standort für Firmen im Gesundheitssektor anbieten. Als nächstes wird die Workside-Homepage überarbeitet, die Kampagne wird modifiziert, aber auch fortgesetzt.

© SZ vom 26.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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