Grünwald:Neues Leben für müde Geräte

Grünwald: Klaus Peken (links) hat eine defekte Verteilerleiste ins Repair-Café mitgebracht. Für Loken Kar ist es kein Problem, sie zu reparieren.

Klaus Peken (links) hat eine defekte Verteilerleiste ins Repair-Café mitgebracht. Für Loken Kar ist es kein Problem, sie zu reparieren.

(Foto: Claus Schunk)

Beim Grünwalder Repair-Café wird streikende Elektronik wieder hergestellt, eine Aktion gegen die Wegwerfgesellschaft.

Von Helena Ott, Grünwald

Grün-gelber Kabelsalat quillt aus der Steckerleiste mit Überspannungsschutz, die aufgeschraubt auf dem Tisch im Keller des Grünwalder Jugendzentrums liegt. Loken Kar und Klaus Pekel prüfen mit dem Spannungsmesser, warum kein Strom mehr in den Steckerbuchsen ankommt. Für rund 15 Euro könnte Besitzer Pekel eine neue kaufen; das will er aber nicht: "Man muss doch erst mal den Grund suchen, bevor man die Geräte einfach so auf den Müll wirft."

Der 73-jährige Fahrlehrer passt genau auf, wie Loken Kar die Kupferdrähte abzwickt und neue Isolationsschläuche befestigt. Kar ist gebürtiger Inder und hat vor knapp 40 Jahren in Kalkutta Physik studiert. "Man braucht eine Leidenschaft für die Technik und viel Geduld", sagt er und seine Augen leuchten, während er das Innenleben der Gerätschaften inspiziert. Am Nebentisch ist ein Schrauber-Kollege an einem kaputten CD-Spieler zu Werke und auch eine schwarze Stehlampe entgeht durch ein paar Kniffe der Fachleute knapp der Schrottpresse.

Niemand, der ein Gerät ins Repair-Café mitbringt, wird abgewiesen. Statt gleich etwas Neues zu kaufen und immer mehr Müll zu produzieren, wird arbeitsmüden Geräten hier wieder neues Leben eingehaucht. Eine Frau legt ein defektes Navi auf den Tisch. Maz Grimm, ein absoluter Profi in der Münchner Repair-Café-Szene, diagnostiziert einen Akkufehler. Die Frage, ob es sich noch lohnt, für zehn bis 17 Euro einen neuen Akku einzubauen, überlässt Grimm der Kundin.

Allzu häufig landen solche Fälle ohne Reparaturversuch auf dem Grünwalder Wertstoffhof. "Mir tut es im Herzen weh, wenn da Drucker und Waschmaschinen stehen, die keine fünf Jahre alt sind", sagt Helmut Geiselbrechtinger, der Initiator des Grünwalder Reparatur-Cafés. Der gelernte Ingenieur für Medizintechnik hat den mühsamen Anfang gewagt, auch in Grünwald nach dem Modell der Nachbargemeinde Pullach ein Repair-Café auf die Beine zu stellen. Mit der Initiative will er gemeinsam mit den anderen ehrenamtlichen Schraubern ein Zeichen gegen die Wegwerfgesellschaft setzen.

Es werden noch Ehrenamtliche gesucht

"Indirekt ist das sogar ein Beitrag zum Artenschutz", lobt Manfred Siering vom Bund Naturschutz Grünwald-Straßlach und verweist darauf, dass zum Beispiel der Gorilla im Kongo bedroht ist, weil der Mensch ihn durch den Abbau von Coltan, ein Rohstoff, der für Handys und Fernseher gebraucht wird, immer weiter aus seinem Lebensraum verdrängt. "Je mehr wir konsumieren, desto mehr verschärfen sich solche Probleme", so der Naturschützer. Doch in den zurückliegenden fünf Jahren scheint sich etwas in den Köpfen der Verbraucher zu ändern. Mittlerweile zählen München und Umland schon 36 Repair-Cafés, Besucherzahlen steigend. Grünwald ist noch in der Pionierphase. "Ich suche noch händeringend nach weiteren Ehrenamtlichen, die Spaß am Reparieren haben", sagt Geiselbrechtinger.

Wer will, kann das Projekt durch eine Spende unterstützen. Statt um Geld geht es beim Repair-Café aber um den gemeinsamen Erfolg beim Werkeln und darum, miteinander in Kontakt zu kommen. Zur Stärkung zwischendurch stellen Mitarbeiter des Jugendzentrums Kaffee und Kuchen bereit und sorgen so dafür, dass Helmut Geiselbrechtinger und sein Tüftler-Team sich ganz auf die technischen Sorgenkinder konzentrieren können. Zeitgleich spielen die Jugendlichen, die zum offenen Treff ins Jugendzentrum kommen, oben Kicker und Billard. Einer der Jungs strikt sich ein paar gelb-graue Handschuhe an der Cafeteria-Bar und verfolgt, welche Geräte nacheinander in den Keller wandern.

"Ich bin selbst sehr wählerisch beim Wegwerfen von Sachen, die nicht mehr so funktionieren", sagt der 17-Jährige und will zum nächsten Termin seine kaputten Kopfhörer mitbringen und sie von den Technikprofis inspizieren lassen. Unten fehlen jetzt nur noch drei Schrauben und die Steckerleiste von Klaus Pekel ist wieder einsatzfähig.

Am Freitag, 14. Februar, findet das nächste Repair-Café im Pullacher Jugendtreff Freiraum statt und am Freitag, 24. März, im Jugendzentrum Grünwald. Wer Spaß am Reparieren hat, kann sich an reparaturcafe.gruenwald@t-online.de wenden.

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