Verdichtung an der S-Bahn:Angst vor Veränderung

Haar, Gronsdorf, Modell für Bebauung Richtung Osten

Südlich der bestehenden Siedlung sollen entlang der Bahntrasse (unten) Geschosswohnungen entstehen.

(Foto: Angelika Bardehle)

Viele Gronsdorfer kritisieren den geplanten Geschosswohnungsbau. Sie befürchten eine Zunahme des Verkehrs.

Von Bernhard Lohr

Viele Gronsdorfer befürchten, dass sie ihren Ort in ein paar Jahren nicht wiedererkennen. Sie haben Sorge vor großflächigem Wohnungsbau und davor, dass sich ihr bis heute relativ beschauliches Leben am Stadtrand durch neue Straßen und mehr Verkehr zum Nachteil verändert. All dies machen sie aktuell an einem Bauvorhaben fest. Am Mittwochabend kritisierten viele der 120 Besucher einer Ortsteilversammlung im Bürgerhaus die Pläne der BPD Immobilienentwicklung GmbH, die an der Bahntrasse in einer durchgezogenen Baureihe 105 Geschosswohnungen schaffen will, und dahinter Richtung Herzogstandstraße acht Reihenhäuser. "Das passt überhaupt nicht da hin, potthässlich ist das", sagte eine Anwohnerin.

So scharf urteilten freilich nicht alle. Mancher äußerte auch Verständnis für das Vorhaben, das als Lärmschutzbebauung an der Bahn nach Darstellung der Architekten für die bestehende Siedlung Gronsdorf-Kolonie auch Vorteile bringen soll. Bisher wird der Zuglärm an der Strecke München-Rosenheim direkt ins bestehende Wohnviertel getragen. Architekt Christian Weigl vom Büro Goergens & Miklautz, das den Rahmenplan gemacht hat, sagte, es gebe für dieses schmale, durch Bahnlärm belastete Grundstück nicht viele Möglichkeiten. Man habe geprüft, dort Gewerbe, Märkte, ein Hotel oder ein Atriumhaus zu platzieren. Es müsse eine Bebauung sein, "die vor Lärm schützt", so wie sie jetzt für Wohnungen vorgelegt worden sei. Es sei eine innovative Planung mit Wohnqualität.

"Eine andere Welt"

Klar ist Weigl zufolge aber auch, dass das "eine andere Welt" ist als Gronsdorf-Kolonie. Veränderungen seien unvermeidlich. "Der Regionalplan sieht nicht vor, mit S-Bahnhaltestellen nur Wiesen zu erschließen." Wie andere an der Bahn gelegene Freiflächen sei das Gebiet als "Entwicklungsschwerpunkt" vorgesehen.

Trotzdem: Gabriele Gneißl sagte, es dürfe nicht einfach ein Block dort "hingeknallt" werden. Das werde weitere Verdichtung nach sich ziehen. Die Straßen in Gronsdorf seien bereits jetzt alle zugeparkt. Martin Zerta forderte, sich nochmal die mögliche Verkehrszunahme durch das Neubauprojekt genau anzuschauen und durchzurechnen. Ein Anwohner, der namentlich nicht genannt werden wollte, deutete an, er könnte rechtlich gegen die geplante Bebauung vorgehen.

Dass die Debatte überhaupt noch einmal so geführt wird, hat mit dem Wunsch der Investoren von BPD-Immobilien zu tun, den Zuschnitt der Wohnungen zu ändern. Deshalb wird das Bebauungsplanverfahren mit der Möglichkeit der Bürger, Einwendungen vorzubringen, neu aufgerollt. Insgesamt werden es zehn Wohnungen mehr als in der ursprünglichen Version, wobei mehr kleinere Wohnungen vorgesehen sind. Die Zahl der Stellplätze, die vor allem in einer Tiefgarage entstehen, steigt Architekt Weigl zufolge lediglich um drei. Die Anfahrt laufe vollständig über die von der bestehenden Siedlung abgewandten Seite.

Die Bürgermeisterin spricht von einem "zweischneidigen Schwert"

Stoff für Debatten bot zudem die aktuelle Anstrengung der Stadt München, einen Straßendurchstich von Gronsdorf bis zum Rappenweg in Trudering zu ermöglichen. Damit einher ginge zum einen, dass die Anfahrt zu dem heiß diskutierten Neubaublock der BPD-Immobilien über die Schneiderhofstraße Teil der durchgehenden sogenannten Nordtangente direkt an der Bahntrasse würde. Zum Vorteil der Bewohner der Herzogstandstraße könnte es damit auch gelingen, Gewerbegrund am Rappenweg doch nicht über Wohngebiet zu erschließen. Andererseits würde mit der Straße wohl der Weg frei für Wohnbebauung am Gronsdorfer Bahnhof im großen Stil auf einem Grundstück, das der Stadt München gehört. Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) sprach deshalb von einem "zweischneidigen Schwert".

Ein Besucher der Versammlung machte seiner Sorge vor einer bevorstehenden, "ganz großen Verkehrsbelastung" Luft. Ingrid Köhler warb für eine Siedlungsentwicklung, die nicht auf den Individualverkehr zugeschnitten sei. Die Gemeinde Haar geht rechtlich gegen die Grundstückseigentümerin vor, die eine Tangente blockieren kann. Müller sagte, die Gemeinde wolle Optionen wahren. Jedem müsse klar sein, sagte sie. Sollte die Stadt München bauen, würden das "keinesfalls Einzel- oder Doppelhäuser".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: