Grünwald:Verkehrssünden und andere Heiterkeiten

Inspektionsleiter Andreas Aigner bereitet für die Grünwalder jede Woche den Polizeibericht auf. Das kann manchmal durchaus komisch sein.

Von Claudia Wessel, Grünwald

Manchmal kichert Evelyn Kohlenz so laut, dass man es bis ins Nebenzimmer hört. Dann ist sie dabei, den Pressebericht von Andreas Aigner von seinem Diktiergerät abzutippen. "Sie müssen wissen, unsere Schreibkraft wohnt in Grünwald", erklärt der Leiter der Grünwalder Polizeiinspektion. Und da seien so manche Sachverhalte für sie natürlich besonders bedeutsam.

Jeder kennt im Bereich der Grünwalder Polizeiinspektion, die auch die Gemeinden Straßlach-Dingharting, Pullach, Baierbrunn und Schäftlarn umfasst, den Ersten Polizeihauptkommissar Aigner, selbst, wenn er ihn nie gesehen hat. Das liegt daran, dass der 50-Jährige einen ganz besonderen Luxus genießt: Im Isar-Anzeiger, "Heimat-Zeitung und Amtsblatt der Gemeinde Grünwald", darf er jede Woche fast eine ganze Seite mit Polizeiberichten füllen. Dies geht auf eine alte Tradition zurück, schon sein Vorgänger im Amt schrieb dort Kurzmeldungen. Seit 1999 ist Aigner der Schreiber.

Grünwald: Das Diktiergerät ist zwar nicht das neueste Modell, funktioniert aber seit 1999 wunderbar für Andreas Aigners lehrreiche Polizeiberichte.

Das Diktiergerät ist zwar nicht das neueste Modell, funktioniert aber seit 1999 wunderbar für Andreas Aigners lehrreiche Polizeiberichte.

(Foto: Stephan Rumpf)

Der Chef schreibt nicht - er diktiert

Man habe damals überlegt, ob es sinnvoll sei, damit weiter zu machen, erzählt Aigner. Schließlich mache es eine Menge Arbeit. Meist komme er schon am Sonntag in die Inspektion und schaue die Anzeigen und Erstlagemeldungen durch, um das Geeignete für den Bericht auszusuchen. Dieser muss jeden Montag an den Isar-Anzeiger geliefert werden. Nach der allgemeinen Lagebesprechung mit den Kollegen am Montagmorgen setzt sich Aigner dann an seinen Schreibtisch und spricht in sein altmodisches, aber noch immer praktisches Diktiergerät.

Man weiß nicht genau, worüber Evelyn Kohlenz später beim Abtippen ins Kichern gerät. Ob es die Formulierung "schnittige Fahrweise" ist, mit der der Polizeichef immer wieder gerne beschreibt, warum ein Wagen den Beamten aufgefallen ist. Oder ob es die vielen kleine Winke mit dem Zaunpfahl sind, die er einbaut, beispielsweise: "Ob dieser (gemeint ist ein Autofahrer) auch den Maibaum feierte, ist nicht bekannt." Oder ob es ironische Aussagen sind wie "sodass sie in Handschellen unsere bayerische Gastfreundschaft erleben durften".

Ja, beim Schreiben oder eher beim Diktieren juckt es Aigner manchmal - in den Fingern kann man ja schlecht sagen, also eher in der Zunge. Da hätte er oft noch so manche Formulierung auf den Lippen, aber er verkneift sie sich. Meistens. Einiges aber muss einfach sein, um der Erziehung des Bürgers Willen. Etwa: "Dass Alter nicht vor Torheit schützt, zeigt, dass die Beamten fündig wurden und mehrere Gramm des Rauschgifts Haschisch aufgefunden und sichergestellt werden konnten."

Oder: "Durch ein derartiges Verhalten kommt ein ganzer Straßenzug in ein schlechtes Licht" (ein Auto war beschädigt worden, nachdem vorher bereits mehrmals ein Zettel am Wagen gewarnt hatte, nicht mehr dort zu parken). Aigner hat aber durchaus auch Lob parat: "Das Vorgehen des Hausbesitzers war im Ablauf seiner Maßnahmen vorbildlich." Ein Hausbesitzer hatte Rauch im Keller bemerkt und sogleich alle Mieter und dann die Feuerwehr alarmiert.

In den Bericht schafft es nur der lehrreiche Stoff

Wer die Seite voller großer und kleiner Taten im Isar-Anzeiger studiert, denkt spontan, das müsse die vollständige Aufzählung aller polizeirelevanten Ereignisse sein. Schließlich ist das Einsatzgebiet der Grünwalder Inspektion ja nicht allzu groß. Da aber muss Aigner widersprechen. Obwohl er in seinem Bericht oft fünf bis sechs Verkehrsdelikte - Unfälle oder Drogen am Steuer - hat, seien dies nur etwa zehn Prozent solcher Sündenfälle, die sich wirklich in der einen Woche ereigneten. Auch die anderen Delikte seien immer nur eine Auswahl. Die Aigner mit Bedacht trifft, immer im Hinblick auf die Botschaft, die darin für den Bürger steckt.

In bloßer Gewalt steckt seiner Meinung nach keine Lehre für den Leser, weshalb Aigner etwa Familienstreitigkeiten mit durchaus öfters mal blutigem, wenn auch nicht tödlichen, Ausgang, lieber verschweigt. Aber nicht nur, damit "kein Blut aus den Zeitungsseiten tropft", sondern auch aufgrund des Datenschutzes. Denn in einem kleinen Ort wie Grünwald oder den anderen Gemeinden könne sich jeder eins und eins zusammen zählen, wenn man etwa von einem Eifersuchtsdrama in einer bestimmten Straße berichte. Der Schutz der Persönlichkeitsrechte aber sei ganz wichtig bei seiner Zusammenstellung.

Es gibt dennoch reichlich Ereignisse, die eine Lehre für den Leser enthalten. Etwa die zwei Jugendlichen, die mit täuschend echt aussehenden Waffen und Tarnjacken ausgerüstet an der Isar "Krieg spielen" wollten. Das habe er ausgewählt als Appell an Eltern, die "oft nicht wissen, was ihre Kinder treiben". Oder den Stalker, der sich nachts im Garten einer allein stehenden Grünwalderin herumtrieb - das ging mehr an die "Grattler", die glauben, in Grünwald ihr Unwesen treiben zu können.

Die Sache mit dem Maibaum aber, die ging an die Adresse der Feuerwehr. Schließlich habe die Polizei vor Alkohol bei der Maibaumwache gewarnt. Weil sich wohl auch Evelyn Kohlenz ihren Teil über die Feuerwehrmänner denkt, musste sie bestimmt wieder kichern.

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