Grünwald:Pianistischer Parforceritt

Grünwald, August-Everding-Saal, Konzert Tamara Stefanovich

Zupackend und mit bemerkenswerten manuellen Fertigkeiten gesegnet: Tamara Stefanovich.

(Foto: Angelika Bardehle)

Tamara Stefanovich präsentiert in Grünwald ein rasantes, hochvirtuoses Programm

Von Udo Watter, Grünwald

Über seine zwölf im Jahr 1915 komponierten Etüden für Klavier hat Claude Debussy gesagt: "Sie sind eine Warnung für alle Musiker, nicht diese Profession zu ergreifen, wenn sie nicht bemerkenswerte Hände haben." Tamara Stefanovich hat definitiv bemerkenswerte Hände und mit Warnungen braucht man der in Belgrad ausgebildeten und in Berlin lebenden Pianistin wohl ohnehin nicht zu kommen: Als Künstlerin wirkt sie furchtlos: eine Virtuosin, die sich solch Herausforderungen, wie sie viele Etüden darstellen - Werke, die im ursprünglichen Wortsinn ("les études" = Studium) der Ausbildung technischer Fertigkeiten dienten - mit Verve stellt.

Auch ihr Programm, das sie im Grünwalder August-Everding-Saal vorstellte, zeugte von dem Mut, neue Wege zu gehen: im ersten Teil Variationen von Bach, Mozart und Liszt, nach der Pause ein pianistischer Parforce-Ritt durch die Geschichte der Etüden - elf Stücke von Liszt bis Ligeti, vorgetragen ohne Unterbrechungen und Verschnaufpause. Stefanovich, die kurzfristig für den erkrankten französischen Pianisten Alexandre Tharaud eingesprungen war, demonstrierte hier ihre stupenden manuellen Fertigkeiten. Indessen überzeugte gerade beim Mittelpunkt des Etüden-Reigens, der Étude 11 pour les arpèges composés von Debussy, über die Bewältigung der technischen Schwierigkeiten hinaus ihre Fähigkeit, impressionistischen Klangfarbenzauber zu entfalten und weich in die Tiefe der tonalen Räume vorzudringen. Generell ist Stefanovich freilich keine, die zum romantischen Sound neigt, selbst bei Kompositionen wie Chopins Etüde op. 25 Nr. 2 sucht sie den fast atemlos temporeichen, originell rhythmisierten Weg.

Der hochvirtuose Tastendonner, den viele der vorgetragenen Stücke erforderten - von Scriabin, Rachmaninow oder Messiaen - kulminierte in der Etüde "L'escalier du diable" von Ligeti, die Stefanovich beeindruckend meisterte. Hier spürte man, wie sie bei aller Rasanz quasi jeden einzelnen Ton durchdrungen hat.

Weniger eindrucksvoll geriet der erste Teil: Bachs "Aria variata alla maniera italinana" litt unter dem üppigen Pedaleinsatz und der Hörgenuss wurde auch durch den Nachhall gemindert, welcher dem suboptimalen Zustand des Grünwalder Steinways geschuldet ist - er wird demnächst einer Generalüberholung unterzogen. Unabhängig davon fehlte Stefanovich auch bei Mozarts "Neun Variationen über ein Menuett von Jean-Pierre Duport" bei aller elaborierten Phrasierungsabsicht der Zauber einer eigenen Klangkultur.

Das dramatische Dunkelgebräu von Liszts Variationen über den Basso Continuo von Bachs "Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen", gelang der charmanten Pianistin trotz kleiner Spannungsabfälle wieder mitreißend - nicht zuletzt dank ihrer bemerkenswerten Hände.

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